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Labour-Chef Jeremy Corbyn wird auf Glastonbury wie ein Rockstar gefeiert

Foto: dpa / Yui Mok

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Politiker und Festivalbesucher sind eine Kombination, die selten gut geht. Weil die meisten Besucher dort eben doch wegen der Musik sind und nicht, um von schmierigen Anzugträgern über die Vorzüge der neuen Rentenreform aufgeklärt zu werden. Deutsche Politiker haben das soweit verinnerlicht, dass sie sich nur selten auf Festivals blicken lassen, die Festspiele in Bayreuth sind da gerade noch so das höchste der Gefühle.

Umso erstaunlicher ist es, was vergangenes Wochenende im englischen Glastonbury passierte: Auf dem berühmten Festival trat der Labour-Politiker Jeremy Corbyn auf und hielt eine Rede. Ja, jener Jeremy Corbyn,  den seine eigene Partei 2016 noch loswerden wollte und der von den Medien auch mal als Mr. Corbean in Anspielung auf Mr. Bean verspottet wurde, wirkte er doch ähnlich knautschig.  Doch anstatt, dass dieser 68-jährige Politiker mit Tomaten oder schlimmerem vom Publikum beworfen wurde, wurde er gefeiert. Wie ein Rockstar. 

So kann man in dem Clip vom Glastonbury hören, wie Corbyn sich insbesondere an die jungen Leute wendet: Unter Applaus und Jubelrufen erzählt er, dass diese bei der vergangene Wahl die Schnauze voll gehabt hätten. Voll davon, dass ihnen ständig gesagt werden würde, sie würden eh nicht zählen, sich nicht genügend engagieren und am Ende sei es eh unausweichlich, dass sie mehr zahlen müssten um von allem weniger zu bekommen, als die Generationen vor ihnen.

Und hier setzt nun Corbyns sehr clevere Rhetorik ein: Diese jungen Leute, also ein Großteil des vor ihm stehenden Publikums, hätte bei der vergangenen Unterhauswahl allen gezeigt, wie Unrecht sie mit ihren Vorwürfen gehabt hätten. Sie seien aufgestanden und hätten sich engagiert. Dafür bekommt er vom Publikum natürlich jede Menge Applaus - hatten doch tatsächlich bei besagter Wahl 63 Prozent der jungen Wähler zwischen 18 und 34 Jahren für Labour gestimmt, auch wird Corbyn zugesagt, viele junge Menschen überhaupt erst zum Wählen mobilisiert zu haben. Am Ende hat Labour trotzdem verloren.

Natürlich sind die bei Corbyns Auftritt auf dem Glastonbury entstandenen Bilder inszeniert - insbesondere die Tatsache, dass er im Anschluss an seine Rede noch Bier ausschenkte, wirkt doch sehr kalkuliert . Trotzdem kann man aus seinem Auftritt etwas lernen: nämlich, dass es sich auszahlt, auch an junge Wähler zu denken und sie direkt dort zu adressieren, wo sie sind - und sei es auf einem Festival. Die, wenn auch angeknackste, Wahlsiegerin Theresa May wurde auf dem Glastonbury hingegen in ihrer Abwesenheit mit Buhrufen und eher unfreundlichen Transparenten bedacht. Wäre sie persönlich vorbeikommen, wäre das Publikum wohl wenig erfreut gewesen.

chha

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