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Katja

Text: irrgaertnerin
Was Katja immer gerne erzählte war, dass sie sich in mich in dem Augenblick verliebte, in dem ich ihre Telefonnummer auf die Rückseite eines Kassazettels schrieb und nicht einfach, wie alle anderen in ein Adressbuch. Sie lachte dann und zuckte mit den Schultern, saß ich neben ihr, legte sie ihre Hand auf mein Knie, nachdem sie den Beginn ihrer Liebe an die anderen verraten hatte. Saß ich in diesem Moment neben ihr, legte ich meine Hand sacht auf ihre, eine jede Fingerspitze auf einen Fingernagel. Einmal sagte sie mir, dass sie das nicht verstehe.

Katja lachte viel, sie lachte laut und an den falschen Momenten. Fassungslos ließ sie mich jedesmal zurück, als sie mir erklärte, dass niemand jemals so lustig sein könnte, wie ihr Vater. Ihr Vater nämlich, so erklärte sie weiter, grunze und rülpse beim Lachen, und was Amüsanteres könnte es geben, als die unzensierbare Freude anderer. Fassungslos ließ mich auch ihre Liebe zurück, die sie in allen Ecken versteckte, hinter der Eingangstür, an der Wand, da hatte sie sie hingeschrieben, ich bat sie nie, es zu übermalen, so peinlich es mir jedesmal war, kamen Leute zu Besuch.

Es war Mai gewesen, als ich in der Ubahn saß und Katja mir gegenüber. Sie telefonierte und war aufgebracht, so aufgebracht, dass sie plötzlich mit dem Fuß gegen mein Schienbein tritt. Fest und voller Wut. Ich biß mir auf die Lippen, sie schrie auf, wie immer und alles an ihr, war auch dieser Schrei zu laut und entschuldigte sich ohne Ende. Auf ein Eis, auf einen Kuchen, auf einen Arztbesuch, auf einen Film, auf alles würde sie mich einladen, um das wieder gutzumachen, stammelte sie. Ich willigte ein, ich sah ihr in die Augen, ich notierte ihre Nummer auf einen Kassazettel. In dem Augenblick, war es um sie geschehen.

Wir sahen uns von da an täglich, ich ließ mich von ihr zu allem Versprochenen einladen, es schien sie nicht zu stören. Zu meinen Freunden sagte ich, dass das eine Frau sei, von der sie nicht zu träumen wagten. Zu meinen Eltern sagte ich, dass das ein Mädchen sei, an das sie sich gewöhnen müssten. Ich selber schaffte das nie. Ich wollte es nicht. Ich liebte Katja für alle Überraschungen, für ihr über mich herfallen, abends im Bett, abends in der Küche. Auch für ihre Lieder, die sie sang, ohne zu wissen, woher sie sie kannte. Für ihr Verschwinden, manchmal, für ein paar Stunden und für ihr Wiederkommen.

Als ich Katja verließ, Jahre später, sah sie mich nicht an, sondern begann einfach zu weinen. Weinte ohne Ende und gedachte nicht zu gehen. Es war unsere Liebe, sagte sie dann, die uns zerstörte. Und ich bat sie, nicht pathetisch zu werden. Ich verließ die Wohnung, ich verließ Katja, nur Minuten später. Ich erinnere mich, im Stiegenhaus schrie sie mir nach, dass etwas, das von Anfang an so wahr gewesen sei, doch niemals enden könnte. Ich hatte keine Kraft mich umzudrehen.

Was ich seit dem von Katja weiß, ist nicht viel. Sie ging nach Krakau, um dort zu leben. Niemand weiß so recht wieso. Sie kam zurück, heißt es, um zu heiraten. Einen Mann, anders als ich, mit Courage und der Freiheit in sich, die sie brauchte.

Zwei Monate mag es nun her sein, dass sie mich anrief. Um ein wenig Zeit bat, um eine Stunde im Kaffeehaus. Und da saß sie dann auch, um nichts gealtert und ohne Furcht und da saß ich, ihr gegenüber. Du bist glücklich jetzt, stellte ich fest. Und sie führte den Kaffeelöffel zum Kinn und sagte, dass das Glück nie so wäre wie mit mir. Ich schwieg. Ich hörte ihr zu.

Ich verliebte mich in dich, weil du meine Nummer, auf die Rückseite eines Kassazettels schriebst, anstatt mich zu einer Nummer in deinem Adressbuch zu machen, erklärte sie zum Abschluss. Ich umarmte sie nicht. Ich biß mir auf die Lippen. Ich hatte ihr nie gesagt, dass ich mein Adressbuch an diesem Tag zuhause vergessen hatte.

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