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Jungs, habt ihr Angst vor unserer biologischen Uhr?

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Die Mädchenfrage:

Liebe Jungs, Neulich beim Abendessen, da sprachen wir drüber. Freund X und seine Freundin Y und ich und noch ein paar andere Menschen. Weil es nämlich so ist, dass Freundin Y älter ist als Freund X und gerne ein Kind hätte. Wegen Lust drauf und wegen Zeitfaktor. Freund X mag aber nicht. Wegen Angst oder wegen noch Zeit haben (wollen). Alle Variablen zusammen ergeben: ein Dilemma. Denn Kinderkriegen ist ja, zumindest in unserem Fall, nicht nur eine Frage von Wollen oder Nicht-Wollen, sondern auch eine von Können oder Nicht-mehr-Können. Sofern ihr gesund seid, könnt ihr immer, früh, spät, egal (außer, eure psychologische Uhr tickt und zwingt euch, zu einem bestimmten Zeitpunkt Vater zu werden).

Was also passiert, wenn ihr mit unserer biologischen Uhr konfrontiert werdet? Ungewöhnlich ist das ja sicher nicht. Wenn ein Paar oder der gebärfähige und noch dazu -freudige Part des Paars in ein bestimmtes Alter kommt, dann stellt sie sich unweigerlich, die Kinderfrage. Wollen wir oder wollen wir nicht oder noch viel eher: Will ich mit dir und willst du mit mir? Das hat natürlich schon zu einer Menge glücklicher Familien geführt aber eben auch schon zu Trennungen und dann verzweifelt nach möglichen Vätern suchenden und "Zur Hölle, gings doch alleine ein bisschen einfacher!"- rufenden Frauen. Oder zur Verhandlung kompliziert-moralischer Fragen wie: Wenn die Frau ein Kind will und nicht mehr viel Zeit hat, der Mann will aber keines muss er dann sie verlassen, weil das nur fair wäre? Oder sie ihn, weil ist ja ihr Bier?

Ihr seht schon, ganz schön verzwicktes Thema, wenn man mal drüber nachdenkt. Und wir fragen uns darum: Denkt ihr deswegen gar nicht erst drüber nach? Wir werden dazu ja irgendwann von unseren Körpern und unseren Gynäkologen (Sie sollten eigentlich jetzt, wenn sie wollen, besser wirds nicht mehr...) gezwungen. Aber ihr? Maximal von uns, wie im Falle von Freund X und Freundin Y. Oder ist er bei denen von euch, die sehr arg lieben, aber sich das Vatersein grade noch nicht vorstellen können, doch vorher schon da, der Gedanke: Mist, meine Freundin / die Frau, die ich date, wird irgendwann Mitte 30 sein / ist bald Mitte 30?

Kriegt ihr dann Angst? Fühlt euch in die Ecke gedrängt, weil eine so große Lebensentscheidung von einem fremden Körper bestimmt wird? Und was macht das mit euch, wenn wir euch dann ganz in echt unsere biologische Uhr ans Ohr halten und ihr hört, wie sie tickeditacktack macht?

Die Jungsantwort von Jakob Biazza:

Liebe Mädchen,

Captain Hook! Der Kollege hat gesagt, es muss mit Captain Hook losgehen. Genauer mit dem Krokodil, das Hooks Hand gefressen hat. Und wisst ihr was? Er hat recht damit, der Kollege.

Tatsächlich erscheint mir das Krokodil bei reiflicher Überlegung sogar wie eine einzige große, aber bislang verkannte Metapher auf die biologische Uhr. Es hat ja schließlich nicht nur die Hand des Captains gefressen, sondern hintennach auch noch einen Wecker. Und der Wecker ticktackticktack warnt den Captain (aus dem Bauch heraus!) akustisch stets vor dem nahenden Viech, das, auf den Geschmack gekommen, auch den restlichen Piraten noch snacken möchte. Resultat: Chronomentrophobie! Hook entwickelt eine peinigende Angst vor tickenden Uhren.

Und jetzt passt auf: Wer ist der große Antagonist von Captain Hook? Genau, Peter Pan. Das ewige Kind! Damit wäre ja quasi alles gesagt, wenn Hook nicht gleichzeitig auch ein etwas verdörrter, griesgrämiger Fiesbolzen wäre. Und einsam. Sehr einsam. Viele von uns sind nicht so. Will sagen: Das Bild vom altersgeil herumstenzenden Typen, der das hysterisch tickende Weib auf der Couch versauern lässt, das ist schon sehr Achtzigerjahre. Sind wir weiter. Wir wollen ja auch manchmal Kinder. Und manchmal ja auch vor euch. Die Hoffnung wäre, dass wir damit schon mal weit genug von den tumbsten Klischees weg sind.

Denn es gibt zwei Faktoren, die uns doch etwas an Hook heranrücken. Man kann beide theoretisch sehr unideologisch diskutieren. Aber es kann wohl auch viel schief gehen dabei. Der erste, der grundlegende Faktor fußt nämlich auf dem Ausspruch Das hat die Natur so gewollt.

Der Satz wurde leider schon zu oft von dummen Schweinen benutzt, um Homosexualität, Verhütung oder das Wahlrecht für Frauen zu verhindern. Wer sich aber mal mit Frauen unterhalten hat, bei denen es tickt, der merkt, dass da schon tatsächlich Kräfte am Werk sein können, die eine gewisse Urgewalt entwickeln. Irgendeine Natur hat da irgendwas eingerichtet. Glaube ich. Und zwar etwas einseitig. Ich habe zumindest noch sehr selten gehört, dass das bei Männern auch nur annähernd dieselbe Vehemenz bekommt. Wenn wir uns also vor eurer Uhr fürchten, dann fürchten wir damit auch und vor allem Gefühle, die wir nie aktiv erleben. Es ist die Angst vor dem Unbekannten.

 

Der zweite, direkt daran anknüpfende Faktor ist die (vielleicht auch natürliche?) Scheu des Menschen vor sich verengenden Räumen egal, ob das tatsächlich Platz meint, oder Zeiträume, die sich verkürzen. Wer im Halbschlaf gesehen hat, dass der Wecker in ein paar Minuten läutet, schläft nicht mehr so entspannt, wie wenn er noch viele Stunden auf der Uhr hat. So viel vielleicht mal zur Metapher.

 

Denn ganz konkret läuft das alles natürlich einfach auf ein Gefühl von Kontrollverlust hinaus. Es kann passieren, dass uns etwas eine Entscheidung aufzwingt, auf das wir keinen Einfluss haben. So, und jetzt kommts aber. Weil wir nicht mehr in den Achtzigern leben und ab 15 Uhr Whisky in Tumblern schwenken, wissen wir, dass das für euch ja eigentlich genauso gilt. Fast. Bei euch ist es halt der eigene Körper, der euch das aufzwingt. Aber einen sehr großen Unterschied macht das ja eigentlich eben nicht.

 

Und damit, und das finde ich gerade ein sehr versöhnliches Fazit, ist das eigentlich gar keine Genderdiskussion. Sondern eine biologische. Die Natur verlangt da ihr Recht. Und wir alle müssen drauf reagieren. Müssen Kompromisse finden, zurückstecken oder uns trennen. Glaube übrigens nicht, dass das dann zu einer moralischen Frage werden muss. Ich hoffe es jedenfalls. Ist ja so auch schon schwer genug das alles.

 

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