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#FridaysforFuture: Interview mit Sprecher Linus Steinmetz
Linus, 15, ist Sprecher der deutschen „Fridays for Future“-Bewegung. Der Neuntklässler vernetzt sich in Straßburg gerade mit führenden jungen Klimaaktivisten aus ganz Europa. Ihr Ziel: Sie wollen sich untereinander kennenlernen, mit Parlamentariern sprechen und eine Pressekonferenz geben. „Wir wollen in den Köpfen der Leute hängen bleiben“, sagt Linus.
jetzt: Heute findet der globale „Fridays for Future“-Klimastreik statt. Was habt ihr konkret in Deutschland vor?
Linus: In Deutschland ist geplant, dezentral in den über 250 Ortsgruppen zu streiken. Wir machen auch ganz klar, dass das nicht unser letzter Streik sein wird: Das ist nicht unsere letzte Party und dann hören wir auf. Wir werden weitermachen, solange die Klimapolitik so desaströs ist wie im Moment. Zum Beispiel streiken wir vor der Europawahl am 26. Mai.
Was sagen eure Eltern dazu, dass ihr euch so engagiert?
Meine Eltern haben nichts dagegen, die sind selber Biologen. Aber wir müssen es eben auch schaffen, nicht nur Grünenwähler, Akademiker oder Biologenkinder anzusprechen. Da sind wir gerade auf dem Weg dahin. Wenn man sich das geschichtlich anschaut, wurden alle ernsthaften Jugendprotestbewegungen aus privilegierten Ecken gestartet.
Wie versucht ihr andere einzubinden?
Das beginnt schon in den Ortsgruppen: Wir flyern an allen Schulen und sprechen gerade auch die an, die keine Gymnasien sind, um aus dieser Ecke rauszukommen. Wir merken schon, dass wir bei Jugendlichen in den Mainstream geraten. Und nicht nur Ökos auf die Straße gehen, sondern es alle betrifft und auch alle etwas dazu machen. Das ist total schön und vor allem etwas, das vielen Bewegungen vor uns nicht gelungen ist: diese Breite einer demografischen Gruppe.
Christian Lindner hat gesagt, Klimaschutz sei nichts für Schüler, sondern eine „Sache für Profis“: Wie wichtig ist euch, ob ihr von Politikern ernst genommen werdet?
Erst mal: Irgendwo ist die Aussage lachhaft, aber wenn man sie sich genauer anschaut, ist sie auch traurig. Denn das ist ja eigentlich das Ziel unserer Bewegung: dass die Politiker uns ernst nehmen, die Profis anfangen, ihren Job zu machen. In unserem Gespräch mit Peter Altmaier schien es, als würde er denken „Die Kinderchen sind zu naiv und verstehen die Welt noch nicht“. Mich persönlich erinnert das sehr an die 80er: Damals wurde allen Jugendbewegungen vermittelt, dass sie die Welt noch nicht verstehen, was einfach nicht stimmt. Wir wollen der Politik klarmachen: Wir haben ein Anliegen und wir haben Recht. Bitte nehmt uns ernst und hört uns! Aber wir merken natürlich, dass viele das nicht tun.
Was macht das mit dir?
Natürlich löst das ein gewisses Maß an Frustration aus. Leute, die uns vereinnahmen wollen, begreifen aber auch, dass wir eine politische Kraft haben. Politiker können 10 000 junge politisierte Wähler auf der Straße nicht kleinreden. Angela Merkel hat uns zum Beispiel gelobt für unsere Arbeit. Wir denken uns: „Ist schön, wenn Sie das toll finden, aber wir sind nur existent, weil Sie Ihren Job nicht machen“ und, wie ich finde, gerade versagen.
Die Wissenschaftsbewegung „Scientists for Future“ hat sich jetzt hinter euch gestellt, quasi die wirklichen Profis: Was bedeutet euch diese Stellungnahme?
Uns macht das total glücklich, dass wir mit unserem Anliegen richtig liegen und eben nicht jung und naiv sind. Wir stehen natürlich auch mit ihnen im Dialog: Wir merken, dass sie uns unterstützen und nehmen das auch als Rückhalt für unsere Forderungen. So wird auch klar, das ist nicht nur Gerede, sondern wir haben auch ein wissenschaftliches Fundament.
Ihr habt letzte Woche eine GoFundMe-Kampagne gestartet, mit der ihr euren Protest finanzieren wollt. Wofür braucht ihr das Geld?
Wir geben ungefähr zwei Drittel unseres Geldes nur für Mobilisierungsmaterialien wie zum Beispiel Flyer aus. Für zentrale Streiks müssen wir Busse organisieren. Zum großen Streiktag rechnen wir mit 300 Euro Kosten pro Gruppem bei 300 Gruppen ist man da schnell bei 90 000 Euro. Diese Rechnung ist allerdings der Extremfall, wahrscheinlich liegen die echten Flyerkosten etwas darunter. Der nächste große Punkt ist Technik: Die müssen wir auch bezahlen, damit wir unabhängig bleiben und nicht nur streiken können, wenn irgendeine Partei oder Greenpeace sagt: „Wir können euch unsere Bühne oder unser Mikrofon zur Verfügung stellen.“ Wir müssen auch Rücklagen haben, falls Kosten für einen Anwalt anfallen. Zum Beginn der Bewegung haben wir schon mal einen Anwalt für das FAQ auf unserer Website gebraucht. Da ging es darum, was Schulen eigentlich rechtlich gegen uns tun dürfen und was nicht.
Wie habt ihr euch bisher finanziert?
Einzelne Menschen mussten viel Eigenlast tragen und haben für Flyer in ihrer Ortsgruppe 260 Euro von ihrem Taschengeld gezahlt. Andere Leute haben für uns Serverkosten gezahlt. Wir haben aber auch finanzielle Unterstützung von NGOs bekommen.
Eure Streiks haben eine extreme Öffentlichkeitswirkung: Wie nah seid ihr eurem wirklichen Ziel, dem Klimaschutz, schon gekommen?
Wir müssen aufpassen, dass wir nicht resignieren, weil wir denken, das Ziel ist sowieso nicht zu erreichen. Auch wenn wir medial schon viel erreicht haben, ist der Weg in Richtung konsequentem und nachhaltigem Klimaschutz noch nicht ansatzweise geschafft. Unsere Hoffnung ist, dass in den künftigen Landtags- und Europawahlen Klimaschutz zu einem Top-Thema wird. Ich persönlich merke in meinem Alltag sehr, dass auch unpolitische Menschen anfangen, über Klimaschutz zu reden. Außerdem besteht die Hoffnung, dass wir einen Klimaschutz umsetzen, mit dem wir alle leben können. Alle anderen Alternativen bisher haben ja nicht funktioniert, jetzt versuchen wir es eine Spur radikaler.
Europaweit streiken Schüler und Studierende für eine bessere Klimapolitik. Entsteht hier gerade eine neue Umweltbewegung? Verändern die Demonstrationen die Klimapolitik? Mehr Geschichten zu den Protesten gibt es ab heute im Klimafreitag-Newsletter der Süddeutschen Zeitung. Alle Infos und kostenlose Anmeldung: klimafreitag.de