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You may eat - but better not.

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„So wertvoll wie ein kleines Steak!"

Das waren noch Zeiten, als die Joghurt-Industrie mit solchen Sprüchen aufwartete und die Werbefamilie einträchtig am Resopaltisch saß und Schach spielte. Aber nach tausend Skandalen im Lebensmittel-Wunderland fragt man sich: Wie wertvoll ist so ein Steak überhaupt noch?

Wer über begrenzte Mittel verfügt, muss beim Geldausgeben Prioritäten setzen - je nach Interesse, Vorlieben und moralischen Ansichten. Ich gebe den größten Teil (nach Abzug der laufenden Kosten) für Essen aus. Ungern kaufe ich Dinge, die in Plastik eingeschweißt sind. Ich will die Sachen anfassen, riechen, vielleicht auch probieren. In Supermärkten geht das fast nicht mehr, Frischetheken verschwinden. Außerdem ist dort meist alles zu viel. Ich mag nicht eine Woche lang täglich Rosenkohl essen, oder immer dasselbe aufs Brot. Schon deshalb gehe ich lieber in kleine Läden oder auf Märkte, wo ich auch 50 Gramm Mortadella frisch geschnitten bekomme, eine Hand voll Erdbeeren kaufen kann und vier Karotten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Natürlich lande ich manchmal doch im Supermarkt ums Eck. Statt einer Fleischtheke gibt es dort nur den SB-Bereich. Da liegt oft in einer Art durchsichtigen Reisetasche ein halbes Schwein, zu kaufen für 5,98. Nicht weit davon entfernt liegen ganze Hühner für 2,95. Ich möchte hier keine Debatte übers Fleischessen und Vegetarismus anfangen. Plädiere aber dafür, dass die Tiere, die man isst, nicht in Antibiotika getränkt wurden, sondern sie es in ihrer Lebenszeit ganz gut hatten. Ich will nicht, dass sie tausende Kilometer herumgekarrt wurden, um dann sonstwo geschlachtet zu werden. Dass sie in Legebatterien gepfercht waren und sich gegenseitig zu Tode pickten, weil sie ihren Instinkt anders nicht ausleben konnten. Aber so ist es heute: Nordseekrabben werden in Marokko gepult - verrückt!

Klar ist teuer nicht automatisch gut - aber allzu billiges Fleisch ist ein sicheres Indiz dafür, dass da etwas nicht stimmen kann. Um auf das Steak zurückzukommen: Ich kenne zwei Varianten. Ein Filetsteak kostet regional und in Bio 10 Euro beim Metzger meines Vertrauens. Für die Hälfte bekommt man eins aus der Hüfte. Klar, das kann ich mir nicht jeden Tag leisten - aber keiner braucht jeden Tag Steak. Die Luxusvariante gönne ich mir selten, freue mich dann richtig darauf, lade mir noch jemanden ein, um das Vergnügen zu teilen. Ob es nun an der Qualität oder an meiner Psyche liegt: Es schmeckt besser!

Essen muss nicht immer teuer sein. Spaghetti mit Tomatensauce können mich manchmal unsagbar glücklich machen. Es ist vielmehr eine Frage der Sorgfalt als des Preises. Wenn ich also eine Horde Leute zum Essen einlade und knapp bei Kasse bin, passe ich das Menü den Möglichkeiten an. Dann mache ich lieber eine gute Pasta, als dass ich eine Reisetasche voller Schwein kaufe.

Am liebsten koche ich selbst oder mit Freunden. Das kann gesellig sein und entspannend. Sich bei Kochwein unterhalten und Zeug schnippeln finde ich nach einem Arbeitstag einen gelungenen Feierabend. Wenn die Zeit mal zu knapp ist oder ich keine Lust habe, gehe ich gerne auswärts essen. Ich weiß, dass die „Specials" meist die Dinge sind, die halt weg müssen. Das muss noch nichts Schlechtes bedeuten. Aber ob ich in einem Laden als Frühstücksspecial ein Krabbenomelett bestelle, mache ich abhängig vom Gesamteindruck des Ladens. Sehr billiges Sushi macht mich ebenfalls skeptisch. Einige freuen sich, ein Schnäppchen zu machen. Ich mich auch, aber nicht beim Essen. In Berlin hat mich neulich jemand in einen Laden geschleppt, wo es gutes Schnitzel geben sollte. Gut hieß in diesem Fall aber nur groß und günstig. Bereits nach wenigen Bissen war alles kalt. Es schmeckte vorrangig nach Fett und Panade. Auf der Karte stand noch der „Vaterlandspieß", der Saal war gekachelt und mit Neonlicht erhellt. Das Lokal wird mich nicht wiedersehen. Dafür ist mir mein Geld, selbst das kleinste bisschen, zu schade.

In jedem Fall ist es gut, einen Bezug zu den Sachen zu haben, die man isst. Mir zumindest schmeckt es besser. Selbstgefangene Fische, gesuchte Pilze oder angebaute Kräuter. Fertigprodukte benutze ich kaum. Vielleicht, weil ich weiß, dass es von fast allem Aromastoffe in Pulverform zu kaufen gibt. Vom synthetisch hergestellten Hummer-, über Waffelteig- bis hin zum Leberaroma. Sollte ich mal ins All fliegen, bin ich vielleicht froh über die künstliche Aromen-Vielfalt. Vorher kann mir das gestohlen bleiben. Ganz sicher kann man sich zwar auch bei Restaurants nie sein, was sie ins Essen tun, aber man kann das Risiko eindämmen.

Je mehr ich über bestimmte Dinge weiß, umso komplizierter wird mein Leben. Seit ich mehrere Reportagen über Kakaoplantagen gelesen habe, kann ich nur noch Fairtrade-Schokolade kaufen. Die ersten Tafeln schmeckten grässlich, aber mittlerweile habe ich mehrere Sorten gefunden, die mir schmecken. Natürlich auch, weil sie mir ein ruhigeres Gewissen bescheren. Mir ist klar, dass ich längst nicht von allen Missständen weiß, die durch die Produktion der Dinge entstehen, die ich kaufe. Trotzdem finde ich, dass wir uns alle in einem gewissen Rahmen darum scheren sollten.

Den schönsten Lebensmittelhinweis gab es in Hong Kong. Beim Grillfleisch lag ein appettitlich wirkendes Päckchen. Darauf stand: „You may eat – but better not." Ich finde das eine sinnvolle Beschriftung. Vielleicht wäre es überhaupt viel besser, statt auf wenige Waren ein Fairtrade-Siegel zu drucken, auf alle anderen ein „Unfair gehandelt" zu schreiben. Vielleicht fühlen wir uns dann mehr in der Verantwortung?

Heute ist auf der Werbeseite des Joghurt-Herstellers der Steak-Satz übrigens nicht mehr zu finden. Werbewirksam scheint er also nicht mehr zu sein.


Text: anne-koehler - Illustration: Katharina Bitzl

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