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400 Euro netto für die Stadtführerin

Foto: privat

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Der Arbeitsalltag

Da ich erst seit ein paar Monaten selbst Stadtrundgänge leite, habe ich in der Regel nur einen pro Tag. Insgesamt sind es meistens drei bis vier im Monat. Die Altstadt-Führung, die ich leite, ist die klassische Touristenführung. Da muss man natürlich auch etwas über Bier und Weißwurst erzählen. Sonst zeige ich den Teilnehmern vor allem die Gebäude und Sehenswürdigkeiten um den Marienplatz herum und erkläre die geschichtlichen Hintergründe. Früher hat der Rundgang zwei Stunden gedauert. Da das inhaltlich sehr viel war, sind es jetzt nur noch eineinhalb Stunden.

Ich bin immer schon früher da und schaue, ob es zum Beispiel Demonstrationen oder Baustellen auf der Strecke gibt. Dann treffe ich mich mit meiner Gruppe. Oft sind es Schülergruppen, die nicht besonders motiviert sind. Das ist auch manchmal bei Betriebsfahrten so. Da muss man schauen, dass man die bei Laune hält. Meistens sind die Gruppen aber sehr lieb und bleiben dran, wenn man auf sie eingeht.

Am Marienplatz wünsche ich mir oft ein Mikro, das nutzen wir aber bewusst nicht. So muss ich zwar ziemlich laut sprechen, aber dafür ist es persönlicher, weil man den Augenkontakt mit den Zuhörern nicht verliert. Auch das lange Stehen ist anstrengend, daran musste ich mich erst gewöhnen. Wenn eine Gruppe keine Lust hat, kann es sich ziemlich ziehen. Aber ich nehme das locker. Ich kann verstehen, dass sich nicht jeder für Themen wie Kunst und Geschichte begeistern kann. Wenn mir dann trotzdem alle zuhören, freue ich mich. Es hilft auf jeden Fall, das Ganze lässig anzugehen und gut drauf zu sein – das ist natürlich auch nicht immer einfach.

Der Weg

Ich studiere Kunstgeschichte und habe einen Job gesucht, der dazu passt und den ich parallel zum Studium machen kann. In der Bibliothek habe ich in einem Aushang gelesen, dass ein Anbieter Rundgangsleiter sucht. Ich habe mich dann für die Ausbildung dort beworben – ganz klassisch mit Lebenslauf und Bewerbungsgespräch. Dass man sich in München richtig gut auskennt, ist erst mal keine Voraussetzung.

Die Ausbildung dauert etwa ein halbes Jahr und kostet 400 Euro. Dabei trifft man sich alle zwei Wochen und präsentiert den anderen jedes Mal ein paar Stationen. Bei der Besprechung wird nicht nur auf den Inhalt geachtet, sondern auch darauf, wie man auftritt und spricht. Am Ende gibt es eine praktische Prüfung, nach der man in der Regel auch genommen wird. Man fängt immer mit dem Altstadt-Rundgang an. Wenn man die Ausbildung dafür abgeschlossen hat, kann man sich für andere Führungen qualifizieren.

 

Die Vorbereitung

Der Anbieter, für den ich arbeite, hat eine eigene Bibliothek, in der man Bücher ausleihen kann, um sich einzulesen. Es gibt auch ein Skript, an das sich alle Guides ungefähr halten sollten. Manchmal muss man die Route zum Beispiel wegen einer Baustelle ändern. Dann ist es hilfreich in der Bibliothek nachzurecherchieren oder sich vorher ein, zwei andere Häuser anzuschauen. Man kann auch eigene Interessen und Spezialwissen mit in die Führung einbringen. Dadurch, dass die Guides aus den verschiedensten Berufsgruppen kommen, ist so jede Führung etwas anders.

Seit ich die Führungen mache, verfolge ich zum ersten Mal wirklich, was in der Stadt los ist – zum Beispiel, ob es eine neue Kunstausstellung gibt. Ich gehe auch anders durch die Stadt: Ich schaue viel öfter nach oben und entdecke dabei Details an den Häusern, die mir vorher nie aufgefallen sind. Auch Geschichten und Anekdoten über München, die ich aufschnappe, merke ich mir sofort.

 

Das Geld

Wie viel ich verdiene, hängt davon ab, wie viele Rundgänge ich übernehme. Wenn ich jede Woche eine Führung mache, bekomme ich etwa 400€ im Monat. Der Aufwand dafür ist relativ gering. Wenn man eine sehr große Gruppe hat oder die Führung in einer anderen Sprache macht, bekommt man etwas mehr Geld. Bei Erwachsenen-Gruppen bekomme ich außerdem Trinkgeld.

 

Theoretisch könnte man auch hauptberuflich als Rundgangsleiter arbeiten. Aber die meisten machen das nebenberuflich und sind sonst in anderen Berufsfeldern unterwegs – von Informatik bis Architektur. Es gibt auch viele, die Kunstgeschichte studiert haben, sich umorientieren mussten, weil sie keinen Job gefunden haben und die Führungen nutzen, um ihr Wissen einzusetzen. Ich bin bei uns eine der Jüngsten. Obwohl es ein super Studentenjob ist, kenne ich niemanden, der das wie ich während des Studiums macht. Das liegt vielleicht auch daran, dass man erst die Ausbildung machen muss und nicht gleich Geld verdient.

 

Die Motivation

Mir gefällt vor allem der Austausch mit den Teilnehmern. Man bekommt immer eine Frage gestellt, die man nicht sofort beantworten kann oder an die man selbst noch nie gedacht hat. Neulich hat zum Beispiel jemand gefragt, ob es einen Zusammenhang zwischen München und Monaco gibt, weil beide Städtenamen von dem Wort “Mönch” stammen. Es ist schön zu sehen, dass die Leute interessiert sind. Dadurch bildet man sich auch selbst ständig weiter. Ich mag es außerdem, dass der Job so flexibel ist. Ich kann immer selbst entscheiden, wie viele Rundgänge ich in einem Monat übernehme.

 

Die Führungen will ich während meines Masters weiterhin machen und wenn möglich auch danach. Später würde ich gerne in einem Museum arbeiten. Die Stadtrundgänge sind dafür eine gute Vorbereitung, weil sie auch eine Form der Kunstvermittlung sind. Als nächstes möchte ich mich für spezielle Kunst- und Geschichtsrundgänge weiterbilden. Auch Führungen für Kinder würden mich interessieren. Im Oktober werde ich außerdem meine erste Führung auf Russisch, meiner Muttersprache, geben.

 

 

Und das verdienen andere, die mit Touristen zu tun haben:

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