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„Darf ich Ihnen die Jacke abnehmen?“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


. . . um gesiezt zu werden. Wenn Kinder mich siezen, komme ich mir uralt und irgendwie fast missverstanden vor, denn ich selbst zähle mich – wenn ich mich entscheiden müsste – eher noch zur Kinder- als zur Elternfraktion. Siezen mich hingehen ältere Menschen, kommt es mir vor, als würden sie mir den Kopf tätscheln , anstatt mit mir auf Augenhöhe zu reden. Oder als würde bei jedem „Sie“ ein „Fräulein“ mitschwingen.

Am verwirrendsten aber wird es für mich, wenn ich von Gleichaltrigen gesiezt werde. Wenn man zum Beispiel zum Friseur kommt, der auch Mitte 20 ist, ihn ganz locker begrüßt und er dann fragt: „Darf ich Ihnen die Jacke abnehmen?“ Oder wenn man in einem coolen Laden einkauft und die Verkäuferin an der Kasse fragt: „Brauchen Sie den Zettel?“. In mir löst das direkt den Drang aus, mir die Haare lila Färben zu lassen oder beim Rausgehen allen Leuten ein High-Five zu geben – auch, wenn das bestimmt alles noch schlimmer machen würde. Die Kinder würden sagen: „Sie sind aber lustig“ und die Älteren würden sich über das Fräulein doch sehr wundern.

>> Zu alt fühlt sich Ina für... >>


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


. . . eigentlich für nichts, dachte ich bis vor Kurzem. Aber als ich vor ein paar Wochen zusammen mit meiner 17-Jährigen Schwester im Parisurlaub an der Kasse eines Museums stand, ist es mir schmerzlich bewusst geworden: Ich bin zu alt für altersbedingte Ermäßigungen. Und wo es die überall gibt, merkt man erst, wenn man zu alt ist. Hinzukommt, dass ich gerade meinen Master gemacht habe und anfange zu arbeiten. Keine Immatrikulationsbescheinigung, kein Studentenrabatt mehr.

Ja klar, im besten Fall verdiene ich bald Geld, aber bei diesen Ermäßigungen ging es gar nicht in erster Linie darum, sich etwas leisten zu können - oft war es ja nur ein Euro Nachlass bei der Kinokarte oder dem Stadtrundgang - sondern es ging ums Prinzip. Um dieses Gefühl von Welpenschutz. Um die Freude darüber, etwas geschenkt zu bekommen, weil man es irgendwie verdient und jemand einen versteht. Ja, vielleicht scheint das etwas übertrieben, aber man weiß etwas eben immer erst zu schätzen, wenn man es nicht mehr hat. Mein Trost ist, dass ich irgendwann gerne noch ein Studium draufsetzen würde. Der Ausweis ist also noch nicht für immer verloren.



Text: teresa-fries - Foto: Alexej Schröder

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