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“Little Africa” und “Chocolate City” – Afrikanische Migration in die Volksrepublik China

Text: TerraIncognita

Afrika zählt zu den ärmsten Regionen der Welt. Afrikanische Migration nach Europa ist bereits seit Jahrzehnten ein viel diskutiertes Thema. Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer bestimmen bedauerlicherweise immer wieder die Schlagzeilen der deutschen Zeitschriften. Armut, Kriege und ungleich verteilte Ressourcen bringen viele Menschen dazu, bessere Lebensbedingungen außerhalb der Heimat zu suchen. Wie Heiko Körner in seinem Aufsatz “Immigration aus Afrika: Herausforderung für Europa” schreibt: Die afrikanische Migration ist überwiegend Binnenmigration im Kontinent. Außenwanderung geht hauptsächlich nur von den Ländern Nordafrikas Richtung Europa aus”. Weniger bekannt ist im Westen, dass immer mehr Afrikaner in China ihr Glück suchen. China bedeutet für Viele ein reiches, glitzerndes Heilsversprechen. Das andauernde Wirtschaftswachstum und die zahlreichen Umschlagplätze für Handelswaren wir Textilien, Heimelektronik und Autoersatzteile sind Gründe für nicht wenige Afrikaner, in die Volksrepublik zu ziehen.



In der südchinesischen Stadt Guangzhou, nahe Hongkong und Macau, haben sich hunderttausende Migranten aus Afrika angesiedelt. Offizielle Zahlen gibt es nicht, aber chinesische Medien sprechen von bis zu 200.000 Personen die sich dauerhaft in Guangzhou aufhalten. Sie kommen aus Nigeria, Tanzania, Ghana oder der Elfenbeinküste, um auf den riesigen Großmärkten der Stadt Waren einzukaufen und diese dann in ihren Heimatländern mit Gewinn wieder zu verkaufen. Seit Maos Zeiten hat sich China bemüht, ein freundschaftliches Verhältnis mit den afrikanischen Staaten zu unterhalten. Im Jahr 2011 wurde China der größte Handelspartner für den afrikanischen Kontinent (dies gilt, wenn man einzelne Staaten vergleicht, ansonsten führt die EU den Handel mit Afrika an) und inzwischen sind geschätzte mehr als 2000 chinesische Unternehmen auf dem schwarzen Kontinent vertreten. Die sich intensivierenden Wirtschaftsbeziehungen führen dabei zu einer immer größeren Bevölkerungsmobilität zwischen China und Afrika. Für Bürger aus afrikanischen Staaten ist es um einiges einfacher ein Einreisvisum nach China zu erhalten als in die EU oder die Vereinigten Staaten von Amerika.



Einige der afrikanischen Händler bleiben nur für wenige Wochen: Sie reisen mit leeren Koffern an, um diese dann prall gefüllt mit chinesischer Massenwaren wieder zurück in die Heimat zu bringen. Andere haben sich in Guangzhou und auch anderen chinesischen Großstädten angesiedelt - mit der Absicht auf Dauer dort zu bleiben. Doch das chinesische Visa- und Aufenthaltsrecht macht es ihnen nicht einfach. Mit einem chinesischen Geschäftsvisum kann man meist nur einen oder maximal drei Monate im Land bleiben. Die Bedingungen für eine Arbeitserlaubnis sind strikt und schwer zu erfüllen. Nicht wenige überziehen ihr Kurzzeitvisum und können dann weder die Strafgebühren noch ihren Flug zurück bezahlen. Ihnen bleibt dann nichts anderes übrig als ohne gültiges Visum in China zu bleiben und unterzutauchen.



In Guangzhou existieren inzwischen ganze zum Großteil afrikanisch bewohnte Nachbarschaftsviertel: Von den Chinesen “Little Africa” oder “Chocolate City” genannt. Einige dieser Communities konzentrieren sich um Moscheen, weil viele der Migranten moslemischen Glaubens sind und sie dort zu Beginn islamische Infrastruktur wie Restaurants oder auch moslemische Fleischer finden konnten. Inzwischen gibt es in den afrikanischen Vierteln eine Vielzahl von afrikanischen Gaststätten, afrikanische Friseure und andere Dienstleistungen von und für die afrikanische Community. Man verlässt sich stark auf seine eigenen Landsleute. Eine Integration in die noch sehr geschlossene chinesische Gesellschaft ist nur schwer möglich.



Die Großhändler in den Städten von Chinas Süden profitieren zwar von der afrikanischen Geschäftstätigkeit. Doch auch wenn sich Chinesen normalerweise ausgewählt freundlich gegenüber Ausländern verhalten, kommt es immer wieder zu kleineren und größeren Konflikten zwischen der chinesischen Bevölkerung und den Migranten. Negative Vorurteile gegenüber dunkelhäutigen Menschen sind in der Volksrepublik keine Seltenheit. Insbesondere im Internet werden Afrikaner mit Drogen, Kriminalität und AIDS in Verbindung gebracht.



Die chinesischen Medien berichten auch von größeren Clashes zwischen den Afrikanern und der chinesischen Bevölkerung. So sammelten sich im vergangenen Jahr mehr als hundert Afrikaner auf den Straßen von Guangzhou, um zu protestieren. Ein nigerianischer Mann war nach einem Streit mit einem Motorrad-Taxifahrer auf eine Polizeistation gebracht worden und verstarb dort. Die wütende Menge forderte die Herausgabe der Leiche. Im Jahr 2009 war es in Guangzhou schon einmal zu großen Straßendemonstrationen afrikanischer Landsleute gekommen, als ein Nigerianer bei einer Visakontrolle aus einem mehrstöckigen Haus sprang und dabei ums Leben kam.



Fest steht, dass der chinesische Staat bei anhaltender wirtschaftlicher Entwicklung mit mehr Einwanderern rechnen muss. Dies werden nicht nur Afrikaner sein, auch aus Nordkorea, Vietnam oder dem Nahen Osten kommen viele Menschen um in der Volksrepublik ein neues Leben zu beginnen. Dies wird neue Herausforderungen für das bisher ausländischen Zuwanderern so verschlossene Reich der Mitte mit sich bringen. Erste Reaktionen zeigte die Regierung beispielsweise mit einem in diesem Jahr in Kraft getretenem Aufenthaltsrecht für Ausländer.



Für viele Fabrikanten und Großhändler in Süchina verheißt der Handel mit den Afrikanern heute jedenfalls ein gutes Geschäft. Und wer weiß: Vielleicht werden Einwanderer aus Entwicklungsländern in der Zukunft die Lösung für Chinas von der Einkindpolitik herrührende demographische Probleme sein.






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