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Alltagsduell: Gitarristen vs. Typen in Metal-Shirts

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Die Situation:
Ist speziell, aber tragisch: Der (Lead-)Gitarrist einer Band – so bekannt, dass sie Fans hat, so unbekannt, dass die Mitglieder noch mit ihnen sprechen müssen, um CDs und T-Shirts zu verkaufen – lehnt am Merch-Stand. Sein Plan: Den Feierabend genießen. Ein Bier also, eine Kippe und ein Gespräch mit dem einen Mädchen im Publikum, das ihn und nicht den Sänger angehimmelt hat. Grad will er in die Offensive gehen, da schiebt sich ihm ein Typ in den Weg: Seine Haare sind lang und nicht ganz gut gewaschen, sein T-Shirt ist schwarz und mit dem Logo von Slayer bedruckt (seltener: Slipknot; noch seltener: Drache, feuerspeiend). Sein Plan: Nerd-Talk, und zwar über Gitarreneffektgeräte. Und ein bisschen über Hendrix vielleicht. Weil, dass er, der Gitarrist, ein "Whammy" benutze und außerdem ja AUCH den "Big Muff", das habe er, der Langhaarige, natürlich gleich gesehen. Aber diesen "einen echt krassen Sound bei dem einen Lied", wie er den erzeugt habe, das sei ihm "echt nicht klar". Die Reaktionen des Gitarristen reichen von geduldiger Selbstaufgabe (das Mädel ist eh weg, da kann ich’s auch gleich ausführlich erklären) bis zu einer kommentarlosen Ohrfeige.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Tragisch, diese Alltagsfeindschaft. Denn eigentlich leben Gitarrist und Shirt-Mann in einer Symbiose.
 
Dort treffen sie aufeinander:
In Konzerthallen und auf Festivals mit einer Besucherkapazität von höchsten 800 Personen – meistens am Stand, an dem CDs und T-Shirts verkauft werden. Seltener schafft der T-Shirt-Mann es in den Backstage-Raum. Dann verschärft sich der Konflikt mitunter bedrohlich.
 
Darum hassen sie einander:
Ein klassisches Right-Place/Wrong-Time-Dilemma. In anderen Momenten würde der Gitarrist sich geschmeichelt fühlen, dass endlich jemand seine feinsinnige Zusammenstellung erlesener, analoger Modulatoren bemerkt hat (nicht mal sein dämlicher Sänger tut das schließlich). Er geriete ins Dozieren; und zwar bis ihm irgendwer Einhalt geböte. Der Slayer-Devot weiß das. Er hat derartige Monologe schon oft genossen, scheitert aber unglücklich an der Transferleistung in die jeweils neue Umgebung.
 
Das ist die besondere Schönheit dieses Konflikts:
Eigentlich leben die beiden in einer Art von Symbiose. Der T-Shirt-Mann gibt dem Gitarristen schließlich nicht weniger als eine Berechtigung für sein prätentiöses Gehabe. Dafür liefert der wiederum Anschauungsmaterial für das Hobby des langhaarigen Bodentreter-Kiebitz.
 
Das können wir von ihnen lernen:
Die ohnehin schon dämliche Regel "Bros before Hoes" gilt erst ab einem hohen Grad der Freundschaft. Wichtiger aber: Schmeichelei und Respektlosigkeit liegen in alle Richtungen näher beieinander als man denkt.



Text: jakob-biazza - Foto: dpa

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