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Ein Gag-Schreiber erklärt den viralen Champions-League-Hochzeit-Witz

Foto: Reto Klar

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Für Christian Eisert sind Witze nicht nur Spaß. Sie sind sein Job. Der 39-Jährige schreibt Gags fürs Fernsehen (Grünwald Freitagscomedy, Harald Schmidt, Kaya Yanar) und Bücher, als Comedy-Coach doziert und vermittelt er, wie man witzig wird. “Jeder kann lernen, wie man einen guten Witz schreibt”, sagt Eisert. “Aber ihn dann auch gut zu erzählen, das kann eher nicht jeder.” Ein Anruf, um über den Witz zu sprechen, der in den vergangenen Tagen das Internet beschäftigte. 

jetzt: Herr Eisert, der Witz mit den Champions League Karten - war das nun ein guter oder ein schlechter?

Christian Eisert: Handwerklich ist er perfekt. Aber sein Konstrukt halt auch uralt. Die Struktur der Täuschung ist eine der beliebtesten unter Humoristen. Man wird erst auf eine Fährte geführt, in die falsche Richtung gelockt und am Ende in seiner Erwartung getäuscht. Ein Klassiker!

Es war für Sie also keine Überraschung, dass er viral ging.

Ich wusste spätestens nach der Hälfte des Textes, wie er enden würde. Für die breite Masse aber funktioniert er deswegen so gut, weil er drei sehr beliebte Themen abdeckt: Männer, Fußball und Frauen. Jeder gute Witz braucht  zudem den Faktor Schmerz. In diesem Falle war es das Im-Stich-lassen der Braut.

Jeder halbwegs bekannte Comedian, bzw etliche andere, die sich für einen eben solchen halten, haben den Witz geteilt. Wie wurden Sie darauf aufmerksam?

Ich habe es zuerst in meiner Facebook-Timeline gelesen, ein Freund postete den Spruch. Es ist ja kein Witz im traditionellen Sinne à la “Kommt ein Mann zum Arzt…”, man muss diesen Witz als eigenes Problem ausgeben, sonst funktioniert er nicht. Ich habe das also bei meinem Freund gelesen und dachte, ‘das kann nicht von ihm sein’. Eine solche Klarheit in der Konstruktion traute ich ihm einfach nicht zu.

Wie haben Sie reagiert?

Ich habe versucht rauszufinden, woher dieser Witz kommt. Als nächstes habe ich ihn dann bei Oli Pocher gesehen, der als Quelle Giovanni Zarrella angab. Dann habe ich schnell gemerkt, dass auch unzählige andere den Post als ihren eigene Schöpfung ausgegeben haben. Wer der tatsächliche Urheber war - keine Ahnung.

Ihrem Freund haben Sie nicht zugetraut, das Posting selbst verfasst zu haben. Haben Sie ihn darauf aufmerksam gemacht?

Ich habe ihm einen Screenshot von vier Comedians darunter gepostet, die den Witz ebenfalls brachten, mit einem Zwinker-Smiley. Er kommentierte: “Ist ja auch eine geile Story.” Das zeigt, dass er nicht verstanden hat, dass es mir um das Urheberrecht des Witzes ging.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum der Witz zwar abertausende Male verbreitet, zu großen Teilen aber immer negativ kommentiert wurde?

Das liegt an der erwähnten uralten Konstruktion. Da hat man gleich eine große Masse an “Kenn ich schon ewig”-Leuten, die behaupten, sie hätten ihn schon vor Jahren von ihrer spanischen Groß-Tante gehört. Dabei haben sie vielleicht nur einen anderen Witz irgendwo gelesen, der aber dem gleichen Täuschungs-Prinzip folgte.

 

Ist das durch die virale Internet-Verbreitung heutzutage Usus, dass gute Witze geklaut und ohne Urheber-Angabe, meist noch als eigenes Werk, weiterverbreitet werden?

Dass im Comedy-Bereich geklaut wird, ist ja nichts Neues. Man nehme als Beispiel nur mal Otto Waalkes, der mit übersetzten Gags von Woody Allen anfing, bevor er dann Autoren wie Robert Gernhardt beschäftigte, die für ihn schrieben. Durch das Internet kommt heute schnell und oft raus, wenn jemand einfach nur englischsprachige Witze auf Deutsch übernimmt. Das ändert aber nichts daran, dass die Weiterverbreitung ohne Quellen-Angabe und, wenn man damit Geld verdient, ohne Einholen der Verwertungsrechts, eine Verletzung des Urheberrechts darstellt. Die ziemlich schwierige Frage ist am Ende aber eben: Wer hat den Gag erfunden? Wer war der erste?

 

Wie könnte der Champions League-Witz-Verfasser diesen als sein Werk belegen?

Er müsste nachweisen, dass er ihn tatsächlich als erstes gepostet oder aufgeschrieben hat. Das ist schwierig und diskutabel. Oft ist der Aufwand im Gegensatz zum Ertrag dafür viel zu hoch und zu teuer.

 

Kann man sich einen Witz eigentlich patentieren lassen?

Da muss man grundsätzlich unterscheiden zwischen Witz und Gag. Ein Witz ist die meist mündliche Verbreitung im privaten Rahmen, oder aus selbiger stammend ohne Anspruch auf wirtschaftliche Verwertung. Ein Gag (Oneliner) wird von Autoren / Comedians zum Zwecke wirtschaftlicher Verwertung entwickelt. Werden Witze zum Zwecke wirtschaftlicher Verwetung benutzt, müsste der Urheber, sofern man ihn findet, bezahlt werden. Das Patentamt pateniert nur technische Leistungen. Es ist wohl möglich einen Gebrauchsschutz anzumelden.

 

Was kann man dann tun, um seinen Witz zu schützen?

In manchen US-Comedy-Clubs gab es in den achtziger Jahren ein Blinklicht. Es leuchtete auf, wenn dem Comedian auf der Bühne signalisiert werden sollte: 'Benutz‘ jetzt nicht dein eigenes Material, es ist jemand im Raum, der es klauen und als seines ausgeben könnte.' Robin Williams war zum Beispiel dafür bekannt, in solchen Shows nach Gags zu suchen und sie zu übernehmen. Es kann helfen, wenn man viele Zeugen hat, die belegen, dass man einen Witz als Erster verfasst hat.

 

Wie gehen Sie mit Ihren Werken um?

Ich überlege mir zum Beispiel ganz genau, was ich bei Twitter oder Facebook poste. Finde ich das Material selbst lustig genug, um den Gedanken vielleicht an einen Comedian zu verkaufen oder für eines meiner nächsten Bücher zu nutzen, poste ich es eher nicht. Bei allem was ich als professioneller Gag-Autor verkaufe, trete ich allerdings das Recht der Verwertung an den Käufer ab.

 

 

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