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vom Laufen

Text: rasenmaeherkaputtmacher
Da standest du. Einfach nur du. Blaue Augen, dunkles Haar. Kaputte Jeans.

Wir trafen uns abends, der Wind war kalt. Du zu spät. Ich kaufte deswegen Bier am Kiosk. Beim Warten das Etikett von der Flasche geknaupelt und über das Glas gerollt. Ich fror unter meiner Mütze. Der Rathausplatz im Dunkel, auf den erleuchteten Stufen saß ich und hielt Ausschau.

Wir liefen durch kalte Luft. Während du vom Ruhrpott erzähltest, dachte ich an dein Antlitz, beobachtete deinen Gang, wie du deine Hände in die Taschen vergräbst, wie du die Richtung, die wir einschlagen, bestimmst. Und in den Straßen verharrte trotz unserer Gespräche die tiefe Stille einer friedlichen Nacht.

Irgendwo lief Musik, dort liefen wir hin. Und wir sahen die alten Frauen am Tresen sitzen. Ihre stummen Gesichter sahen aus, als würden sie kein Bier sondern die Miete für den Barhocker bezahlen. Sie sahen aus, als würden sie dort wohnen, auf diesen viel zu großen Stühlen. Jaja, die alten Frauen aus Hamburg-Harburg.

Und wir fuhren über die Elbe und versackten in kleinen Bars mit Gin Tonic und Biere und der freundlichsten Barkeeperin der Welt. Ich erzählte von meinem Leben in den Schneideräumen dieser Stadt. Du erzähltest, dass du nur auf der Welt bist, weil die vermeintliche Menopause deiner Mutter eben doch keine war. Für den Moment war ich sehr froh darüber.

Die Bar schloss die Tür zu. Wir liefen wieder durch die Stadt. Wärmten uns an roten Ampeln auf. Durch gemeinsames Lachen an den gemeinsamen Stellen unserer langen Dialoge. Und ich sagte dir, dass das das Beste am Sommer ist. Einfach die Straßen entlang, gemeinsam irgendwo hin.

Im Nachtbus hielten wir uns daran, schlafende Menschen nicht zu stören. Wir flüsterten, dein Kopf lag fast auf meiner Schulter.

Und dann wachte ich auf.

Und wenn mich jemand fragen würde, ob ich letzte Nacht was geträumt hätte, würde ich sagen, ja. Vom Laufen.

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