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Superstar im Schlabberlook

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Illustration: karen-ernst Endlich ist Britney Spears das, was sie schon immer sein wollte. Das Mädchen von nebenan, das ihren Babybauch unter einer grotesken, weißen Abdeckplane versteckt. Eine Landpomeranze aus Kentwood in Louisiana, die Pommes aus der Tüte mampft und mit weit geöffnetem Mund und einem hohlen Gesichtsausdruck auf den Titelblättern dieser Welt verewigt wird. Das schwache, vom Schutzinstinkt geleitete Geschlecht, das Unterschlupf bei einem bärtigen, starken Mann – ihrem Ehemann Kevin Federline – gefunden hat. Ehefrau und werdende Mutter mit Mut zur Hässlichkeit: das zweite Gesicht auf den Titelblättern, das jetzt wohl für einige Zeit ihr einziges bleiben wird. Vom Lolita-Popsternchen zum Couchpotatoe Es war ein langer Weg dorthin. Das künstlich stilisierte freche Mädchen, Marke Lolita, galt als Startentwurf mit pornographischem Unterton. Mit der Verheißung, sie ruhig mal ordentlich rannehmen zu dürfen, landete Britney Ende der Neunziger ihren ersten großen Hit. Empfänglich und Mädchen für alle sollte sie sein, speziell für in Pippi-Langstrumpf-Zöpfe verschossene Klassenclowns. Und für solche, die – altersunabhängig – schon immer einen lüsternen Blick unter kurze Röcke werfen wollten. Der Riegel, den man greifbarer Billig- und Willigkeit vorschob, war das öffentlich medienwirksame Keuschheitsgelübde. Ein Talent, triviale Bedürfnisse und plakative Slogans zu bedienen, mag zwar auch in Britney geschlummert haben, aber bis auf ein winziges Slipdreieck zusammengequetscht hat es ihre Pop-Konkurrentin Christina Aguilera. Britney Spears, ob gewollt oder nicht, lebt die Diskrepanz zwischen dem hochglanztauglichen Starverschnitt und dem, was man nach einer durchzechten Nacht neben sich im Bett erblickt. Oder bei einem gemeinsamen Gammelabend auf dem Sofa: schief sitzende Haare, eine schlabberige Jogginghose, ein Gesicht, das frei von retuschierender Schminke ist. Britney Spears ist endgültig und lebensnah in den Wohnzimmern der Konsumenten angekommen. Menschlicher als im Bikini am Pool, speckröllchenbehaftet, die Eiswaffel in der Hand, geht es nicht mehr. Die "Eisschlecken ist keine Diät!"- Britney. Geschlechtsverkehr mit Folgen Auf der Bühne aber wurde Britney mit durchsichtigen Tüchern behängt, und, wenn nötig, mit einem Hüftschwung versehen, der die Augäpfel des Betrachters in Vibration versetzt. Auf eine Zielgruppe fixiert, die ihren Musikgeschmack über Produzenten wie die Neptunes definiert, ist ihre Musik elektronisch geworden, fordernd, aggressiv. Die Schulmädchenerotik ist der Aufforderung gewichen, sich zwanglos zu nehmen, was man braucht. "Why don't you do somethin'?", fragt Britney herausfordernd fotoästhetisch in ihrem aktuellen Musikclip. Und im Video jemandem auf der Flugzeugtoilette die Zunge in den Hals zu stecken, das war selbst Christina Aguilera eine Nummer zu groß. Den Geschlechtsverkehr mit Folgen hat Britney gleich auch noch vor ihrer Konkurrentin hingekriegt. Wann sie Mutter wird, hat sie noch nicht verraten, aber das Ganze eine "wunderbare Nachricht" genannt. Es wäre nicht das Leben eines Popstars, wenn Mrs. Spears die Öffentlichkeit nicht in einer Fernsehsendung über das Eheglück und die Beschaffenheit ihres Kugelbauches aufklären würde. Im wirklichen Leben, so wird es das Fernsehen zeigen, liest Britney Spears nämlich Bücher, und lässt sich von ihrem Gatten, der während der Schwangerschaft ungeniert neben ihr raucht, die Füße küssen. Darauf steht sie besonders, erzählte sie in einem Fernsehinterview. Britney als sympathisches Vorbild Britney Spears' Leistung ist es, dass sie eine junge Mutter werden wird, die schlüpfrige Slogans dichtet. In Magazinen wird man sie zunehmend "natürlich" sehen: mit pummeligen Schenkeln, verlotterten Haaren und einem überhängenden Unterbauch. Darauf freue ich mich sehr. Denn einen schlanken Körper ohne einen Kratzer auf der cremefarbenen Haut, das kann dank photoshoppenden Bildredakteuren mittlerweile wirklich jede.

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