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300 Schüler und Passanten stellen sich bei Abschiebung der Polizei in den Weg

Foto: Michael Matejka/dpa

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Beim Versuch, einen 20 Jahre alten Afghanen abzuschieben, ist es an einer Berufsschule in Nürnberg zu Tumulten gekommen.  Nach einem Abschiebungsbeschluss sollte er zu Schulbeginn festgenommen werden. Er zeigte sich zunächst "kooperativ", sagte ein Polizeisprecher, und sei widerstandslos zum Streifenwagen gebracht worden. Danach formierte sich spontaner Widerstand von zunächst etwa 20 Berufsschülern, die sich auf die Straße setzten und verhindern wollten, dass der Streifenwagen losfahren konnte. Auch der 20-Jährige wurde nach Polizeiangaben "zunehmend aggressiv". Die Situation dort drohte zu eskalieren, nachdem sich immer mehr Berufsschüler und auch Passanten mit dem 20-Jährigen solidarisierten. 

"Das war eine unglaublich beeindruckende Situation", sagt Alexander Thal, der Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, am Telefon. Thal war vor der Schule angekommen, als der afghanische Schüler im Polizeiauto saß und seine Mitschüler den Wagen blockierten, um ihn vom Losfahren abzuhalten. "Als sie keinen Platz gemacht haben, kam recht schnell die Bereitschaftspolizei in Kampfmontur", sagt Thal. Die Polizei setzte Pfefferspray und Stöcke ein, Thal berichtet auch, sie habe Hunde auf die Demonstranten gehetzt. Bis zu 300 Personen sollen im weiteren Verlauf an dem Protest teilgenommen haben. 

Polizisten wurden nach Angaben eines Polizeisprechers "mit Fahrrädern und Flaschen beworfen". Neun Beamte wurden verletzt, einer von ihnen verlor einen Zahn. Drei Demonstranten wurden kurzzeitig festgenommen. 

Die Proteste verebbten aber auch dann nicht, als die Polizei den 20-Jährigen wegbrachte. Am Vormittag setzte sich ein spontaner Demonstrationszug zum Ausländeramt in Bewegung. Der Afghane hatte am Mittwoch ursprünglich vom Frankfurter Flughafen aus nach Afghanistan abgeschoben werden sollen. Wegen des Anschlags in Kabul war die Sammelabschiebung im Laufe des Tages aber ohnehin gestoppt worden.

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Foto: Michael Matejka/dpa

Polizei rechtfertigt ihr Vorgehen mit "Amtshilfe"

Der 20-Jährige lebt seit vier Jahren in Deutschland und hat nach Angaben des Bayerischen Flüchtlingsrates einen Hauptschulabschluss und einen Ausbildungsplatz als Schreiner in Aussicht. "Der Vertrag liegt ihm vor, zur Unterschrift fehlt nur seine Bleibe-Erlaubnis", sagt Thal. Die Regierung von Mittelfranken setzte die Abschiebung am Nachmittag außer Vollzug. Nach einer Vernehmung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sollte der 20-Jährige auf freien Fuß kommen.

Die in Nürnberg regierende SPD äußerte Kritik, das Vorgehen sei völlig inakzeptabel. Es könne es nicht sein, dass man Schüler aus Klassenzimmern heraushole. Nürnbergs SPD-Chef Thorsten Brehm sagte, es sei fatal, wenn sich "Geflüchtete in der Schule nicht sicher fühlen können". Es drohe die Gefahr, dass diese aus Angst erst gar nicht in den Unterricht gingen. Die Polizei rechtfertigte ihr Vorgehen. Man habe "Amtshilfe" geleistet.

Am morgigen Donnerstag soll aus Anlass der Nürnberger Tumulte eine Kundgebung  vor dem bayerischen Kultusministerium in München stattfinden. Mehrere Initiativen haben dazu aufgerufen, gegen Abschiebung von Menschen in Ausbildung und Arbeit nach Afghanistan zu demonstrieren. 

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