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Mein Leben nach dem Polaroid. Heute mit Elena, Claudio und Julia

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Julia, 33 Also, wenn ich ganz ehrlich bin, konnte ich mich nicht mehr wirklich erinnern. Als Du mir das Polaroid noch mal per Email geschickt hast, ist die Erinnerung aber wieder so langsam zurückgekehrt. Ich fand es damals nämlich eine sehr originelle Idee, Leute zu fotografieren und Email und Geburtstag auf das Polaroid zu schreiben. Da hat man das Allerwichtigste beisammen und es ist besser als irgendwelche Papierschnipsel. Da kann es viel leichter passieren, dass man so einen alten Schnipsel in der Hand hält und sich frägt: Wer war das denn noch mal? Ich glaube ich muss 31 gewesen sein. Gearbeitet habe ich zu der Zeit bei einer Bildagentur und da ich immer so tolle Bilder in meinen Händen hielt, ist der Wunsch immer größer geworden auch solche Bilder zu produzieren. Gerade zu dem Zeitpunkt des Polaroids hatte ich meinen ersten wichtigen Foto-Auftrag. Du hast mir beim Fotografieren assistiert und wir haben während eines gemütlichen Frühstücks den Ablauf des Fotoshootings besprochen. Es war bei mir zu Hause. Ich hatte meine kleine Wohnung gerade eingerichtet - im Übrigen auch die Erste, in der ich mich so richtig wohl gefühlt habe. Sie war in einem kleinen Häuschen in einem Hinterhof direkt unterm Dach mit weissem Holzboden. Die Wohnung hatte auf jeden Fall Charakter. Seitdem ist eine ganze Menge passiert. Ich habe mich als Fotografin selbstständig gemacht - ein Schritt, für den ich sehr viel Mut aufgebracht habe und den ich bisher keinen Tag bereut habe. Und nur ein kleines bisschen später habe ich meinen Freund auf einer Party kennengelernt und bin immer noch sehr glücklich. Irgendwie hat er es geschafft mich aus meiner geliebten Wohnung, an der ich ja sehr hing, herauszulocken und ich bin im April komplett zu ihm gezogen. Auch wenn ich schon vorher meine alte Wohnung nicht mehr wahnsinnig oft benutzt habe, war es trotzdem noch einmal ein Schritt. Jetzt finde ich es einfach nur schön, ganz mit ihm zusammen zu sein. Momentan arbeite ich an einer Foto-Ausstellung zum Thema Schokolade. Seitdem ich vor kurzem in Paris war, lässt mich das Thema nicht mehr los. Ich weiß nicht, inwiefern ich mich seit dem Pola veränderte habe. Einerseits denkt man ja immer, dass man sich wahnsinnig verändert hat, aber der innere Kern ist ja noch der Gleiche, nur dass man sich in sich vielleicht gefestigter fühlt und in der Zwischenzeit viele Dinge passiert sind. Also ich glaube, dass das, was ich tue, einen großen Einfluss auf meinen Charakter hat und wie ich nach Außen wirke. Aber ich bin immer noch ich. Wenn ich darüber nachdenke, gibt es keine Zeit in meinem Leben, zu der ich zurück möchte. Ich denke, dass gerade jetzt der beste Moment ist. Das hört sich jetzt vielleicht so blöd dahin gesagt an, aber ich fände es schade, wenn die letzten guten Ereignisse noch gar nicht geschehen wären. Die Vergangenheit hat man ja schon erlebt. Wenn man sich schon anstrengt, um etwas zu erreichen, dann will man doch auch das Ergebnis davon sehen - und wenn es nicht das ist, was man sich erhofft hatte, weiss man auf jeden Fall, dass man anders an die Sache heran gehen muss.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Claudio, 26 Ich kann mich an das Polaroid erinnern, aber an die konkrete Situation nicht. Ich war circa 23 Jahre alt und habe für ein paar Wochen in Bristol an einer Schule für geistig und körperlich behinderte Kinder gearbeitet. An dieser Schule hatte ich 2002/2003 für über ein Jahr im Rahmen eines "alternative service abroad", also einer Alternative zum Zivildienst in Deutschland, gearbeitet. Ich wollte, nachdem ich nach meinem Zivildienst in Bristol für acht Monate in Guatemala gearbeitet hatte, nochmal nach England. Dort hat zu der Zeit mein Bruder Zivildienst gemacht und ich habe auch für ein paar Wochen gearbeitet und alte Freunde wiedergetroffen. Seitdem hat sich einiges entwickelt! Ist ja auch schon lange her. Ich habe zum Beispiel viel studiert, bin ein bisschen gereist, habe viel Musik gehört (ab und zu auch selbst gebastelt), habe gute Freunde kennengelernt, bin viel geklettert und hab oft lecker gekocht. Momentan studiere ich Chinesisch, Spanisch und Germanistik in Köln und bereite mich auf einen längeren Studienaufenthalt in China vor. In der Zeit dazwischen bin ich älter geworden und ich würde sagen, ich bin im Vergleich zu damals auf jeden Fall gelassener geworden in Bezug auf verschiedenste Dinge. Also: Es war damals eine schöne Zeit, aber momentan geht es mir auch gut. Habe somit nichts zu beanstanden.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Elena, 23 Ich kann mich sehr gut an das Polaroid erinnern. Als Kind wollte ich immer so eine haben, aber mein Vater war dagegen, weil die Qualität der Fotos nicht so hoch war und er ist ja ein Fotograf - naja, eine Kindheitstragödie. Als das Bild entstand, war ich 22 Jahre alt, Masha und ich wir waren bei dir in der Wohnung in Moskau beim Kochen. Es war der 24. Dezember und in Deutschland wurde Weihnachten gefeiert. Wir sind zu dir gekommen, um einen netten Abend zu haben und vielleicht ein bisschen mit dir Weihnachten zu feiern. - Heute wohne ich immer noch in Moskau. Ich mache meine Post-Graduate-Studien, recherchiere für mein Thema und habe gerade einen Artikel für die Unizeitschrift geschrieben und ein Referat für ein Stipendium gemacht. Ab und zu, wenn Messezeit ist, arbeite ich als Dolmetscherin für die Spanische Botschaft. In einer Sprachschule unterrichte ich Russisch für Ausländer. Ich habe angefangen, ein Projekt für die Kinder im Krankenhaus zu machen (wir machen Zeichentrickfilme mit ihnen). Mit meinem neuen Fahhrad flitze ich durch Moskau und für den August haben wir eine Radtour in Frankreich geplant! Erst gestern habe ich angefangen, wieder Französisch zu lernen und so könnte ich dir immer weiter erzählen. Ob ich mich geändert habe? Ich glaube nicht. Ich reise durch mein Leben - wie sollte ich dabei sehen, wie ich mich selbst verändere?

Text: evi-lemberger - Fotos: el

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