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"Das Gefährlichste auf der Welt ist die Liebe"

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jetzt: Was ist der letzte „Reset“-Moment, an den Sie sich erinnern können, in dem Sie gesagt haben: Ich fang jetzt nochmal von vorne an?

Friedrich Liechtenstein: Ich bin gerade mittendrin. Das große Oeuvre, das ich seit 13 Jahren, seit es Friedrich Liechtenstein gibt, als Delfinmann erzählt habe, ist zu Ende. Der Delfinmann ist tot. Jetzt beginnt der Elevator Man, der bin ich gerade. Mein Bart sieht ein bisschen anders aus, ich verändere mich und auch meine Themen ändern sich. Da stecke ich gerade wirklich mittendrin.

Wenn man sich so durch Ihr Leben liest, finden sich mehrere dieser Momente. Zum Beispiel kurz nach dem Mauerfall, als Sie Ihre Ehefrau und Ihr altes Leben in Waitzdorf in der ehemaligen DDR zurückließen und mit einer neuen Frau nach Berlin zogen. Wie hat sich das angefühlt damals?

Es gab da zwei Bewegungen: Der Mauerfall, das kam von außen. Über Nacht wurde alles ausgetauscht: sämtliche Rituale, Gegenstände, Düfte, Farben. Eine Explosion an Möglichkeiten – dem musste man sich hingeben. Dazu kam, dass kurz darauf meine Mutter starb. Mir wurde klar, dass ich mein Schicksal doch noch etwas mehr in die Hand nehmen sollte. Und als ich dieser anderen Frau begegnete, da konnte ich nicht nein sagen. 

Wenn man sein Leben so hinter sich lässt, dann hat das meistens auch Konsequenzen für andere. Man trifft Entscheidungen über ihre Leben, die sie so vielleicht nicht gewollt hätten.

Ja, das ist eine schwere Sache. Das Gefährlichste auf der Welt ist ja tatsächlich auch die Liebe. Da passieren schlimme Dinge, wovon sich Leute vielleicht nie wieder erholen. Aber ich habe da keine Lösung. Ich weiß auch nicht, wie man mit einem Ende am besten umgeht. Ein harter Schnitt? Oder sollte man eine Trennung begleiten? Ich hatte ja noch ein zweites Beziehungsende und da wurde der Trennungsschmerz so sehr gefeiert, dass man sich am Ende näher war als vorher. Das war auch schlimm. Beides kann gefährlich sein. Aber Leben ist gefährlich.

Wird man mit der Zeit besser darin, mit Tiefphasen umzugehen?

Ich hab wirklich die ganze Nacht vor diesem Interview unruhig geschlafen, weil ich genau über so etwas nachgedacht habe. Es kann immer miese Zeiten geben. Ich glaube, wenn man froh ist, sollte man es richtig ausleben, und wenn man traurig ist, sollte man es auch richtig ausleben. Sowas wie die Liebe sollte man nicht persönlich nehmen. Die kommt und geht, wie sie will. 

Seit 2003 sind Sie Friedrich Liechtenstein und nicht mehr Hans-Holger Friedrich, als der Sie geboren wurden. Warum?

Das war nach der Trennung von meiner zweiten Frau. Ich hab gesungen und durch diese Form meinen Schmerz verarbeitet und mir gleichzeitig ein eskapistisches Konstrukt ausgedacht, mit dem ich überleben konnte. Dass es genau diese Person wurde, ist mehr den Folgen einer Emotion als der eines Gedanken geschuldet. Ich dachte selbst, das sei jetzt eine Phase, ein Jahr oder so. Es war nie eine intellektuelle Entscheidung, weiter zu machen. Ich bin schon auch manchmal ins Bett und dachte: „Ach wie schwer ist das alles“, und am Ende dieser Spirale des Nachdenkens war eine gewisse Grundheiterkeit, die ich schon immer hatte. Wenn ich jetzt so sterben würde, mein Gott, wie lustig wäre das denn?

"Man sollte sich nicht zu lange in der Nähe von Arschlöchern aufhalten."

Die letzte große Veränderung kam wohl 2014 mit dem „Supergeil“-Werbespot. Haben Sie lange gezögert, dieses Angebot anzunehmen?

Nein. Wer sich in der Musikindustrie befindet, ist eh schon im Herzen das Kapitalismus angekommen – ob man nun CDs oder Seife verkauft. Aber die Diskrepanz, die folgte, zwischen der öffentlichen Wahrnehmung und meinem Leben, die folgte, die ist schon interessant. Mein Leben verbringe ich nicht damit, Supermarkt-Werbung zu machen. Ich hab den Text einmal im Studio abgelesen und dann bin ich bisschen durch die Regale getanzt. Das war’s. Danach hatte ich viele Termine und oft hat es die Leute gar nicht interessiert, wer ich wirklich bin oder was ich mache. Das ist ähnlich, wie wenn Schauspieler, die Ärzte spielen, auf der Straße nach Heilmitteln für gesundheitliche Probleme gefragt werden. Als Phänomen ist das schon unglaublich und sehr interessant. In der Werbung geht es um Aufmerksamkeit und ums Erzählen, das finde ich als Entertainer erst mal gut und damit bin ich auch noch nicht fertig. 

Haben Sie in Ihrem Leben mal Ratschläge eines anderen angenommen? Nicht wirklich. Ich bin immer ganz stolz darauf, selbst etwas herauszufinden, und tue mich auch schwer, Ratschläge zu geben. Wenn sich Menschen straight und voller Inbrunst in einem Irrtum befinden, dann finde ich das toll, dann sind sie doch am meisten am Leben. Weil man vielleicht auch auf der Welt ist, um sich zu irren. 

Unsere Rubrik heißt ja nun aber „Lernen von den Alten“. Glauben Sie, unsere Leser tun gut daran, sich von dem, was Sie uns erzählt haben, etwas abzuschauen? Oder anders gefragt: Sind Sie glücklich?

Ich glaube, was man von mir lernen kann, ist, Leute nicht an die Hand zu nehmen. Das sieht man auch an meinen Shows. Es gibt immer wieder Brüche, wo die Leute – schwupp – wieder bei sich sind. So können sie sich nicht von sich selbst wegtragen lassen durch einen, der da vorne steht und sagt: „Wollt ihr den totalen Krieg“ oder so. Und man sollte sich nicht zu lange in der Nähe von Arschlöchern aufhalten. Wenn man ein Arschloch erkennt, sollte man auf den Impuls hören und einfach drum herum gehen, statt zu kämpfen. Damit verliert man nur Zeit. Für meine Grundheiterkeit auf dem schwarzen Acker der Melancholie kann ich nichts – wie gesagt, die wurde mir gegeben. Es gibt auch Leute, die denken, sie sind unglücklich, und die sind eigentlich zutiefst glücklich. So wie Hypochonder ihr Lebenseliexier daraus schöpfen, zu sagen, wie schlecht es ihnen geht. Eine große Phasen des Unglücks überwunden zu haben, kann einen auch sehr stolz machen, und auch wenn man mal ein paar Jahre traurig ist, ist das ok. Es müssen nicht immer alle ein Dauergrinsen im Gesicht haben, um glücklich zu sein.

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