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Wegweiser in tollen Bildern

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www.editionmoderne.de angestrichen: Es scheint mir, dass ich an einem Punkt angekommen bin, wo ich mich für einen Weg in meine Zukunft zu entscheiden habe. Es war mir bis jetzt nicht so richtig bewusst, welche Wertvorstellungen mich entscheiden ließen, es war auch nicht so wichtig. Jetzt aber habe ich gemerkt, dass ich mir meines Weges bewusst sein möchte. Doch ich bin unsicher, in welche Richtung es gehen soll, es gibt für mich keinen Leitfaden, der meinem Streben einen Sinn gäbe. Welcher Weg ist es wert, begangen zu werden? Wo steht das denn? Am Anfang. Wo sonst. Daniel Bosshart hat diese Worte an den Beginn seines Buches gestellt, das eigentlich kein Buch ist, sondern ein Comic, der eigentlich aber auch kein Comic ist – jedenfalls kein herkömmlicher. Denn Daniel Bosshart verzichtet in “Alberto“ auf Worte: Es gibt keine Sprechblasen in seinem Werk, keine Untertitel, keine Erklärungen – diese Sätze da oben sind die einzigen in seinem Werk. Danach erzählt der Schweizer Zeichner ohne Worte. Die Bilder sind seine Sprache, und er beherrscht sie meisterlich: Er bedarf keiner Worte, um Geschichten zu erzählen. In “Alberto“ ist seine Geschichte ein einziger, kleiner Moment – der Moment, da ein Leben am Scheideweg steht, in Gedanken nur, und die eine, große Frage gestellt wird: Welcher Weg ist es wert, begangen zu werden? Ein Mann sitzt da in einer Kneipe, in Gedanken versunken, ein leeres Glas steht auf dem Tresen vor ihm, er schüttet Wasser hinein, und in diesem Augenblick hat einen Daniel Bosshart schon gefangen: Mit seinen ruhigen, sanften Bildern zeigt er die Hand, die das Glas füllt, das Wasser, das hinein fließt, die Blasen der Kohlensäure, die zu perlen beginnen – und dann springt er hinein in dieses perlende Wasser, in die Blasen, die plötzlich mögliche Wege aufzeigen, die ein Leben nehmen kann. Den Weg der Macht, mit funkelndem Reichtum, hoher Stellung, Ehrfurcht gebietender Wohnung. Den Weg der Schlichtheit, ohne Ziel, ohne jeden Reiz außer dem des Normalen, mit Aufstehen, Leben, Essen, Hinlegen. Den Weg der Kunst, mit Palette und Farbe, mit Bildern und Musik – und einem blühenden Hibiskus. Von diesem Wasserperlenspiel der Möglichkeiten aus zeigt Daniel Bosshart dann alle diese Wege, die möglichen Lebensentwürfe für den Mann seines Comic-Buchs, in großartigen, ausladenden, opulenten Bildern, die dennoch niemals aufgezäumt wie ein Zirkuspferd daher stolziert kommen, sondern sachte und sanft mit den Gedanken des Lesers einhergehen. Denn das passiert in Bossharts Comic, und das allein ist schon Grund genug, ihn großartig zu nennen: Befreit von jedem Text, sondern nur von Bildern geleitet, beginnt man gleich, selbst in Gedanken zu tauchen, sich selbst die Frage zu stellen, welcher Weg der wahre sein mag für ein Leben. So geht das 66 Seiten oder vielleicht auch eine Ewigkeit lang, bis Daniel Bosshart einen schließlich wieder, mit dem Bild eines leeren Wasserglases am Ende des Comics, in sein eigenes Leben entlässt. Das letzte Bild zeigt dann ein leeres Buch, ein Füllfederhalter liegt darauf. Das muss dann wohl das Buch des Lebens sein. Die Worte, den Text dazu, den muss jeder selbst schreiben. Steht im Bücherregal zwischen: Dem Tagebuch mit dem alten Leben, einem noch leeren Moleskine-Notizbuch und “Teufelsmaul“ von Francois Boucq und Jerome Charyn, einem ähnlich großartigen Comic. "Alberto“ von Daniel Bosshart. Erschienen im Verlag edition moderne. 68 Seiten, 19 Euro 80.

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