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„Du musst mit deiner Ausstrahlung dorthin kommen, wo Mike Tyson körperlich ist“

Collage: Jessy Asmus

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Was da jetzt kommt, wird auf keinen Fall sympathisch sein – aber sehr, sehr nützlich. Weil: Wenn wir ehrlich sind, wollen wir manchmal nicht schlichten, sondern unseren Punkt durchbringen. Unbedingt. Weil wir ab und an doch auch wirklich uneingeschränkt Recht haben. Und dann wäre es doch ärgerlich, wenn uns da jemand mit besserer Taktik argumentativ in die Parade fährt. Oder?

Bernhard Moestl ist Autor und Vortragsredner. In Büchern wie „Shaolin“ oder „Der Weg des Tigers“ erklärt er, wie man die Kämpfe mit sich und seiner Umwelt gewinnt. Moestl selbst hat eine Zeit lang im legendären Mönchsorden in der Provinz Henan gelebt und anschließend die asiatischen Lehren auf das westliche Leben übertragen.

jetzt: Herr Moestl, wie gewinne ich eine Diskussion?

Bernhard Moestl: In Shaolin sagt man, der Meister beendet einen Kampf, bevor er begonnen hat. Das heißt, ich muss zu allererst eine Entscheidung treffen. Und ich muss mir dieser Entscheidung so sicher sein, dass sie für mich nicht mehr zu diskutieren ist. Egal, wie viele Argumente der andere hat. Ich muss meinen Standpunkt kennen. Ich muss fokussiert sein und aufpassen, jede Emotion rauszulassen. Denn wenn der andere mich in die Emotion bringt, habe ich verloren.

Wie schütze ich mich vor so einem Angriff?

Ganz wichtig ist, die eigenen Schwachstellen zu kennen. Wo bin ich angreifbar und was macht es mit mir, wenn diese Punkte angesprochen werden? Ein Angreifer will mich in die Emotion bringen. Und in der Emotion mache ich Fehler. Sage etwas, was ich gar nicht sagen möchte. Diese Situationen kann ich ganz einfach vorher üben, indem ich sie gedanklich durchspiele.

Wie schwäche ich den anderen?

Buddha hat gesagt: Der Geist ist alles. Was du denkst, das bist du. Das ist das Prinzip der Shaolin – und das nutze ich. Ich bringe dem anderen etwas Unangenehmes ins Bewusstsein. Etwas, das er im Moment nicht brauchen kann, das ihn schwächt und emotional werden lässt. Klassisches Beispiel: Jemand möchte sich selbstständig machen, aber ich will das verhindern. Da ich weiß, dass er Zukunftsängste hat, spreche ich ihn auf die Rente an und bringe ihn vom eigentlichen Thema weg.

Manipulation also.

Aber natürlich. Manipulation ist ein Naturgesetz. Im Grunde gewinnt derjenige, der am stärksten aussieht. Die meisten würden sich wahrscheinlich vor einem riesigen Pottwall mehr fürchten, als vor einer kleinen, aber tödlichen Spinne. Geschickte Manipulation bedeutet dabei: Ein anderer tut, was ich will, glaubt aber, es selbst entschieden zu haben.

Das klingt sehr kalt.

Ich muss ja niemanden manipulieren. Aber wenn mich jemand angreift, ist es besser, ich bleibe kalt und emotionslos und korrigiere das Problem. Andernfalls riskiere ich einen Schaden, in einer daraus resultierenden Eskalation. Meinen Vortrag zu dem Thema beginne ich immer mit einem Bild von Mike Tyson. Ich frage dann, ob jemand gegen ihn kämpfen möchte? Natürlich nicht! Er strahlt etwas aus, das man ihn besser in Ruhe lässt.

Nun haben wir nicht alle wie Tyson einen 44er Bizeps, einen sibirischen Tiger als Haustier und ein Gesichts-Tattoo.

Aber Sie strahlen aus, was Sie denken. Sie sind überzeugt von sich und Ihrer Sache. Menschen merken unterbewusst, ob sie zweifeln. Mein Meister hat zu mir gesagt: Lerne so zu kämpfen, dass du nicht mehr kämpfen musst. Sie müssen mit Ihrer Ausstrahlung dorthin kommen, wo Mike Tyson körperlich ist. Es gibt Menschen, die betreten den Raum und alle sind ruhig. Nicht, weil sie den anderen Angst machen, sondern wegen ihrer Präsenz und ihrem Selbstverständnis und Vertrauen.

Oft wird der Tipp gegeben: Gehen Sie auf den anderen ein, versuchen Sie einen Kompromiss zu finden.

Das Eingehen auf den anderen schwächt mich extrem. Beispiel: Ein Kumpel bezahlt seine Schulden nicht. „Ich habe fünf Kunden verloren und ich weiß nicht, wie ich die Miete zahlen soll.“ Das ändert bei den meisten Menschen etwas im Kopf: „Der Arme tut mir eigentlich Leid.“ Dabei sollte ich fokussiert bleiben und Emotionen ausblenden. In Entscheidungsprozessen haben Emotionen nichts verloren. Weder Freude noch Trauer, noch Zorn noch Mitleid.

Aber gilt das in jedem Fall?

Der berühmte Samurai Miyamoto Musashi hat gesagt: „Wenn du das Schwert aus der Scheide ziehst, musst du bereit sein, den Gegner zu töten.“ Erst überlegen: Ist es das wert? Kann ich den Kampf gewinnen? Nicht jeder Kampf ist aussichtsreich. Manchmal gewinnt man auch einfach dadurch, dass man auf einen sinnlosen Kampf verzichtet. Egal, ob man es nun lässt oder kämpft, man darf keine Angst haben, die eigenen Forderungen durchzuziehen. 

Sind das nur Techniken für hochrangige Manager?

Jeder sollte das lernen. Dadurch könnte man viel Lebenszeit sparen.

Dieser Text wurde zum ersten Mal am 09.08.2016 veröffentlicht und am 11.07.2020 noch einmal aktualisiert.

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