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2300 Euro brutto für den Synchronsprecher

Patrick synchronisiert unter anderem japanische Animes.
Foto: Christian Streili / Illustration: jetzt

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Was Synchronsprecher:innen machen

Als Sprecher:in setzt man seine Stimme in allen möglichen Situationen ein, von Telefonansagen bis hin zu Kinofilmen. Aber nur wenn man die Originalstimme eines anderen Schauspielers ersetzt, ist man Synchronsprecher:in. Ich mache beides: Als Sprecher vertone ich Werbespots, Hörbücher und Videospiele, als Synchronsprecher vor allem Anime-Serien. Wenn ich auf Aufträge warte, unterstütze ich regelmäßig auch die Dialogbuchautor:innen und passe die Rohübersetzung eines Films an die Lippenbewegungen der Charaktere sowie unseren Sprachraum an. Und alle paar Monate rufe ich bei den Studios an, um sie an mich zu erinnern.

Wie der Arbeitsalltag aussieht

Wenn ich als Synchronsprecher gebucht werde, fahre ich zum Studio, wo mir ein:e Tontechniker:in das Mikrofon auf meine Lippenhöhe einstellt und die Aufnahme betreut. Anschließend bekomme ich den Text, den ich kurz darauf sprechen soll. Auf einem Bildschirm sehe ich währenddessen Ausschnitte aus dem Film oder der Serie.

Wir nehmen immer kurze Takes auf, die nicht länger als zwölf Sekunden sind. Das kann ein Laut oder eine Reaktion, aber auch ein Stück von einem Monolog sein. Normalerweise darf ich immer zuerst eine gesprochene Version anbieten, der:die Regisseur:in berät mich dann zu meiner Rolle und sagt, ob meine Sprechhaltung stimmt. Zugleich achtet ein:e Cutter:in darauf, dass ich den Text lippensynchron, also im richtigen Tempo, spreche. Dafür braucht es oft mehrere Anläufe. Um eine Hauptrolle in einem etwa 90-minütigen Disney-Film zu synchronisieren, stand ich vor Kurzem sieben Stunden im Studio.

Was die größten Herausforderungen sind

Am schwierigsten im Synchronsprechen ist das Timing. Trotzdem dürfen die schauspielerische Leistung und die Deutlichkeit des Texts nicht verloren gehen. Teilweise muss man sehr schnell sprechen, weil im Englischen in derselben Zeit viel mehr erzählt werden kann als im Deutschen. Außerdem braucht man Durchhaltevermögen und Geduld, denn es dauert meist Jahre, bis man die erste größere Rolle sprechen darf.

Welche Rolle ich niemals sprechen würde

Eine Dame von einem Hörbuchstudio hat mir mal geschrieben, dass sie meine Hörproben interessant finde und sie mich gerne in der Rolle eines Vergewaltigers hören würde. Das habe ich sofort abgelehnt, weil mein Bauchgefühl nicht gestimmt hat. Außerdem bin ich Vegetarier und spreche keine Werbung für Fleischmanufakturen und Schlachtbetriebe. Das steht bei den Jobplattformen, bei denen ich als Sprecher angemeldet bin, auch in meinem Profil.

Wie ich Synchronsprecher geworden bin

Nach der Schule habe ich Mediendesign in Köln studiert. Während des Studiums haben wir oft Filme produziert, um unsere Projekte zu präsentieren – und ich stand zum Vertonen immer mal wieder vor dem Mikrofon. Das Sprechen hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich später an einem Theater-Workshop in Aachen teilgenommen habe. Damals habe ich schon als selbständiger Mediendesigner gearbeitet. Nach dem Workshop habe ich mich für eine zweijährige berufsbegleitende Ausbildung an einer privaten Schauspielschule entschieden. Wir hatten Schauspieltraining, Sprecherziehung, Gesangs- und Tanzunterricht. Außerdem haben wir gelernt, wie Kämpfe auf der Bühne realistisch dargestellt werden. Gekostet hat die Ausbildung etwa 250 Euro im Monat.

Als sie im Herbst 2020 zu Ende war, konnte ich nicht als Schauspieler auf die Bühne, weil viele Theater wegen der Pandemie geschlossen waren. Deswegen habe ich weiter als Mediendesigner gearbeitet. Schon während der Ausbildung habe ich bei vielen Studios angerufen, um mich vorzustellen, Bewerbungen geschrieben und Sprechproben aufgenommen. So habe ich mich schrittweise in den Beruf des Synchronsprechers gekämpft. Ohne Schauspielausbildung ist es deutlich schwieriger, in dem Beruf Fuß zu fassen. Bis zu meinem ersten Auftrag hat es ungefähr eineinhalb Jahre gedauert. Seit März dieses Jahres kann ich vom Synchronisieren und meinen Aufträgen als Sprecher leben.

Was der Job mit dem Privatleben macht

Ich reise sehr viel. Gerade im Sommer, meiner persönlichen Hochsaison im Synchronsprechen, bin ich regelmäßig in Köln, Frankfurt, München und Stuttgart. Weil Anfahrt und die Hotelübernachtungen nicht von allen Studios bezahlt werden, versuche ich stets, günstig unterzukommen. Durch meine Freiberuflichkeit kann ich außerdem jederzeit Urlaub machen. Am Wochenende arbeite ich nur, wenn Dialogbücher schnell fertig werden müssen.

Welche Eigenschaften man als Synchronsprecher:in braucht

Man muss Freude am Schauspielen, an Sprache und an Medien haben. Wenn der Regisseur sagt, dass man etwas falsch ausgesprochen hat, darf man nicht genervt reagieren, sondern muss es direkt noch einmal versuchen und sollte Spaß daran haben. Sowohl beim Sprechen als auch beim Schreiben der Dialogbücher muss man außerdem wissen, wie man auf der Leinwand bestimmte Stimmungen erzeugt. In japanischen Anime-Serien zum Beispiel wird in der Originalfassung viel erklärt. In der westlichen Welt müssen die Texte dagegen viel kürzer und lockerer formuliert sein, damit sie angenehm sind. Zuletzt muss man flexibel sein, weil der Zeitraum, in dem aufgenommen wird, meist festgelegt ist und sich niemand nach mir richten wird. Der kurzfristigste Auftrag, den ich als Synchronsprecher hatte, fand am nächsten Tag statt.

Was ich auf Partys immer gefragt werde

Entweder wollen die Gäste von mir wissen, welche Rollen ich schon synchronisiert habe, oder sie fragen, ob ich ihre Stimme oder Figuren wie Spongebob nachmachen kann. Doch meine Stimme ist kein Multifunktionswerkzeug – ich kann damit nicht beliebig weit hoch und runter gehen. Viele Leute interessiert mein Beruf auch gar nicht. Sie fragen mich nur: „Davon kann man leben?“ Das ist mir auch recht, weil Synchronsprechen ein Beruf wie jeder andere ist.

Wie viel man als Synchronsprecher:in verdient

Es gibt Monate, da verdiene ich 300 Euro, in anderen bis zu 4000 Euro. Das variiert je nach Anzahl der Aufträge und Größe der Rollen, die ich spreche. Als Synchronsprecher wird man zum einen für die Lizenzabgabe bezahlt, also dafür, dass die von mir gesprochenen Aufnahmen in Filmen, Serien oder Trailern genutzt werden dürfen. Zum anderen werde ich nach der Anzahl der gesprochenen Takes bezahlt. Wenn man ins Studio kommt, erhält man eine Grundgage. In München liegt die zum Beispiel bei 53 Euro. Für jeden gesprochenen Take bekommt man 3,50 Euro. Wenn ich also eine große Rolle in einer Serie synchronisiere, kann ich davon gut zwei oder drei Monate leben. Im Schnitt verdiene ich als Sprecher und Synchronsprecher zusammen 2300 Euro brutto im Monat. Davon gehen neben den Steuern die Kosten für mein eigenes Tonequipment und die Software, Mitgliedschaftsgebühren in Berufsverbänden, die Buchhaltung und meine Krankenversicherung ab. Ich bin aber auch erst am Anfang meiner Karriere.

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