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"Wir sollten Facebook nicht die Zukunft des Web überlassen"

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jetzt.de: Es war nicht ganz einfach, euch zu erreichen ... Joseph: ... ja, die letzten Tage waren recht anstrengend. Ziemliche viele Mails, Anrufe und so. jetzt.de: Hat Mark Zuckerberg sich auch schon gemeldet? Joseph: Nein, bisher gab es noch keine direkte Reaktion von Facebook. Zwar haben sie vergangene Woche angekündigt, ihre Privatsphären-Einstellungen zu überarbeiten, aber einen direkten Kontakt gab es nicht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Joseph Dee, Foto: privat jetzt.de: Überzeugt dich die Ankündigung oder wollt ihr weiterhin, dass sich Nutzer bei Facebook abmelden? Joseph: Wir verlangen von niemandem, sich bei Facebook abzumelden. Wir wollen ein Zeichen setzen und dabei kann man sich uns anschließen. Es geht uns um viel mehr als um die Datenschutz-Einstellungen: Die Art und Weise, wie Facebook die Zukunft des Internet gestalten will und sich zum Anbieter unserer Online-Identität aufspielt, passt mir nicht. Facebook ist dafür nicht das richtige Unternehmen und deshalb melde ich mich ab, weil ich grundsätzlich nicht einverstanden bin mit der Geschäftspolitik von Facebook. jetzt.de: Was stört dich am meisten? Joseph: Dass sie ihren Nutzern sagen wollen, was am besten für sie ist. Zwar reagieren sie jetzt auf ihre Kritiker, aber nur notgedrungen. Die Unternehmenskultur ist nicht darauf angelegt, den Nutzern zuzuhören. Mittlerweile sind sie so groß, dass sie glauben, sie könnten sich alles erlauben – und so benehmen sie sich auch. Deshalb möchte ich nicht, dass ein solches Unternehmen die Infrastruktur für meine Online-Identität zur Verfügung stellt. Ich finde dafür sollten die gleichen Bedingungen gelten wie für unsere Identität im echten Leben. Dabei nutzen wir einen Ausweis oder einen Führerschein um zu zeigen, dass wir auch wirklich wir selber sind. Das ist etwas, worauf ich mich verlassen kann und so viel Vertrauen habe ich zu Facebook nicht. jetzt.de: Was wäre denn die Alternative? Joseph: Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage: Wie kriegen wir eine Art globale Regierung fürs Internet, die vielleicht wie die Vereinten Nationen im Netz funktionieren? Darüber denken gerade viele Leute nach. Dafür braucht man vielleicht keine Regierung, aber sicher eine Organisation, der man vertrauen kann und bei der man nicht befürchten muss, dass sie deine Daten vielleicht einfach verkaufen. Und darum geht es bei unserer Aktion: Das Internet ist kein Spielplatz, auf dem keine Regeln gelten. Wir sollten die gleichen Ansprüche anlegen wie im Offline-Leben. jetzt.de: Mark Zuckerberg hat gesagt, das Zeitalter der Privatsphäre sei vorbei. Joseph: Das sehe ich komplett anders. In einer idealen Welt könnte man sich das vorstellen, aber wir leben in einer Welt, in der es jede Menge merkwürdige Leute gibt, die eine solche Offenheit ohne Privatsphäre nur ausnutzen und Schaden anrichten. Das ist die Kernfrage bei dieser Sache: Wenn jemand rumläuft und nachts die Haustüren der Leute öffnet, während sie schlafen, macht mir das Angst. Damit so etwas funktioniert, brauchen wir eine bessere Gesellschaft. Die haben wir aber nicht. Deshalb sollte man die Türen verschlossen halten. jetzt.de: Was passiert von morgen an, wenn die Leute sich abgemeldet haben? Joseph: Wir verlangen nicht, dass die Leute sich abmelden. Uns geht es um was anderes. Matthew und ich arbeiten beide als Webdesigner und Programmierer und wir wollen ein Zeichen setzen. Wir wollen den Leuten sagen: Die Zukunft des Internet ist zu wichtig als dass wir sie Facebook überlassen wollen. jetzt.de: Gibt es denn Netzwerke, die ihr anstelle von Facebook empfehlt? Joseph: Es gibt nicht so viele Alternativen, vielleicht muss man auf eher traditionelle Wege zurückgreifen, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben – oder man versucht Angebote wie Orkut. jetzt.de: Das gehört zu Google und Google steht gerade auch ganz schön in der Kritik wegen der Art und Weise, wie sie mit Daten umgehen. Joseph: Ich glaube, es gibt schon einen gewissen Unterschied zu Facebook. Google geht ganz anders mit Nutzer-Kritik um. Es gab dieses Problem mit dem Dienst Street View in den vergangenen Tagen, aber sie haben darauf sehr offen reagiert und klar gesagt: Wir haben Mist gebaut. So einen verantwortungsvollen Umgang traue ich Facebook nicht zu. Aber es stimmt natürlich: Auch Google muss sich diesen Fragen stellen. jetzt.de: Am Anfang haben wir darüber gesprochen, ob Mark Zuckerberg sich schon gemeldet habe. Was würdest du ihm sagen, wenn er anrufen würde? Joseph: Ich würde zunächst mal zuhören und mir erklären lassen, was ihn antreibt. Ich kenne ihn nicht persönlich, aber alles, was man von und über ihn hört, klingt schon sehr merkwürdig. Und dann würde ich ihm sagen: „Schenkt uns endlich reinen Wein ein, sagt uns, was ihr vorhabt.“ Denn das ist doch das Absurde an der ganze Sache: Facebook profitiert davon, dass Leute offen sind und Informationen verbreiten. Selber ist Facebook aber ganz und gar nicht offen, deshalb würde ich Zuckerberg sagen: „Leg’ endlich die Karten auf den Tisch.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mit diesem Interview starten wir eine Facebook-Kolumne auf jetzt.de, die in Form eines Alphabets die Themen behandelt, die das soziale Netzwerk angestoßen und verändert hat. Folge 1 unter Q wie Quit!

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