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Zum Valentinstag: Warum nicht mal zu dritt?

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Tilda Swinton hat es schon gut. Die britische Ausnahmeschauspielerin, eine Ikone der kantigen Anmut, wird gerne als „übersinnlich“ oder als „wandelndes Rennaissance-Gemälde“ beschrieben. Derzeit treibt sich die 47jährige auf der Berlinale herum, mit dem Film „Julia“, den Kritiker sämtlicher Medien für ihren absoluten Durchbruch als Künstlerin halten. Swinton, die bisher immer als unantastbar galt, spielt darin eine leicht verkommene Alkoholikerin, die ein Kind entführt. Jetzt erfahren wir auch noch, dass Swinton total lässig Liebesbeziehungen zu gleich zwei verschiedenen Männern pflegt. Der eine ist knapp zwanzig Jahre älter und lebt mit ihr und den gemeinsamen Kindern. Der andere ist knackige zwanzig Jahre jünger und für Reisebegleitung und romantisches Bespaßungsprogramm zuständig. Swinton findet das Unternehmen „einfach so vernünftig“. Grund genug, um einmal über die Frage nachzudenken, ob nicht eigentlich in jedem Herzen Platz für mehr als einen Liebesmensch ist. Aller Erfahrung nach liegt die Unfähigkeit, immer nur einen Menschen gut zu finden, in der Natur des Menschen. Die Literatur, die Popmusik, die Telenovela, das Tagebuch auf jetzt.de – all die kulturellen Errungenschaften der westlichen Welt wären ein Nichts, wären traurig und öde ohne die verbotene Romanze und den heimlichen Seitensprung. Heimliche Verguckungen und sexuelle Nebenschlachtfelder sind der Kleister, der größere Freundeskreise und kleinere Ortsgemeinden an der Basis zusammenhält. Manchmal verkneifen sich die Fremdverliebten den neuen Menschen und verdrängen ihn in die hinterste Ecke ihres Unterbewusstseins. Dort sitzt und schwelt er dann gerne über Monate hinweg und funkt Zweifel in die legitime Beziehung. Wenn die oder der Nebenverliebte sich ein bisschen reinhängt, kommt es zu Treulosigkeiten. Beziehungsweise verbringt der Fremdverliebte Stunden und Tage damit, die Treulosigkeit in Erwägung zu ziehen. Qualvoll ist sein Leid – egal ob die Affaire in Gedanken oder echt passiert: Schwere Selbstvorwürfe, Zweifel an der eigenen Moral und jede Menge Logistikstress müssen in Kauf genommen werden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Rennaissance-Gemälde in Dreierbeziehung. Selig sind diejenigen, die viele Jahre in einer Beziehung leben, ohne sich irgendwann zwischendurch mal seitwärts zu verlieben, denn sie wissen nicht, was eine temporäre Schizophrenie ist. Ein bisschen unheimlich sind sie aber auch. Dass sich zwei Menschen über viele Jahre und durch viele Phasen synchron und parallel entwickeln ist zwar das allgemeine Beziehungsideal, aber in Wahrheit ein ganz seltenes Glück. Es ist halt so: Nur wenige Menschen auf dieser Welt erfüllen alle Maßstäbe, die wir an sie anlegen. Entweder sie mögen unsere Freunde nicht, oder sie wollen anders Sex. Wir finden die Musik abscheulich, die sie hören, oder haben etwas an ihren Körperpflegegewohnheiten auszusetzen. Und wenn wir ehrlich sind, verlangen wir auch ganz schön zu viel, wenn wir von einer Person die Erfüllung all unserer Wünsche erwarten. Und eine Person, die man wirklich liebt möchte man ja auch lassen, wie sie ist. Nur eben blöd wenn dann eine andere Person mit ihrer neuen, unverbrauchten Tollheit in die gewohnte Beziehungsokaynis einbricht. Der oben beschriebene Affairengraus ist dann die eine Ergebnisvariante, ein schlimmes Beziehungsende die Andere. Beides ist schmerzhaft und traurig und deswegen könnte man eigentlich Frau Swinton zu ihrer Lösung beglückwünschen. Sie zwingt nicht einen einzelnen Menschen dazu, ihr in allen Lebenslagen zur Verfügung zu stehen, sondern ordnet die Männer um sich herum so an, dass sie nur in den Situationen zum Einsatz kommen müssen, zu denen sie passen. Also den geerdeten 68jährigen als Familienvater und den freshen Junggaleristen als Partypartner. Wenn die beiden damit zurecht kommen, warum auch nicht? Vermutlich, weil die Normen unserer Gesellschaft stärker sind, als die meisten ihrer Mitglieder. Weil es schon fast unmöglich ist, über eine Dreiecksbeziehung ironiefrei nachzudenken und nicht nur auf emotionale Verkommenheit oder Gier zu reduzieren. Die Vorstellung von Exklusivität in der Liebe liegt nun mal genauso in der Natur des Menschen wie seine Tendenz immer noch mehr oder etwas anderes zu wollen. Leider erlauben wir eben nur unseren Eltern, andere Menschen neben uns zu lieben. Und tragen, wenn die das nicht absolut gerecht tun, auch lebenslange Schäden davon. Tja, und dazu kommt dann die Praxis. Denn letztlich kann sich kein Mensch – romantisch gesehen – auf zwei Personen gleichzeitig konzentrieren. Und wenn er es versucht, kann er damit rechnen, früher oder später so ausgelaugt und verstimmt zu enden, dass eh niemand mehr in ihn verliebt bleibt. Aber dass die Frau Swinton eine andere Kategorie Mensch ist, war ja vorher auch schon klar.

Text: penni-dreyer - Foto: ap

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