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Mädchen, nervt euch euer Kleinsein?

Collage:: Daniela Rudolf/cydonna photocase

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Liebe Mädchen,

wir könnten ganz aktuell einsteigen. Mit der Lufthansa zum Beispiel. Und mit den 14.175 Euro, die sie an eine Frau zahlen musste, weil die 3,5 Zentimeter zu klein war. Fürs Pilotin werden. Dafür muss man bei der Lufthansa mindestens 1,65 groß sein. Die Frau hatte geklagt, weil sie eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vermutete. Man einigte sich auf einen Vergleich. Was ja vermuten lässt, dass an ihrem Vorwurf womöglich ein Quäntchen Wahrheit dran war. 

Nun wollen die wenigsten von euch wohl große Jumbos und so Kram fliegen. Deshalb bleiben wir lieber vielleicht in den lebensweltlicheren Bereichen: Supermarktregal, beim Im-Stehen-Knutschen auf den Zehenspitzen balancieren und im Konzert nix sehen.

Weil: Ihr seid oft ziemlich klein. Kleiner als wir jedenfalls. Statistisch gesehen. Doch, doch! Der Mikrozensus (das ist eine statistische Erhebung, bei der man zwar nach Zufallskriterien aber trotzdem repräsentativ Haushalte befragt) ergibt: 44 Prozent der Frauen in Deutschland sind kleiner als 1,65 Meter. Und nur knapp drei Prozent der Männer. Haha!

Beziehungsweise: Haha? Denn genau das ist eigentlich die Frage hier: Körpergröße und was sie mit euch macht. Und zwar die im Normbereich. Man hört ja allenthalben, dass besonders große Frauen es angeblich schwerer haben sollen. Bei der Partnersuche vor allem. Das ist zwar aus unserer Perspektive (sic!) Blödsinn, hält sich aber als Mär und verbreitet offenbar große Sorgen. Uns geht’s heute aber um die von euch, die normal groß sind – und damit meistens eben kleiner als wir.

Und die Frage ist, ob euch das tief drinnen irgendwo strukturell nervt oder peinigt? So nach dem Allgemeinen Gleichheitsgrundsatz?! Fühlt sich das blöd an, größere Menschen (also eben schon oft uns) bitten zu müssen, Zuckerdosen, Erste-Hilfe-Kästen, Feuerlöscher und andere Dinge, die man immer ganz oben im Regal verstaut, herunterzuangeln? Fühlt ihr euch da von der Natur benachteiligt? Werdet ihr deshalb manchmal heimlich wütend? Auf uns vielleicht sogar? Oder ist es euch eigentlich total recht und ihr nutzt das irgendwie aus? Auf Arten, die wir gar nicht merken oder auch nur kennen?

Fragen, statistisch gesehen von oben herab, eure Jungs. 

maedchenfrage

Liebe Jungs,

 

In der Küche unserer WG ist zwischen Schrank und Esstisch ein Klappstuhl eingeklemmt. Der ist nicht nur dazu da, das am Pisa-Turm-Syndrom leidende Regal zu stützen, sondern soll vor allem eins verhindern: die mädchenhaften Hilferufe in Richtung Jungszimmer, wenn der Zucker mal wieder dort platziert wurde, wo ich ihn auch auf den Zehenspitzen balancierend nicht erreichen kann.

 

Ja, ich bin 1,65 Meter – Groß? Klein? – und habe Probleme mit den obersten Supermarktregalen. Und sage hier trotzdem einmal laut: Wir Kleineren können uns sehr gut selbst helfen. Wenn wir wollen. Und genau das ist der hochhüpfende Punkt, der anscheinend noch nicht in die dünner werdende Luft von euch Riesen aufgestiegen ist: Unsere Kleinheit ist nämlich unser größter Vorteil. Und nichts, worüber man sich ärgern müsste – im Gegenteil!

 

Denn irgendwie scheint ihr nicht anders zu können, als einem normgroßen Mädchen eure ritterlichen Dienste anzubieten. Und uns damit Sachen abzunehmen, die wir zwar selbst machen könnten, für die wir aber gerade einfach zu faul sind. Die Nudelpackung herunterzuholen etwa. Oder die Glühbirne der Deckenlampe auszutauschen – etwas, wofür ihr euch nur strecken müsst, wir aber eine Trittleiter holen müssten.

 

Oder beim Konzert: Da werden wir automatisch nach vorn geschoben, weil wir sonst ja nichts sehen. Oder ihr nehmt uns auf die Schultern und ermöglicht uns so die beste Sicht auf die Bühne. Auch auf langen Busfahrten haben wir einen unübersehbaren Vorteil: Wir habens definitiv bequemer, weil wir unseren Körper in eine Schlafposition zusammen knautschen können – während sich eure Knie unvermeidbar in die Rückenlehne des Vordermanns bohren. Und beim Knutschen gibt es eigentlich nichts Schöneres, als sich auf die Zehenspitzen zu stellen und dann von euch in stützender Absicht ganz fest gehalten zu werden. Damit man sich länger küssen kann.

 

Ihr seht also: Von Wut auf euch oder auf die Natur kann keine Rede sein. Das Kleinsein ist – bis auf einige wenige Ausnahmen – großartig. Weil wir immer die Möglichkeit haben, unseren vermeintlichen Nachteil geschickt einzusetzen. Was sich anhand des Lufthansa-Beispiels ja irgendwie ein bisschen beweisen lässt – wollte ich schon schreiben. Aber das ist jetzt vielleicht auch unfair …

 

Außerdem, liebe Jungs, den Allgemeinen Gleichheitsgrundsatz betreffend: Habt nicht ihr das Problem, dass eure Füße unter einer zu kurzen Bettdecke herausgucken? Oder ihr zur Zielscheibe gemurmelter Hasskommentare werdet, weil euer Kopf die halbe Kinoleinwand verdeckt? Solltet ihr also nicht eher genervt davon sein, dass ihr für die meisten Sachen einfach zu groß seid?

 

 

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