Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

Über Zwei Jahre ist es nun her...

Text: NovemberRain85
Als ich aufwachte fand ich mich in einem wahren Alptraum wieder.

Nichts sollte je wieder so sein wie früher.

Ich wäre lieber gestorben. Dieses Leben hatte ich mir nicht ausgesucht. Und doch war ich gezwungen es zu Leben. Mit all seinen Hindernissen, Zwängen und Schmerzen.

Das erste, was mir bewusst wurde war die Tatsache dass ich mich nicht rühren konnte.

In meinem Mund knirschte es. Sand rann meine Kehle hinunter.

Ich wollte mich wehren doch etwas hielt meine Hände zurück.

Ich wollte meinen Kopf abwenden doch der Geschmack in meinem Mund blieb.

Eine energische Stimme dröhnt dumpf in meinem Kopf. Trinken Sie! Entweder freiwillig oder sie bekommen eine Magensonde. Das ist nicht so lustig!

Ich wollte zappeln, mich frei strampeln. Doch etwas hielt auch meine Beine gefangen.

Ich war gefangen. Ausgeliefert.

Gezwungen war ich, Sand zu trinken. Er verstopfte meine Kehle. Ich konnte nicht atmen.

Wollte aufstehen. Meine Blase war zum zerbersten gefühlt.

Lassen Sie mich aufs Klo.

Eine Schüssel schob sich unter meinen Po. Ich merkte, dass ich keine Unterwäsche trug. War nackt. Bis auf ein Hemd.

Nein. So wollte ich mich nicht erleichtern.

Bitte! Es geht so nicht.

- Na gut. Aber machen Sie keine Dummheiten.

Der Widerstand, der mich ins Bett gedrückt hielt löste sich. Fesseln! Das war es. Ich war ans Bett gefesselt gewesen.

Diese Wohltat, als der Druck auf meine Blase endlich nach ließ. Ein Königreich ist nichts dagegen!

Ich schwankte zurück zu diesem Bett. Merkte, dass mein Po unbedeckt war. Ich trug ein Krankenhaushemd.

Zurück im Bett wurden meine Hände wieder fixiert. Die Füße durften jedoch eine Bewegungsfreiheit behalten. Insoweit die Handfesseln das jedenfalls zuließen.

Das nächste Glas Sand wurde mir gereicht.

Sand?

Ich hustete.

Was ist das?

- Trinken Sie endlich die Kohle. Wer solch einen Mist baut wird hinterher nicht mit Samthandschuhen angefasst.

Mir wurde also medizinische Kohle eingeflösst.

Sie sollte meinen Körper, der sich noch immer gegen die mittlerweile nachgelassene Fixierung wehrte, entgiften.

Entgiften? Was war geschehen?



Ich erinnerte mich, dass ich Tags zuvor – oder war viel mehr Zeit vergangen? – Nach Hause durfte. Meine Katzen versorgen. Ich hatte Ausgang. War derzeit auf der Kriseninterventionsstation der örtlichen Psychiatrie.

Auf dem Küchentisch lagen noch alte Tablettenschachteln. Aus der Zeit vor meiner Einweisung.

Bis heute weiß ich nicht, warum ich diese drei Packungen eingesteckt habe. Ich schwöre es bei der Liebe zu allem, was mir heilig ist!

Ich erinnerte mich, dass ich in der Straßenbahn fuhr. Die Tabletten im Gepäck.

Die beste Freundin kam nicht mehr mit mir zurecht. Was ich verstehe.

Ein Bekannter wohnte in der Nähe des Krankenhauses. Ein Handytelefonat.

Ob er wohl Zeit hätte zum Kaffeetrinken. Nein war die knappe Antwort.

In dem Moment machte ich dicht.

Ich erlebte die Welt nur noch als ein Gebilde, das dazu da war um mich mein Leben allein fristen zu lassen.

Auf der Station angekommen belagerte ich sofort mein Bett.

Dieses eine Lied lief rauf und runter. Eine Fotographie lag neben mir. In der Hand die Rasierklinge. Eine Flasche Wasser auf dem Boden. Tabletten ausgebreitet auf der Decke.

Handvoll für Handvoll beförderte ich das Zeug in meinen Magen.

Die Klinge durchtrennte meine Haut. Ich spürte es nicht mehr.

Die Tabletten forderten Ihren Dribut.



Bis ich auf der Intensivstation aufwachte.

Ich hatte überlebt. War ans Bett fixiert. Musste Kohle trinken.



Später wurden mir meine blutverschmierten Kleidungsstücke gereicht.

Sie trug ich, als ich im Rollstuhl zurück auf die Krisenstation gebracht wurde. Die Station wurde zur Geschlossenen Station.

Ich schlief tagelang.



Und niemals werde vergessen wie es ist, ans Bett fixiert aufzuwachen!










Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: