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Jungs, warum tut ihr so, als wärt ihr Arschlöcher?

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Die Mädchenfrage:

Liebe Jungs,  

mir ist da etwas aufgefallen letztens. Aus einer eher persönlichen Szene heraus. Es gibt da jemanden, den ich sehr mag und den ich treffe. Ich würde ihn nicht meinen Eltern vorstellen, aber immerhin kenne ich seine Schuhgröße und seinen Lieblingswein. Und manchmal gibt es tatsächlich sehr schöne Momente zwischen uns.  

Letztens also war da wieder so ein Moment – mit Blickkontakt und Ineinanderatmen und Haare-aus-der-Stirn-streichen – und er sagte mit beängstigender Ernsthaftigkeit etwas wie: “Irgendwann werd’ ich dir wehtun. Ich bin ein Arschloch, weißt du.”  

 

Badumm. Zum Verständnis, Jungs: Das ist einer, der mitten in der Nacht die Bettwäsche wechselt, weil ich nicht mag, wie die fusselt. Kein Arschloch, definitiv.   Und bevor ihr jetzt pöbelt und euch beschwert, warum ich hier skurrile Einzelfälle verallgemeinere: Ich bin nicht allein. Recherchen im Freundinnenkreishaben haben ergeben: Hat fast jede schon mal gehabt, so ein Pseudo-Arschloch.  

 

Es gibt sogar zwei Kategorien, jaha, wirklich. Die einen meinen, sie müssten ihre Umwelt in Edward-Cullen-artiger Manier vor sich selbst warnen. Und das machen sie so nachdrücklich, als seien sie tatsächlich Vampire, die in der Sonne zerfallen. Die anderen, das sind die, die mit bodenloser Selbstgefälligkeit erzählen, wie sie am Wochenende zwei schwedische Erasmus-Studentinnen aufgerissen haben. Und dass dazwischen gerade genug Zeit war, um zu Hause duschen zu gehen.  

 

Es soll Frauen geben, die auf fiese Jungs stehen. Will ich überhaupt nicht bestreiten. Stimmt absolut. Aber mit dem Arschloch-Sein und drüber reden ist das so eine Sache. Der Reiz liegt, meine ich, im Unausgesprochenen. Wer Dinge sagt wie der Mensch, den ich treffe, der entzaubert die eigene Masche. Und, was viel schlimmer ist: Die meisten Männer, die sich selbst als Arschloch bezeichnen, sind überhaupt keins.

 

Darum, Jungs, meine Frage: Warum sagt ihr solche Dinge? Und glaubt ihr euch echt selbst, wenn ihr es sagt? Wärt ihr also heimlich wirklich gerne Arschlöcher? Und wenn ja, warum? Oder wollt ihr so schon mal vorsorglich mögliche Fehler entschuldigen?

 

 

Die Jungsantwort von Jakob Biazza:

 

Hey du, weil du ja im Kleinen – bei dir – angefangen hast, mache ich das auch mal. Und tippe: Anfang zwanzig, höchstens. Eher jünger. Also der niedliche Vampirtyp, der Nachts noch die Laken wechselt. Falls er tatsächlich älter sein sollte, würde ich dir raten, mal zu schauen, ob es nicht noch andere Typen mit Schuhgröße und Lieblingswein gibt.

 

Wenn ich mit dem Alter recht habe, ist alles okay. Einigermaßen jedenfalls. In Zeiten auslaufender Postpubertät sagen wir solchen Unsinn tatsächlich noch, wollen ihn uns ganz doll unbedingt selbst glauben – und wissen tief in uns drinnen doch, dass er eben Unsinn ist. Aber das weißt du ja auch schon.

 

Du hast die Mechanismen und Gründe ja eigentlich schon genannt. Beide. Manche von uns benutzen den Satz vom Arschloch, der auch mal in den Tarnversionen „Ich bin gerade in einer komischen Phase“ oder „Irgendwie bin ich da gerade nicht ich selbst“ daherkommen kann, tatsächlich als eine Art Persilschein. Als pro-aktives Mea culpa für zu erwartende Fehltritte: Ich habe da keinen Einfluss drauf, soll das dann heißen. Ich bin halt so. Wenigstens gerade. Erwarte lieber nichts von mir. Dieser Kram. Heißt übersetzt meistens: Ich bin mir nicht sicher mit dir/der Beziehung/der Affäre.

 

Im zweiten Fall geht es ums genaue Gegenteil: Wir wollen uns interessant machen. Wir kapieren da langsam, dass ihr es manchmal ein bisschen gefährlich mögt. Ein bisschen kompliziert vielleicht auch. Habt ihr uns hier auch schon mal erzählt. Weil wir uns in diesem Alter aber meistens in dieser für alle Seiten sehr anstrengenden Zwischenphasen befinden, in der soziales Gespür langsam einsetzt, echte Souveränität aber noch sehr fern ist, tun wir das unbeholfen.

 

Wir haben schon kapiert, dass man ab und zu Distanz schaffen muss, um Nähe zu bekommen. Wir beherrschen die Kunst der Auslassung, die Kraft des Ungesagten aber noch nicht. Also nutzen wir, was wir an Arsenal haben: plumpes Aussprechen. „Ich bin voll das Arschloch.“ Boooh! Heißt übersetzt: Ich mag dich, merke aber, dass wir noch das Spiel mit Nähe und Distanz spielen müssen, mit dem man sich füreinander spannend macht. Und weil ich das noch nicht so gut kann, tölpel ich jetzt halt diesen Satz raus und hoffe, dass du mich ein bisschen verwegen findest deswegen.

 

So, und jetzt weiß ich schon, was du fragen willst: Woher weiß man, wann welcher Fall vorliegt, stimmt’s? Kann man nicht wissen. Tief drinnen weiß man’s aber komischerweise trotzdem fast immer. Glaube ich. Der Lakenwechsler jedenfalls, der klingt zumindest aus der Distanz aber doch ziemlich süß.  

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