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Zu Besuch in geschlossener Gesellschaft: Die schwarze Karte im Netz

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Vielleicht wird unser Jahrzehnt als die goldene Zeit des Netzwerkes in die Geschichte eingehen. In allen Lebensbereichen wird „genetzwerkt“: Man soll es im Job tun und macht es noch freiwillig nach Feierabend - beziehungsweise neben der Arbeit her - in Communities wie Facebook, die das Ziel verfolgen, Menschen auf Teufel komm raus miteinander zu verbinden. Die User machen fleißig mit und die Grenzen der Netzwerk-Spezialisierung sind noch längst nicht erreicht. Eine prima Wachstumsbranche.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Eines der neueren Netzwerk-Gewächse hüllt sich in schwarz und gibt sich verschlossen: die „private Lifestyle-Community“ namens schwarzekarte.de. Privat deshalb, weil man sich nur auf Einladung eines Mitglieds registrieren kann. Und Lifestyle? Das erklärt die Pressemappe von schwarzekarte so: „schwarzekarte informiert online über die angesagtesten Events aus der Party-, Kunst- und Kultur-Szene. Durch die Bildergalerien und das Forum können die Mitglieder Meinungen und Erfahrungen austauschen. Im Mittelpunkt stehen dabei die hochwertige Freizeitgestaltung sowie die schulische Lebensplanung. [...] schwarzekarte bietet aber auch die neusten Fashion-Musthaves und Marktneuheiten durch den als Online-Magazin aufbereiteten Trendguide.“ Über den Verweis auf Schulen kann man sich wundern – tut man aber nicht, wenn der kleine Bruder einem das Abenteuer von vorneherein als „Privatschüler-StudiVZ“ beschrieben hat. Hinter schwarzekarte stecken nämlich Menschen, die sich durch ihre distinguierte Schulbildung, Herkunft oder ihren „exklusiven“ Geschmack vom Rest zu unterscheiden glauben - und hinter den Veranstaltungshinweisen unter anderem die Rubriken „Sport/Turniere“, „Gala/Bälle“ und „Zigarrenabende“ nutzen. Gerade deshalb bin ich auch gespannt beim Betreten der geschlossenen Gesellschaft im Netz. Die Gesichter auf der „Doppelpack Royal“-Rangliste, die auf meiner Startseite erscheint, tragen Namen wie „Arsia“ und „Annunciata“. Werde ich mir einen adligen Namen geben müssen? Zwanzig Minuten später hat sich herausgestellt: Arsia und Annunciata sind gar nicht adlig – und „Doppelpack Royal“ ist ein Memory-Spiel. Von der Startseite lachen mich die gleichen Klatschnews wie bei meinem Email-Anbieter an. Und die meisten Texte auf der Seite – sei es im hauseigenen Lifestylemagazin, der Kolumnen-Rubrik oder der Internatsdatenbank – sind schlecht redigiert, oder, im Fall der Unis und Internate, direkt aus deren Werbeprospekten entnommen. Mal ganz zu schweigen davon, dass ich doch so gern auf einen Zigarrenabend wollte – und jetzt finde ich gar keinen dementsprechenden Event-Hinweis! Eine Weile noch klicke ich mich durch Profile mit teils adligen, teils bürgerlichen Namen sowie durch die Angebote von teuren Internaten, Klamottenlabels und Automarken. Durch Bilder von mäßig besuchten, dafür aber eben „exklusiven“ Parties, die die Community veranstaltet. Im Lifestylemagazin wird eine „edle“ Geldklammer“ für 200 Euro präsentiert. Schnell wird sie langweilig, die Community für Edle und für die mit dem edlen Geschmack. Während auf der Startseite eine „Top Akquise“-Liste erscheint, die angibt, wer die meisten neuen Mitglieder geworben hat, musste andererseits der „inner circle“ erfunden werden, ein kleiner „ausgewählter“ Kreis innerhalb von schwarzekarte; mit noch mehr Gästelistenplätzen und noch mehr Exklusivität. Denn auf eben dieses Gefühl der Exklusivität – oder lediglich auf das Wort „exklusiv“? – scheinen die Menschen hier vor allem abzufahren. Ich lasse sie ihnen und verschwinde.

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