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Jungs, warum steht ihr auf dicke Karren und Sportwagen?

Illustration: Lucia Götz

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Die Mädchenfrage:

Liebe Jungs,

dass Mädchen Barbies und Jungs Autos mögen ist zum Glück ein lange überholtes Klischee. Wir leben in einer Welt voller weiblicher Rennfahrerinnen; Frauen in den Vorständen von BMW und Mercedes sind zwar immer noch nicht der Regelfall, aber kamen zumindest schon mal vor. Und auch die Zeiten, in denen eine Frau auf dem Fahrersitz sich dämliche Witze über Einparkkünste und das Vertauschen von Kupplung und Gas anhören musste, sind zum Glück vorbei. Im Gegenteil: Wir haben das Gefühl, dass ihr es schätzt, wenn wir uns das Steuer mit euch teilen.

Bei einer Sache gibt es allerdings immer noch keine Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, und das vielleicht sogar zurecht. Es scheint mir nämlich so, dass Männer so einen gewissen, puh, wie sag ich das jetzt, Prollfaktor? bei Autos ganz gut finden. Zumindest beobachte ich häufig Männer auf der Straße, die sich aufgeregt in Kleingruppen um irgendwas herum versammelt haben. Und während ich noch denke „Oha, ein Unfall“, sehe ich bereits: Da steht einfach ein Ferrari, der genauestens inspiziert und diskutiert werden muss.

Nun spricht nichts gegen Autoliebe und vielleicht sogar auch nichts gegen ein Abo der Auto-Motor-Sport. Aber: Warum müssen es immer so dicke Karren sein? Ist euch das in Zeiten von Klimawandel, Parkplatzmangel und Feinstaubalarm nicht irgendwie... peinlich?

Ich habe ja lange gehofft, dass ihr das irgendwie ironisch meint. Dass ihr diese Dinger aufgrund übriggebliebener Pubertätsträume von Heckspoilern und tiefergelegten Golf GTIs irgendwie faszinierend findet, selbst aber nie so etwas fahren wollen würdet. Weil: Die meisten von euch kaufen ja mittlerweile Biomilch und fahren mit dem Rad zu Arbeit. Aber diese Theorie von der Ironie geriet dann doch ins Wanken, als ich mir so anschaute, was mein männliches Umfeld in letzter Zeit für Autofantasien hat: Von Rennsitzen über sehr sehr viele PS bis zu SUVs, mit denen man defintiv auf einem Kreuzberger Supermarktparkplatz ein Problem hat, war da alles dabei. Und selbst wenn diese Fantasien aus finanziellen Gründen meist nicht in die Realität umgesetzt werden, würde ich mittlerweile bei jedem Sixt-Mietauto-Stand Geld darauf verwetten, dass es meistens die Typen sind, die mackermäßig nach „einem Upgrade“ fragen.

Ich meine, wenn ein Auto für euch immer noch ein Statussymbol ist, das etwas über seinen Besitzer aussagen soll – okay. Aber was zur Hölle sagt dann bitte ein Ferrari, Bentley, Maserati, Porsche oder auch nur ein getunter Opel Corsa über eure Persönlichkeit aus? Habt ihr euch darüber mal Gedanken gemacht?

Also liebe Jungs, erklärt uns doch bitte mal eure Vorliebe für dicke Karren – vielleicht finden wir dann ja auch noch Geschmack daran.

Die Jungsantwort: 

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Illustration: Katharina Bitzl

Liebe Mädchen,

 

ich fahre einen Renault Kangoo. Das ist das Auto, das in einem Werbespot von 1999 von einem Nashorn von hinten gefickt wurde, weil es so hässlich und unförmig ist wie ein Dickhäuter. Claim: Gewinnt Herzen, keine Schönheitswettbewerbe.

 

Ich wollte das meiner eigentlichen Antwort vorwegschicken, um gleich mal den Verdacht auszuräumen, dass hier jemand antwortet, für den Autos ein Statussymbol sind. Mit einem Kangoo wird man nämlich immer ausgelacht - zumindest bis irgendjemand umziehen oder zwei Bierbank-Garnituren transportieren will.

 

Trotzdem: Auch ich Kangoofahrer schaue einem Ferrari anders hinterher als einem VW Kombi, wenn er auf der Autobahn an mir vorbeifährt. Wenn ich mit dem Fahrrad an der Ampel stehe und neben mir ein Ford Mustang auf Grün wartet, lausche ich ehrfürchtig seinem Leerlauf-Gurgeln, das die Power erahnen lässt, die in diesem Motor steckt.

Damit sind wir auch schon beim ersten Grund: Autos mit großen Motoren faszinieren uns wegen ihrer Kraft. Sie haben was Mächtiges an sich, auch was Archaisches. Das spricht unsere irgendwo verborgenen Höhlenmenschen-Rezeptoren an, die den brüllenden Säbelzahntiger fürchten und den Oberhäuptling verehren, der ihn umnietet. Und diese Faszination funktioniert interessanterweise tatsächlich ziemlich unabhängig von persönlichen Interessen. Ich bin bei Weitem nicht der einzige in meinem männlichen Bekanntenkreis, der keine Ahnung hat, wie ein Motor genau funktioniert und was eigentlich Hubraum und Drehmoment sind. Aber ich finde es trotzdem geil, wenn der Mustang gurgelt.

Und ja, ich würde – wie die meisten meiner männlichen Bekannten und Freunde – so ein Auto gerne auch ab und an fahren. Weil sich das gut anfühlt und wir Jungs das schätzen – die Fähigkeit, am Autofahren Spaß zu haben, scheint bei uns generell weiter verbreitet zu sein als bei euch.

 

Mein Nashorn-Auto bringt mich überall hin und es passt alles rein. Freude am Fahren – übrigens der Claim von BMW – habe ich darin noch nie verspürt. Dieses Gefühl kenne ich vor allem aus der Zeit, in der ich Praktikant in der PR-Abteilung eines großen Autoherstellers war. Da durfte ich die Wagen, die die Autojournalisten gestetet hatten, danach zum Durchchecken ins Werk fahren. Dabei lernte ich nicht nur, dass ein abgefahrener Außenspiegel sehr teuer ist, sondern auch, wie gut es sich anfühlt, beim Beschleunigen eines Sportwagens in den Sitz gedrückt zu werden und eine Kurve doppelt so schnell nehmen zu können wie mit einem Nashorn-Auto.

 

Du siehst: Mit Liebe zum Prolligen hat das alles nicht so viel zu tun. Ich glaube, dass die meisten von uns klassische Proll-Autos, also zum Beispiel den von dir erwähnten getunten Opel-Corsa, eher anschauen, weil sie ihn ein bisschen lächerlich finden – so wie einen übertrieben aufgepumpten Bodybuilder, so rein ästhetisch betrachtet liegen da ja dieselben Fehler vor.

 

Ach, und wenn wir schon bei Ästhetik sind, jetzt der letzte Punkt meiner Antwort: Ich finde es etwas seltsam, dass die Betrachtung eines Ferraris dich automatisch auf Proll-Attitüde schließen lässt. Die Gleichung Sportwageninteresse ist gleich Ego-Problem ist doch auch ein bisschen sehr einseitig, findest du nicht? Solche Autos sind doch -  ganz objektiv betrachtet -  einfach schöner anzuschauen als ein Opel Kombi oder ein City Bike mit Kinderanhänger und Fähnchen dran. Nicht umsonst stehen in Design-Museen wie der Pinakothek der Moderne auch Porsches und BMWs.

 

Brumm, Brumm,

 

Eure Jungs.

 

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