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Zerrissener Dreier

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Wir waren eine kleine Einheit, A., T. und ich. Wir schnitten einander im Garten die Haare, tranken dazu Rotwein und hörten Vengaboy. Gingen zusammen tanzen, zum Arzt und zum Baumarkt, hielten uns im Arm, schauten Schwarzweißfilme und aßen dabei Schokowaffeln. Bis zu einem Abend vor ein paar Wochen.

An diesem Abend saß T. am Küchentisch und sagte mir, dass A. ihm egal sei. A., den er über zwei Jahre lang als seinen besten Freund bezeichnet hat, mit dem er den Kühlschrank geteilt und der ihm seine Lieblingsschokolade mitgebracht hat, wenn es ihm schlecht ging. So einfach ist das: Meine zwei besten Freunde sind keine mehr.

Ich hätte es merken können: Daran, wie T. seit einer Weile vom Tisch aufstand, den Abwasch machte und mit den Augen rollte, während A. und ich weiterredeten. Wie er nur noch alle paar Mal mitkam, wenn wir uns trafen. Wie er dann in die Ferne starrte und aussah, als wäre er lieber woanders. Irgendwann stellte A. ihn zur Rede. Er wollte wissen, woran es liegt. A. und T. sind vor einem Jahr zusammengezogen. T. sagte, A. rede zu viel von sich. T. stören die Krümel auf der Arbeitsplatte und seine Klamotten im Bad. Zu viel Nähe vielleicht. Genervtheit vielleicht. Anscheinend haben sie sich auseinandergelebt.

 

Ich dachte, das passiert in Freundschaften: dass man sich auch mal nicht so viel zu sagen hat. Und dass das Schöne ist: dass man sich zum Kotzen finden und sich danach wieder in den Arm nehmen kann. Aber für T. ist es das Ende. Er will A. nicht mehr sehen. A. ist es leid, ihm hinterherzulaufen. Und ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll.

 

Wenn sich ein Paar trennt, sind die Regeln für deren beste Freunde klar: uneingeschänkte Solidarität mit demjenigen der beiden, dem man nähersteht. Jeder Freund kehrt wieder auf die Seite zurück, von der er gekommen ist. Ich gehöre aber zu zwei frisch getrennten besten Freunden. Das heißt: sich entweder für eine Seite entscheiden oder beide verbliebenen Freundschaften neu definieren. Solidarität wird zum komplexen Spagat. Ich gehe abends mit T. feiern und stehe dann vor der Kneipe, um A. zu beruhigen, der am Morgen eine Präsentation hat.

 

T hat entschieden: Wir sind nicht mehr zu dritt. Und zu zweit haben wir eine andere Dynamik

 

Es ist, als würde ich beide neu kennenlernen. Ich entdecke eine neue Seite an T. – wie seine Stimme plötzlich so kalt klingt, wenn er mit A. spricht. Wie er seinen Blicken ausweicht und den Raum verlässt. Und das macht mir Angst. Ich setze bei engen Freundschaften eine gewisse Bedingungslosigkeit voraus, keine Ewigkeitsgarantie, aber doch ein bisschen das Versprechen: „Du darfst es bei mir auch mal richtig verkacken.“ Ich frage mich, ob für uns Freundschaft überhaupt dasselbe bedeutet. Ich bin verletzt, denn irgendwie hat T. mir damit auch die Freundschaft gekündigt – er hat zumindest entschieden: Wir sind nicht mehr zu dritt. Zu zweit haben wir eine andere Dynamik. Es fehlen T.s trockene Kommentare in A.s Redefluss, A.s Ratschläge, wenn T. von der Arbeit erzählt.

 

Als ich mit A. darüber rede, fühle ich mich wie ein kleines Kind, das seinen Eltern sagt, dass sie sich wieder lieb haben sollen. Ich will noch nicht aufgeben: Ihre Freundschaft, unsere Freundschaft. Mein Verhalten ist egoistisch. Ich will konservieren, was nicht konserviert werden will.

 

Wenn vorher eine meiner Freundschaften zerbrach, lag es an mir, mich zu melden oder nicht zu melden, um etwas zu kämpfen, mich zu entschuldigen und zuzuhören. Jetzt kann ich nur versuchen, zu vermitteln. Als A., der gerade im Ausland ist, Geburtstag hat, schicke ich ihm ein Foto von der Torte, die wir ihm letztes Jahr gebacken haben. „Nächstes Jahr wieder“, schreibe ich in den Gruppenchat, der seit ein paar Wochen inaktiv ist. A. schickt ein Kuchen-Emoji. T. schreibt nicht zurück.

 

Text: sina-pousset

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