Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

Wenn Konrad weint, dann nur im Kino.

Text: irrgaertnerin
Blätterrascheln überall, Konrad beginnt schneller zu gehen. Noch fünf Minuten bis nachhause, noch zwei Stockwerke bis zur Wohnungstür. In Konrads Jackentasche klimpern die Schlüssel, drei an der Zahl.

Konrad hat Bier getrunken heute Abend. Er war auf einer Party und hat eine junge Frau kennen gelernt, die große Augen machte und Konrad die Hand gegeben hatte. Sie hatten mit Wein und Bier angestoßen, die Frau sagte, dass sie nie weiß, wann sie zu trinken aufhören soll und dann ist es immer schon zu spät. Konrad hatte genickt und gesagt, dass seine Freunde im anderen Zimmer warten.

Gelogen war das, denn Konrad hatte keine Freunde auf dieser Party, hatte nur sich und das Bier und war damit sehr froh.

Dass diese Festivität stattfand hat Konrad nur zufällig herausgefunden, als er die dunkle Straße langging und Stimmen aus den offenen Fenstern gehört hatte. Jemand verließ gerade das Haus und Konrad schummelte sich hinein. In der Küche roch es nach Marihuana und aus einem Schlafzimmer schallte Technomusik. Konrad sah sich genau um und beschloss, ein wenig zu bleiben, ein wenig in Ecken zu stehen und den Menschen zuzuschauen, wie sie sich betranken und an sekundären Geschlechtsmerkmalen des Gegenüber herumfummelten. Ja, Konrad fand, es könnte ein gelungener Abend werden.

Später irgendwann saß Konrad auf einer Couch und zog an einem Joint, den ihn jemand gegeben hatte. Er zog zweimal und reichte ihn weiter, er nickte mit dem Kopf zur Musik und tanzte kurz zu einem Lied, bis er feststellte, dass er nicht tanzen konnte, ohne jemanden dabei zu haben, den er antanzen konnte.

Das sagte er auch der jungen Frau, die plötzlich wieder da war und die wieder große Augen machte. Die Frau stand dann plötzlich auf und zog Konrad an der Hand. 'Komm,' sagte sie, 'komm tanzen.' Und Konrad sagte: 'Ne, so geht das aber gar nicht.' Und dann stand er doch auf und tanzte nochmals kurz, schüttelte seine Arme und wackelte mit den Hüften. 'Du tanzt ja wie ne Frau,' sagte sie und lachte dann. Konrad sagte dann gar nichts mehr, er beschloss den Raum zu verlassen und bewegte sich rückwärts zur Tür, wobei er mit einem Typen zusammen stoß, dessen Weinglas dabei hinunterfiel und in tausend Scherben zerbrach. Konrad lachte dann, er wusste zwar auch nicht wieso, aber verließ erst recht das Zimmer, nahm noch ein Bier aus dem Kühlschrank und verließ auch die Party.

Im Stiegenhaus hörte er die junge Frau ihm hinterherschreien. Sie schrie: 'Das war doch nicht so gemeint, du. Jetzt geh doch nicht einfach.' Und Konrad drehte sich nicht um, sondern blieb nur kurz stehen und sagte, mehr zu sich selbst, als zu ihr: 'Ist doch alles in Ordnung, keine Panik.' 'Warte', schrie sie dann, 'ich begleite dich.'

Konrad wusste, dass es an der Zeit war, sich hinter den Mülltonnen im Innenhof zu verstecken, er machte sich klein und versuchte durch den Mund zu atmen, trank das Bier in Riesenschritten und lauschte den trippelnden Schritten der Frau, die bald leiser wurden und dann wieder lauter und irgendwann verstummten. Er kam hinter den Mülltonnen hervor, trat in eine Regenpfütze und machte sich auf den Weg.

Ja, dachte Konrad dann wieder, ein gelungener Abend war dies. Keine Panik, nur keine Panik.

Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: