Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Mädchen, warum liebt ihr "dm" so sehr?

Foto: Uli Deck/dpa

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Liebe Mädchen,

neulich fuhr ich Aufzug. Und wurde Zeuge einer Konversation zwischen zwei Mädchen, Anfang 20, nicht weiter auffällig. Sie hatten gerade Feierabend, freuten sich darüber und besprachen mit leuchtenden Feierabend-Augen, was sie jetzt noch so zu tun gedachten. "Ich gehe jetzt erst mal zu dm", sagte die eine.

Als Antwort darauf hätte ich eine Art Beileidsbekundung erwartet. Etwas Mitleidig-Solidarisierendes über den nervigen Deo-Einkauf, den man nach Feierabend zu erledigen hat, obwohl man doch eigentlich viel lieber etwas Schönes tun würde. Doch es stellte sich heraus: Die beiden Mädchen hielten das dm-Vorhaben für etwas Schönes. "Oh, cool, voll guuut", sagte das zweite Mädchen, und dass sie auch totaaal Bock hätte auf dm, aber leider jetzt ja zum Sport verabredet sei.

Ich wunderte mich sehr. Lieber dm als Sport? Lieber durch Gänge voller Klopapier, Babynahrung, Fußcremes und Tampons schlurfen, anstatt Tennis zu spielen oder Yoga zu machen oder meinetwegen auch schnöde ins Fitnessstudio zu gehen? Kann doch nicht sein!

Ich hakte die beiden als Einzelfall ab, als Sonderlinge mit seltsamem Hobby. Dann aber sprachen wir neulich in der Redaktion über die Neubau-Siedlung, die gerade in der Nähe unseres Verlagshochhauses ins Nirgendwo gebaut wird. Da wird es auch ein kleines Einkaufszentrum geben, und wir in der Redaktion freuten uns über diese geringfügige Aufwertung des Nirgendwo, das uns umgibt. Aber aus sehr unterschiedlichen Gründen. Die Jungs in der Redaktion strahlten ob der Möglichkeit, in Zukunft statt immer nur Kantinen-Essen auch mal eine ordentliche Leberkas-Semmel an der Supermarkt-Fleischtheke ergattern zu können. Und die Mädchen? Schwärmten davon, dass in dem Einkaufszentrum auch ein dm geplant sei. Und dass man da dann immer hinkönne. In der Mittagspause, nach Feierabend, ganz egal.

Nach diesen beiden Ereignissen halte ich es für angemessen, eure dm-Liebe mal zu ergründen. Denn wir checken sie einfach nicht. Wir betreten Drogeriemärkte immer nur dann, wenn zu Hause das Klopapier zur Neige geht, und wenn wir dann schon mal da sind, schmeißen wir halt noch ein Deo in den Einkaufskorb und irgendein Duschgel und eine Packung Taschentücher, wenn grade Winter ist und wir Schnupfen haben. Dauert insgesamt keine fünf Minuten, das Ganze. Ihr aber scheint da ja wirklich gerne zu verweilen. Warum? Was hat dieser Laden, das euch so in seinen Bann zieht? Was kann der? Was ist mit dem?

Mir ist natürlich klar, dass ihr tendenziell mehr Interesse an Cremes und Kosmetik habt als wir. Aber wenn ihr dieses Interesse wirklich zelebrieren wollt, wäre es dann nicht schöner, das in einem dieser Parfümerien oder bodyshopartigen Wohlfühlläden zu tun? Oder ist der dm für euch so ein Wohlfühlladen, und wir sehen das nur nicht? Und macht es eigentlich einen Unterschied, um welchen Drogeriemarkt es geht? Mir scheint nämlich, als würdet ihr immer nur von dm schwärmen, und nicht von Rossmann oder Müller.

Also, liebe Mädchen, bitte erklärt uns mal euren dm-Fetisch!

Die Mädchenantwort: 

maedchenfrage

Liebe Jungs,

 

oooh, dm! Ich krieg gleich gute Laune, wenn ich nur dran denke! So sehr, dass ich als erstes laut und deutlich sagen muss, dass ich wirklich nicht von dm bezahlt werde, um diesen Text zu schreiben. Ich selbst würde allerdings einiges dafür bezahlen, dass in meinem Viertel endlich mal einer eröffnet wird. Da gibt’s nämlich nur einen der Konkurrenz-Märkte und der macht mir nur ein Viertel so gut Laune. Wenn überhaupt.

Damit wäre eine eurer Fragen schon mal beantwortet: Ja, es macht einen Unterschied, um welchen Drogeriemarkt es geht. Und weil ich vor lauter Euphorie Probleme habe, meine Gedanken zusammen zu halten, muss ich jetzt mal kurz durchatmen, einen Fruchtriegel essen, mir die Hände eincremen, und dann in Ruhe erläutern, was dm hat, was die anderen nicht haben.

 

– Durchatme-Hände-eincreme-Fruchtriegel-Pause –

 

So, los geht’s:

 

1. Die Atmosphäre

Es gibt Läden (bestimmte Super-, aber auch einige Drogeriemärkte), die sind eng und stickig und stressig und vollgestopft mit Produkten und Menschen und Einkaufswagen. Das ist zwar ehrlich, aber nervig. Und es gibt Läden (und zu denen gehören die von euch angesprochenen Parfümerien und "Wohlfühlläden"), die "luxuriös" und eine "Oase" sein wollen (aber nie sind), die blumig riechen und mit überengagierten Verkäufern und Verkäuferinnen besetzt sind. Das ist nicht nur nervig, sondern noch dazu unehrlich.

 

Und es gibt dm. Den perfekten Mittelweg zwischen Billo-Ramsch- und Luxus-Lüge-Laden. Ich bin ja schon ein bisschen enttäuscht, dass euch noch nie aufgefallen ist, wie schön und heimelig dm-Filialen sind (von den etwas zu stark frequentierten an deutschen Bahnhöfen mal abgesehen). Die Beleuchtung ist immer angenehm, nie zu hell, nie zu schwummerig. Die Gänge sind immer breit genug. Die Regale sind immer irre gut sortiert und ordentlich, nie fliegt irgendwas auf dem Boden oder im falschen Fach herum. Nie wird irgendetwas aggressiv beworben oder sticht hervor, alles ist gleichwertig. Es ist nie zu laut.

 

Und wie es da riecht! Ein bisschen wie ein frisch gebadetes und in ein Handtuch gewickeltes Baby. Ein bisschen wie gute Seife. Ein bisschen wie der Küchenschrank, in dem man Nudeln, Reis und Nüsse lagert. Sauber eben. Aber nicht wie mit Essigreiniger geschrubbt und mit Desinfektionsmittel eingesprüht, sondern wie an einem hygienischen Ort, an dem auch gelebt wird und an dem alle, die dort leben, kerngesund sind.

 

Das ist großartig. Und diese gesunde, dabei aber bodenständige, sachliche und niemals anbiedernde Atmosphäre ist einer der Gründe, warum wir da gerne hingehen. Das ist ungefähr so, wie die eigene Mama anzurufen, wenn man krank ist, und dann sagt sie: "Ohje, du Arme!" Aber danach eben auch ganz sachlich und resolut: "Jetzt legst du dich erstmal hin, später isst und trinkst du dies und das, dann gehst du in die Apotheke und kaufst dir diese und jene Medizin, und wenn’s morgen nicht besser ist, gehst du zum Arzt." Und manchmal sagt sie wirklich auch: "Kauf dir XY – gibt’s bei dm."

 

Womit wir beim nächsten Punkt wären…

 

2. Die Auswahl

Zitat aus der obigen Frage: "Mir ist natürlich klar, dass ihr tendenziell mehr Interesse an Cremes und Kosmetik habt als wir." Selbst, wenn das stimmt, liebe Bartöl-Aftershave-Duschgel-auf-dem-was-mit-For-Men-draufsteht-Benutzer, beweist ihr mit dieser Aussage eindeutig, dass ihr das Konzept dm nicht verstanden habt. Ja, wir kaufen dort Cremes und Deo, Duschgel und Shampoo. Außerdem aber auch noch: Traubensaft, Strumpfhosen, Einlegesohlen für die Winterschuhe, Waschmittel, Putzmittel, Schwämme, Toilettenpapier, Hustenbonbons, Fruchtriegel, Batterien, Pflaster, Kondome, Zinksalbe, Kaugummi, Erkältungskapseln, Tee, Haushaltsgummis, Schokolade, Nudeln und Pesto. Gelegentlich auch Müsli und in Notfällen sogar Kontaktlinsen.

 

Kurz gesagt: Eigentlich gibt es da alles, was man zum Leben so braucht, außer technischen Geräten oder frischen Nahrungsmitteln – wobei man je nach Filiale sogar Milch, Joghurt, Käse und Butter dort kriegt. Düfte man ein Jahr lang nur bei dm einkaufen, man würde so was von überleben (gegen Skorbut gibt’s da nämlich eine große Auswahl an Vitamin-C-Präparaten)!

 

3. Das Konzept

Ja, auch dm wurde in der Vergangenheit kritisiert. Es gab da den Fall mit den palmölhaltigen Produkten, die man dort bekommt, und hinter denen große und ausbeuterische Palmölkonzerne stecken. Und den mit der Produktion von Textilien unter schlechten Bedingungen in Bangladesch. Und das ist für ein Unternehmen, das sich rühmt, fair zu sein, nicht gut.

 

Aber dm macht eben auch einiges richtig. Im Unternehmenskonzept des Gründers Götz W. Werner geht es angeblich vor allem um ein gutes Arbeitsklima. Die Mitarbeiter sollen einander vertrauen, ihre Kreativität einsetzen und sich persönlich entwickeln können und außerdem fair bezahlt werden. Werner setzt sich seit etlichen Jahren für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein und statt seinen sieben Kindern sein riesiges Vermögen zu vererben (in der Rangliste der reichsten Deutschen belegt er Platz 109) hat er seine Unternehmensanteile in eine gemeinnützige Stiftung überführt. Weil die Kinder selbst bestimmen sollen, was sie machen und womit sie Geld verdienen wollen.

 

So ganz grundsätzlich klingen die Ideen des Menschen, der diese Ladenkette erfunden hat, und klingt das, was diese Ladenkette will, also echt gut. Klar, bestimmt ist nicht jeder dm-Mitarbeiter glücklich und bestimmt läuft auch einiges schief. Aber in einer Welt, in der es eh schon schwer genug ist, irgendwo – zumal bei einer großen Kette! – einzukaufen, ohne damit irgendwas oder irgendwen zu unterstützen, das oder der jemand anderem schadet, ist dieser Laden meines Wissens immer noch eine sehr gute Wahl.

 

Darum zum Schluss noch folgender Vorschlag, liebe Jungs: Wenn bald die neue Filiale in Verlagshochhaus-Nähe aufmacht und wir da in der Mittagspause eh abhängen, könnt ihr ja mal vorbeikommen, wenn ihr eure Leberkas-Semmel gegessen habt. Dann kaufen wir euch Schokolade zum Nachtisch und Kaugummis gegen den Mundgeruch und helfen euch dabei, in den dm-Spirit hineinzufinden. Deal?

 

Eure Drogerie-Mädchen

Was sich die Jungs sonst noch so fragen: 

  • teilen
  • schließen