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Mädchen, warum seid ihr so anfällig für Esoterik-Kram?

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Engelsforschung, Sternzeichen, Power-Armbänder, Pendel, Wahrsager, Raiki, Zen, Rückführungen, Heilsteine, Tarot, Schwingungen aus dem Universum... Ich würde behaupten, dass bei den Anhängern dieser und hundert anderer Schwurbeleien auf zehn Frauen nur ein Mann kommt. Und selbst Damen, die sich für supernüchtern ausgeben, ertappt man irgendwann bei einem Hang zur Makrobiotik, Homöopathie oder mit einem Glücks-Ratgeber auf dem Nachtkästchen.

Ich will diese Dinge gar nicht im einzelnen bewerten, sondern nur die Frage stellen, warum ihr so gerne an eine oder mehrere Para-Wissenschaften und Lebensphilosophien glaubt und sie ja sogar alle Jahre mal wechselt. Warum bleibt ihr bei aller Abgebrühtheit bei den Kartenlegern im Fernsehen hängen, quietscht über euer Horoskop und legt euch Sorgenpüppchen unters Bett? Merkt ihr nicht, dass ihr irgendwann wie die verdrehte Alte sein werdet, die mit Power-Perlen behängt im Treppenhaus Sätze sagt wie: „Heute empfange ich aber ganz positive Signale von Ihnen!“ Hört auf mit dem Esoterik-Flirt, denn der ist, neben allem anderen, vor allem immer wahnsinnig unattraktiv! Oder, verpassen wir da in Wirklichkeit irgendwas, mit unserer teflonbeschichteten Männerseele?

Auf der nächsten Seite liest du die Mädchenantwort:



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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Gestern habe ich Star Wars gesehen. Es war gerade ein großes Raumschiffgeballere in Gange und mein männlicher Mitgucker war davon sehr vereinnahmt. Er sagte: „Findest du es denn gar nicht spannend? Ich liebe diese High-Tech-Science-Fiction-Sachen!" Ich, anderweitig rumhibbelnd, sagte: „Mich interessiert das Laserschwertgefuchtel nicht. Ich warte bei Star Wars immer nur darauf, dass ein Jedi was Weises sagt, das ich mir dann für meinen Alltag merken kann!"

So unattraktiv das sein mag, aber mir geht schon ein bisschen das Herz auf, wenn Qui-Gonn Jinn zu Anakin Skywalker Sachen sagt wie: „Vergiss nie: Konzentrier dich auf den Moment! Fühlen, nicht denken! Nutze deinen Instinkt!", oder: „Die Macht wird mit dir sein!, oder: „Denk immer dran, deine Wahrnehmung bestimmt deine Realität."

Ich weiß, dass ein Festhalten an solchen Plattitüden schwer danach aussieht, als habe ich sonst nicht viel zum Festhalten, sei im Poesiealbumalter hängen geblieben und innerlich gefährlich nah an der einsamen Frau im Treppenhaus. Dabei möchte ich bestimmt nicht, dass ein verknicktes Engelsquartett alles ist, was am Ende meines Lebens als einziges Bezugsobjekt herhalten muss. Ich bin bereits zu vielen Menschen begegnet, die aus ihrer Einsamkeit heraus begonnen haben sich einzureden, es sei eben ihre schicksalshafte Verwandtschaft mit dem Übersinnlichen, die sie am sozialen Kontakt mit anderen Menschen hindere.

Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass in mir ein großes Verlangen nach einem tieferen Verständnis des Universums brodelt. Wenn in meinem Kopf alles zu kompliziert wird, wünsche ich mir, dass sich mir etwas Großes offenbart und mich von meiner Orientierungslosigkeit wegbringt. Ich will dann ausschließlich an so Sachen glauben wie Bauchgefühl und Liebe, positive Energien und überhaupt: alles schön einfach, bitte. Die Präposition „Ur" wird oft hergenommen, um so Sehnsüchtlinge wie mich aus meinen schwersten Stunden zu locken. Sie taucht ja nicht umsonst auf beinahe allen esoterischen Produktbeschreibungen auf und sagt: „Ich bin so alt und weise, dass ich nicht einmal mehr als zwei Buchstaben brauche, um meine allumfassende Autorität zu beweisen! Benutze mich und ich verspreche, alles was gerade bedrohlich erscheint, zu einem nichtigen Nichts zerfallen zu lassen!"

In einigen Situationen ist das ein sehr verlockendes Versprechen und bevor ich darüber nachdenken kann, packt mich ein Verlangen nach einem Bad in Vulkanerde und fernöstlichen Drachenblutsalbungen und schon wandert der „Ur-Tee der heiligen Glücksgötter" in meinem Einkaufswagen.

Vielleicht sind wir Mädchen aktiver und existentieller auf der Suche nach dem sogenannten „guten Leben" und deshalb anfälliger für diese Dinge. Vielleicht können wir uns hemmungsloser auf die abgefahrene Hoffnung, dass da irgendwie noch mehr sein möge, einlassen – weil wir verträumter und fantasievoller sind. Irrationaler. Weniger Teflon auf der Seele, wie du sagst.

Andererseits: Erschrickt nicht jeder geistig einigermaßen gesunde Mensch bei dem Gedanken daran, dass die Welt nur in unserem Kopf stattfindet und dass, wenn uns einmal jemand kräftig ins Gehirn prügelt, alles vorbei ist? So vorbei, dass man noch nicht mal „für immer vorbei" sagen kann, um diesen Zustand zu beschreiben? Keine Seele, keine übrigen Energien, die in ein „Ur"-Reich fliegen, keine ewige Party der Glückseligkeit? Ich finde das zermürbend. Und deshalb strampelt in mir manchmal, wenn mir ein Horoskop oder andere angebliche Übersinnlichkeiten in die Hände geraten, eine kleine Hoffnung los. Sie will, dass es doch etwas gibt, das über uns wacht und das die Dinge irgendwie regelt. Wenn schon kein Gott oder andere Gespenster, dann ja vielleicht zur Not die Sterne.

mercedes-lauenstein

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