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Wenn kleine Mädchen zu viel getrunken haben, können sie schrecklich sein.

Text: -liza-
Kleine Mädchen können nicht nein sagen, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt haben, das weiß sie, das war schon früher so gewesen.

Früher, da konnten die Eltern noch so lange mit Falten auf der Stirn böse schauen und mit einem ernsten Unterton versuchen, zu erklären, dass Nutella nicht gesund ist weil der Milchanteil hoch ist, sondern dass Nutella ungesund ist, weil es neben Milch eben aus einer Menge Zucker besteht.

Das konnte man als Kind dann nicht verstehen, da konnten die Stirnfalten der Eltern noch so tief und Respekt einflößend aussehen.

Wenn man sich also als Kind damals etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann hatte man erst dann ein zartes liebes Lächeln auf den Wangen, wenn man das, was man sich in den Kopf gesetzt hat, erreichen konnte, komme was da mag.

Und wenn kleine Kinder zu kleinen Mädchen werden, dann ändert sich daran möglicherweise auch nicht viel, für den Fall, dass es sich um eins dieser Sorte kleines Mädchen handelt, welches nicht vorhat, in der nächsten Zeit groß zu werden, um die Welt zu verstehen und all das, was den alten großen Leuten tiefe Stirnfalten macht.



Vor ein paar Tagen hatte das kleine Mädchen scheinbar genug von tiefen Stirnfalten und Respekt einflößenden Worten. Sie wollte tanzen, lächeln, angelächelt werden, zufrieden sein. Sie holte sich in kurzen Abständen Wein an der Bar, steuerte dann wieder auf die Tanzfläche zu, lächelte, wurde angelächelt und war zufrieden. Es funktionierte erstaunlich lange, bis sich plötzlich ein Gefühl ihren Körper aufwärts presste, gegen ihre Pulsadern, gegen die Schläfen, ihr die Luft ein bisschen nahm und sie schwach machte. Der Wein stieg ihr den Kopf hinauf, viel zu schnell, ganz plötzlich, unberechenbar und feige.

Und das Mädchen, taub und blind durch Gefühl und Wein, hielt sich an der nächst besten Säule fest, erst nur, um sich anzulehnen, dann, um zu klammern. Die Musik schien rückwärts zu laufen, sie hatte Schwierigkeiten wahrzunehmen, Schwierigkeiten, stark zu sein. Der Wein lachte sie aus, das Gefühl zerrte ihr Gewicht Richtung Boden und schleuderte ihre Blicke in nach links, rechts, oben und unten.

Jemand erschreckte sie von hinten, Gelächter, eine Umarmung, in die sie hineinfiel, bis sie ihr Bewusstsein verlor…

Als sie aufwachte, lag sie nackt in einem fremden Bett. Sie zitterte, die Kälte bedeckte ihren Körper mit Gänsehaut, ihre Hände suchten nach etwas, um sich zuzudecken – vergebens: Die Hände, selbst, wenn sie eine Decke zu spüren bekommen hätten, konnten nicht greifen. Ein Sonnenstrahl erhellte blitzartig den Raum, zum ersten Mal konnten ihre Augen den fremden Ort mustern, wahrnehmen spüren. Eine Tür öffnete sich, in ihrem Rahmen stand ein junger Mann, nackt und lächelte. Eine Bewegung und er lag auf dem leichten Mädchenkörper und presste seine Lippen auf ihre. Sie hielt inne, ließ mit sich machen, machte schließlich mit, schlief mit ihm, einmal, zweimal, dreimal, viermal, wie er es wollte, es war in Ordnung. Und mit jedem Mal, das er wieder anfing, sie packte und mehr wollte, sie auf sich hob und an ihr zerrte, spürte sie den Schmerz, den stechenden betäubenden Schmerz. Er zwang sie zu nichts, immer wieder begannen die zwei, sich zu packen und sich zu essen, immer wieder pochte der Schmerz…



Bis die Tränen kamen und sie weinte, und in den Tränen versank, und mit ihm schlief und währenddessen weinte. Und dann als die Tränen überhand nahmen, brach sie in sich zusammen und blieb reglos auf ihm liegen. Ihr Atem schien nicht mehr durch den Raum zu huschen, daneben seiner, der heftig mit der Luft kämpfte.

Die Gefühle waren aus dem Körper gesprungen und hatten sie mitgenommen.



Das kleine Mädchen, auf dem Weg, groß zu werden, war erneut gestorben.

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