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Jungs, erklärt uns mal eure Bierbauch-Angst!

Foto: Susann Städter / photocase.de

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Die Mädchenfrage:

Liebe Jungs,

wir sind ein bisschen überrascht: Es scheint bei euch einen Schalter zu geben, den irgendeine Geisterhand irgendwann umlegt. Meistens irgendwann zwischen 25 und 30. Danach seid ihr auf einmal sehr bedacht auf eure Figur. Auf regelmäßigen Sport und weniger regelmäßigen Bierkonsum. Ihr steht morgens früher auf, um zu joggen, trinkt während der Fastenzeit keinen Alkohol und bestellt zum Burger keine Pommes, sondern Salat. Dieses Verhalten ließ sich vorher oft gar nicht erahnen, vor allem, weil es auch bei denen unter euch zu beobachten ist, die vorher einfach immer alles in sich hineinschaufelten, was ihnen auf den Teller kam.

Uns ist dieses Verhalten nicht neu. Wir kennen es von uns. Die Fastenzeit haben wir schon mit 14 Jahren dazu genutzt, eine Weile auf Süßigkeiten zu verzichten. Ein paar Jahre später haben wir unsere kleinen Brüder beneidet, die nach dem dritten Teller Spaghetti noch eine doppelte Portion Nachtisch verdrückt haben.

Im Unisport haben wir versucht, die elegant-kraftvollen Bewegungen einer widerlich motivierten Trainerin zu imitieren. In Kursen, die „Fitness-Aerobic“, „Bodystyling für Frauen“ oder „Superfitness“ hießen. Wir haben sie alle ausprobiert. Ihr wart in diesen Kursen sehr spärlich vertreten. Beim Bodystyling natürlich gar nicht, und die wenigen Exemplare in den anderen Kursen hatten wir im Verdacht, eher wegen der Trainerin als wegen der Fitness da zu sein.

Abends habt ihr euch eine Pizza in den Ofen geschoben, habt euch eine ein paar Bier in verschiedenen Kneipen gegönnt und seid dann noch beim Dönerladen eures Vertrauens eingekehrt. Ihr habt euch da keine Gedanken gemacht – bis zu diesem mysteriösen Umkehrpunkt eben. Ihr posaunt das nicht groß heraus, aber wir merken natürlich trotzdem, dass sich etwas verändert hat.

Nun fragen wir uns, woher dieser Umschwung kommt. Warum euch Ernährung und Fitness plötzlich wichtig sind und vielleicht auch: Warum vorher nicht? Also, raus mit der Sprache: Woher kommt die plötzliche Bierbauch-Angst? Wer legt diesen Schalter um? Und warum immer irgendwann zwischen 25 und 30?

Die Jungsantwort:

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Illustration: Katharina Bitzl

Liebe Mädchen,

 

eben den Arzt meines Vertrauens befragt (#recherche): Medizinisch ist die Genese des Männerbauches noch eher ein Mysterium. Will sagen: Man weiß noch nicht erschöpfend, ob etwa auch Hormone im Spiel sind oder Evolution oder was man sich da sonst so anschaut. Das bringt uns in die glückliche Position, ohne Umschweife die Wurzeln quasi allen Übels verantwortlich machen zu können: Zivilisation und Kapitalismus!

 

Dazu gleich mehr. Erst wolltet ihr ja wissen, welche Geisterhand den Schalter beim Thema Bauch und Ernährung und Sport umlegt. Aufgepasst jetzt: Es ist der Bauch!

 

Der ist nämlich plötzlich da. Ein bisschen. Sehr dezent zunächst natürlich und unter einem auch nur ein bisschen weiteren T-Shirt nicht zu sehen. Und im Liegen eher auch nicht, was also erklärt, warum ihr den Startpunkt unserer Taillensorgen nicht mitbekommt – und wir uns noch eine Zeit lang einreden können, dass nur, weil jetzt ein im Grunde ja auch noch winziger Ring da ist, wo es früher flach war, bald eine richtige Plautze kommt.

 

Und dann schauen wir uns aber doch irgendwann ehrlich um, im Alterssegment, das fünf bis zehn Jahre über uns liegt, und sehen: nur noch Bäuche. Kleine Kugeln, die über dürren Steckerlbeinen so furchtbar deplatziert aussehen (und laut dem Kollegen, der in einer Bierlaune Gottes offenbar einen Hyperstoffwechsel geschenkt bekommen hat, ein Herzensbrecher sind). Oder natürlich gleich wuchtige Falstaff-Wampen.

 

Und da wollen wir nicht hin. Und zwar auf gar keinen Fall und das liegt vor allem daran, dass wir wissen: Sind wir erst einmal dort, kommen wir nie wieder zurück. Weil uns die Disziplin fehlen würde, einen Bauch wieder loszuwerden.

 

Und dieses Wissen kommt aus eben jenem Unterschied, den ihr auch schon beobachtet habt: Wir sind es schlicht nicht gewohnt, etwas wegen unserer Figur tun zu müssen, weil wir – hier kommen wir jetzt in den Theorieteil, den die Wissenschaft wohl nicht mehr vorbehaltlos teilen würde – immer etwas dafür getan haben:

 

Während ihr nämlich auf Süßigkeiten verzichtet und irgendeinen Sport mit „Shape“, „Styling“ oder „Aerobic“ im Namen betrieben habt, waren wir auf irgendeiner Badesee-Wiese und haben Fußball gespielt. Hingekommen sind wir da mit dem Fahrrad und dabei wollten wir wahrscheinlich irgendwann schneller sein als die anderen Jungs. Also Wettrennen. Und dann im See Wettschwimmen. Und dann Wetttauchen. Und dann andere Rangeleien. Stundenlang. Und dann wieder zurück.

 

Wahrscheinlich haben wir in dieser Zeit sogar noch irgendeinen Sport im Verein gemacht, auch einfach nur so, zum Spaß. Und die härteren Hunde unter uns konnten bei alldem vielleicht sogar trotzdem noch ne Schachtel am Tag rauchen. Was in Summe eben einen Stoffwechsel ergibt, der mit einer Pizza und ein paar Bier am Abend klarkommt.

Und dann kommen aber Zivilisation und Kapitalismus. Und die raten uns zu geregelten Arbeitszeiten und Autos. Zu Karrierestrebertum und Pärchenabendessen. Statt Rangeln und Radeln und Kicken und Tauchen gibt es dann also zum ersten Mal viel Sitzen und Stress und geregelte Mittagessenzeiten und langweiligeres Abendprogramm mit Vorspeisen (!).

 

Und dann also diesen ersten kleinen Ring oberhalb der Gürtellinie, den wir, wenn wir ihn uns denn dann eingestanden haben, frühzeitig bekämpfen wollen. Und „bekämpfen“ ist da keine zufällige Wortwahl, weil sich das leider auch rhetorisch alles umdeutet. Bewegung, die früher natürlicher, leichter, fröhlicher Teil des ganz normalen Lebens und Selbstverständnisses war, heißt dann plötzlich „Sport machen“ – was sich ungefähr so anfühlt, wie wenn man statt „ficken“ plötzlich „Liebe machen“ sagt (oder „den Beischlaf vollziehen“ oder so). Nach Pflichtprogramm also. Nach etwas, das man tun muss.

 

Und das tut man dann plötzlich weniger gern. Also weniger oft. Und weniger lang. Also weiterhin mehr Bauch. Also irgendwann der Zusatzweg: anders essen. Weniger. Und mit mehr Salat. Und weniger Bier. Und über all dem bekommen wir – verständlicherweise ja wohl – auch noch schlechte Laune. Und die äußern wir, laut und quengelig. Und das hört ihr. Und das alles zusammen führt dazu, dass ihr denkt, dass das plötzlich passiert. Dabei ist es ein eigentlich langer schmerzhafter Prozess. Und es würde uns bei dem übrigens sehr helfen, wenn ihr uns wenigstens gut zureden könntet – statt immer so blöd zu fragen.

 

Eure Jungs

 

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