Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Die Artenvielfalt der Drahtesel. Eine Fahrrad-Typologie

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Das Hollandrad Darauf sitzt jemand mit Herz. Hollandräder sind nämlich verdammt schwer gebaut. Und wer dieses Fahrrad jahrelang Kellertreppen hoch- und runter trägt, alle möglichen Schnorrer auf dem unverwüstlichen Gepäckträger mitnimmt und sich auch bei Steigungen nicht über die drei ausgeleierten Gänge aufregt, muss irgendwie eine treue Seele sein.


Das Klapprad Vielleicht so etwas wie das Pendant zu großen Brillen: War mal spießig, aber heute sieht man damit einfach nur unglaublich szenig aus. Hat seine Stärken in der U-Bahn oder im Bus, außer man übersieht das winzige Teil und lässt es beim Aussteigen im öffentlichen Verkehrsmittel stehen. Also: Vielleicht doch lieber in der XXL-Handtasche unterbringen.


Das geklaute Rad Dieses Rad ist auf jeden Fall geklaut. Manche machen das selbst, andere gehen auf den Flohmarkt oder stehen an einschlägigen Orten so lange vor geparkten Rädern rum, bis jemand kommt und fragt, ob man kaufen möchte. Meistens fragt man dann nach einem Rad, das möglichst oll aussieht - damit es nicht so schnell geklaut wird.


Das Cityrad Da ist alles, aber wirklich alles dran: Korb, Licht, Ständer, Hupe. Man könnte auf so einem Fahrrad bequem fünf Tonnen Zucchini transportieren oder eine Anlage draufbauen und mitten auf der Straße eine Party schmeißen. Warum sehen diese Exemplare trotzdem immer so aus, als würde man mit ihnen nichts wirklich Aufregendes erleben?


Das Franzosenrad Es ist langsam, es klappert, und es sieht ein bisschen angestaubt aus. Beim Fahren kann man rauchen, ohne Gefahr zu laufen, Asche ins Gesicht zu bekommen. Aber auf die Leistung kommt es den Besitzern solcher Exemplare nicht an: sie tuckern stoisch im letzten noch nicht kaputten Gang jede Strecke ab und geben dem treuen Kneipentourbegleiter sogar noch einen Namen. Bis Jean-Luc dann irgendwann doch den Geist aufgibt.


Das Rennrad Mit so einem Rad wäre man morgens doppelt so schnell bei der Arbeit. Oder in der Uni oder in der Schule. Und nachher doppelt so schnell beim Supermarkt gewesen und dann doppelt so schnell wieder zurück auf den schönen Seiten des Lebens, wenn nicht das Fahren schon so viel Spaß machen würde – also würde man nachmittags noch ne Radtour machen. Schöner Traum; das Problem ist nur, dass man so ein Fahrrad eigentlich nirgendwo abstellen kann, ohne dass es geklaut wird. Das Rennrad ist also was für Leute, die nie abends zur Kneipe fahren… oder vielleicht als Zweitrad… irgendwann?


Das Mehdorn-Rad Wer fährt so ein Ding eigentlich? Immerhin sieht man es in einigen großen Städten überall rumstehen. Außer Touristen-Familien sichtet man aber relativ selten jemanden, der es auch benutzt. Offiziell heißt das Exemplar „Call a Bike“ und man kann es für einen zumindest gering erscheinenden Minutentarif mieten. Bequem sieht es nicht aus. Aber vielleicht rettet es einem ja mal an einem Wochentag um drei Uhr morgens, wenn selbst in Berlin gerade keine U-Bahn fährt, das Leben.

Text: kathrin-hagemann - Fotos: Autorin

  • teilen
  • schließen