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Jungs, warum pfuscht ihr lieber, als einen Handwerker zu rufen?

Foto: spacejunkie / photocase.com; Illustration: Federico Delfrati

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Liebe Jungs,

damit eines direkt klar ist: Es ist völlig okay, handwerklich unbegabt zu sein. Wirklich. Also klar, im Fall eines Kometeneinschlags auf der Erde, der sämtliche Häuser zerstört, braucht man vermutlich dringender einen Handwerker als einen Instagram-Influencer an seiner Seite. Aber damit uns die nicht ausgehen, hat die Handwerkskammer in Deutschland ja dankenswerterweise in den vergangenen Jahren große Kampagnen gefahren.

Was dann auch direkt zur Problemstellung überleitet: Es gibt in Deutschland Handwerker. Gute und nicht so gute, teure und billige, professionelle und hobbymäßige. Auf jeden Fall jede Menge Menschen, die man anrufen kann, wenn man eine Lampe montieren, eine Gardinenstange in vier Meter Höhe anbringen oder einen neuen Küchenschrank auf 70 Zentimeter quetschen will. Und es gibt euch, die – wenn wir ganz ehrlich sind – das in 90 Prozent der Fälle alles nicht so gut können.

Die keine Ahnung haben, wie man eine Stromleitung in der Wand findet oder welches der passende Bohrmaschinenaufsatz für ein Loch in dieser extrem maroden Altbauwand ist. Und ja, auch Ikea-Küchenschränke sind meistens nicht euer Spezialgebiet. Obwohl ihr das alles wisst und es auch keine Schande ist, wollt ihr handwerkliche Arbeiten trotzdem immer selbst machen. Ihr sagt nie „Ich rufe mal eben den Herbert/die Steffi an, die machen uns das.”

Nein, in der Zeit, in der wir diesen Satz ausgesprochen hätten, habt ihr schon zur Bohrmaschine gegriffen und wundert euch, warum es auf einmal so komisch aus der Wand bröselt. Im besten Fall vertuscht ihr danach eure völlig missratene Aktion, in dem ihr den viel zu lockeren Dübel mit ein paar Streichhölzern fixiert. „Hält doch.”

Und das verstehen wir alles nicht. Also klar: Man will sich nicht immer einen Handwerker leisten, aber einen deutlich begabteren Menschen um Hilfe zu bitten, sollte ja kein Problem sein, oder? Aber ihr wollt es lieber selber machen, ergo: pfuschen und im schlimmsten Fall den Handwerker danach holen.

Warum seid ihr mit handwerklichen Sachen so seltsam? Habt ihr da eine Ehre, die wir nicht verstehen? Die besagt, dass ein Mann die Höhle in Schuss halten muss? Oder macht es euch vielleicht sogar Spaß zu pfuschen? Habt ihr eine uns unbekannte Lust am Chaos, die dann ausbricht?

Jungs, was ist das mit euch und dem Handwerk?

Eure Mädchen

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Illustration: Katharina Bitzl

Die Jungsantwort:

Liebe Mädchen, 

zuallererst: ich habe gestern eine Stromleitung angebohrt und deswegen nun – puff! – vier funktionierende Steckdosen weniger in der Wohnung.  Aber: Ich habe vier Regalbretter bombenfest in die Wand gejagt, da stehen jetzt Töpfe drauf. Und Teller. Und dreißig Bowlingkugeln und zwei Konzertflügel! Und möglich gemacht habe das allein ich! Wer braucht da bitte Steckdosen?

Ich glaube, ihr könnt die tiefe Befriedigung, die von einer solchen Leistung ausgeht, durchaus nachvollziehen. Der Drang, Dinge zu erschaffen ist doch absolut selbsterklärend, geschlechterübergreifend und trotz der um sich greifenden Dienstleistungs-Gaganess weiterhin der Urtrieb allen menschlichen Handelns. Oder täusche ich mich da?

Klar setzt der Handwerker die perfekteren Dübel, zieht der Gärtner die besseren Tomaten hoch, macht der Vier-Sterne-Koch das krossere Schnitzel. Aber warum gleich alles an andere abgeben? Wollt ihr das? Immer? Regungslos auf der Couch sitzen und Leute rumscheuchen?  Sachen selbermachen ist doch eigentlich ganz hip gerade. Warum vor einem Schlagbohrer zurückschrecken?

Was man allerdings durchaus erklären muss, und hier wird es dann vielleicht doch irgendwie speziell jungshaft, ist diese Husch-Husch-Pfuscherei, die nicht nur Handwerker, sondern auch Bedienungsanleitungen, eine kurze Nachfrage bei erfahrenen Menschen oder auch nur die kurze Googlesuche „Steinbohrer Holzbohrer Unterschied” kategorisch ausschließt.

„Dattmuttjetzt!!!”

Dieses Vorgehen – das muss ich zugeben – ist zumindest teilweise irrational, in seltenen Fällen auch mal lebensgefährlich. Wer schon mal ein Stück Putz von der Größe des Saarlandes aus der Wand gebrochen oder das ganze Mietshaus vom Stromnetz entkoppelt hat, empfindet durchaus Reue. Aber irgendetwas treibt uns an, Dinge die vor uns liegen, seien es Regale, Waschmaschinen oder eine Kreissäge, sofort aufzubauen, einzuschalten, festzubohren. Hier greift eine „Dattmuttjetzt!!!”-plärrende Mischung aus Ungeduld und mangelndem Respekt vor dem Wert des Objekts und/oder unserer eigenen Unversehrtheit, die uns hin und wieder um die Ohren fliegt.

Aber eben nicht oft genug. In den meisten Fällen geht die Sache nämlich doch irgendwie gut, wenn auch nur mit ein paar Streichhölzern.

Und die von euch skizzierte Alternative namens Handwerker ist mit „mal kurz den Herbert/die Steffi anrufen” eben meist überhaupt nicht getan. Die können nämlich erst nächste Woche um halb 7 morgens und kosten mehr als zwei Konzertflügel. Und die verdammte Gardinenstange steht nun mal genau jetzt vor uns und könnte in nullkommanix husch pfusch und für umme an die Wand geballert werden.

Und, zu guter Letzt: Ja, es fühlt sich nun mal auch beschissen an, wenn die Rationalität siegt und der Handwerker in zwei Minuten seine vier Schräubchen in die Wand dreht, während wir in einer zutiefst erniedrigenden „kann man was helfen, nee oder?”-Position danebenstehen müssen. Das Gefühl ist schlimmer als jeder Kabelbrand, behaupte ich jetzt mal.

Da fällt mir ungelogen ein: Ich sollte mal checken, ob ich nach meinem Bohrunfall überhaupt die Sicherung rausgedreht habe. Aber wird schon passen, hält ja.

Eure Jungs

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