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Beruf: Ansteher

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jetzt.de: Hallo Robert, gibt’s zur Zeit viel zu tun?
Robert Samuel: Geht so. Am Wochenende stand ich für ein paar Tickets vor der „Tonight Show“ mit Jimmy Fallon, letzte Woche drei mal für den Cronut. Vor der Bäckerei, die den erfunden hat, wartet man jeden Tag zwei Stunden. Damit verdiene ich das meiste.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Was kostet dein Dienst denn?
25 Dollar für die erste Stunde, dann zehn Dollar für jede halbe Stunde.

Macht für zwei Stunden 45 Dollar.
Plus die Cronuts, die kosten elf Dollar für zwei Stück. Die meisten geben dann gleich 60.

Wer sind denn deine Kunden?
Vor allem superbeschäftigte New Yorker. Die nicht einfach ein paar Stunden totschlagen können, wenn sie ihren Reisepass abholen. Oder die ihrem Partner Cronuts mitbringen wollen. Die sind ja wegen der langen Wartezeit ein guter Liebesbeweis.

Dann muss man aber verschweigen, dass man sich nicht selbst angestellt hat.
Ach, wenn man jemanden fürs Warten bezahlt, zeigt das doch sogar noch mehr Zuneigung!

Jetzt im Winter haben die Leute wahrscheinlich besonders wenig Bock auf Schlangestehen.
Klar, du musst schon vorbereitet sein. Ich habe Schlafsäcke, Gesichtsmasken, Handwärmer. Dabei ist unsere Hauptsaison der Sommer und der Spätsommer.

Ach ja?
Da kommen neue Apple-Produkte auf den Markt. Und hier in New York sind ständig Gratis-Events, für die man sich lange anstellen muss. Theateraufführungen in Parks, Festivals. Die Leute sind eher bereit, Geld für eine Ansteh-Hilfe auszugeben, wenn sie danach was umsonst bekommen.

Kannst du vom Warten leben?
Noch nicht. Ich arbeite hauptberuflich als Sicherheitsmann. Oft bin ich in der Arbeit, wenn ein Auftrag reinkommt – dann delegiere ich an mein Team. 27 Leute arbeiten für mich.

Du selbst hast mit einem Inserat auf Craigslist angefangen.
Genau, das war vor zwei Jahren. Ich bot an, für 100 Dollar vor dem Apple Store auf das neue iPhone 5 zu warten. Ich wollte mir eh selbst eins holen. Ein Typ rief tatsächlich an.

Hast du inzwischen Konkurrenten?
Ich sag mal so: Von den acht Millionen New Yorkern stellt sich bestimmt noch jemand für Geld in Warteschlangen. Aber niemand außer mir hat eine Hotline und eine Website.

Was war deine längste Wartezeit?
38 Stunden, als das iPhone 6 rauskam. Wegen der irren Nachfrage hatte ich elf Leute engagiert. Man kriegt ja nur zwei Smartphones pro Person. Wir hatten Matratzen, Essen, Trinken, Gartenstühle – es war wie ein Campingausflug in der Stadt.

Hast du einen Lieblings-Apple-Store zum Warten?
Den, der am nächsten an meiner Wohnung in Chelsea liegt. So können meine Mitarbeiter und ich zwischendurch bei mir aufs Klo gehen.

Hast du Tipps, wie man gut wartet?
Erstens: Dein Smartphone ist dein bester Freund. Es sei denn, du hast einen echten Freund dabei. Zweitens: Sei immer nett zu den Leuten, die mit dir da stehen. Quatsch einfach mit denen! Du glaubst gar nicht, wie schnell dann die Zeit verfliegt.

Ich habe irgendwo gelesen, dass ein Mensch zwei bis drei Jahre seiner Lebenszeit mit Warten verbringt.
Da rattern mir die Dollarzeichen durch den Kopf! (lacht) Das ist ja das Tolle: Ich mache hier etwas zu Geld, das jeder tun muss und das jedem lästig ist. Ich muss keinen Laden mieten, ich brauche nur meinen Körper. 

Was war eigentlich das letzte, für das du privat richtig lang gewartet hast?
Für Beyoncé. Als sie vor ein paar Jahren im Roseland Ballroom aufgetreten ist. Das waren sechs oder sieben Stunden in der Schlange. Ich wollte in der ersten Reihe stehen, damit sie mich sieht.

Und?
Es war jede einzelne Minute wert, Mann.


Text: jan-stremmel - Foto: sold inc

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