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"Die Linken sind Heuchler"

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37 Prozent der 18- bis 29-jährigen Amerikaner und Amerikanerinnen  haben Donald Trump gewählt. Warum haben sie sich für ihn entschieden? Was erwarten sie jetzt von ihm? Und wie beruhigen sie diejenigen, die jetzt gerade so viel Angst davor haben, dass Trump dem Land schaden und das gesellschaftliche Klima vergiften wird? Das haben wir  drei junge Trump-Wähler und -Wählerinnen gefragt.

Benjamin Sweetwood, 27, aus New Jersey, hat an der Columbia University New York Politikwissenschaft studiert und arbeitet für eine pro-israelische Lobby-Organisation

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"Ich habe immer gehofft, dass Trump gewinnen würde, aber ein bisschen überrascht war ich Dienstagnacht schon – ich hätte nicht gedacht, dass er Wisconsin, Michigan und sogar Pennsylvania gewinnt. Allerdings ist jetzt noch nicht die Zeit, das zu feiern. Die kommt erst, wenn er seine politischen Ziele umsetzt und unser Land dadurch besser wird.

In seiner Siegesrede – die ich übrigens sehr gut und demütig fand – hat er eines dieser Ziele genannt: dass er die Probleme in unseren verfallenen und verarmten Innenstädten angehen will. Das war eine sehr wichtige Botschaft! Alle Politiker, die in unserem Land ein Amt antreten, egal ob Präsidenten oder Bürgermeister, scheitern daran, in den Innenstädte, in denen vor allem schwarze Communities leben, für Ordnung zu sorgen. Hoffentlich wird Trump das hinkriegen und die Menschen selbst in den Prozess mit einschließen – anders als Bush oder Obama.

Eine andere wichtige, aber schwere Aufgabe, die Trump jetzt vor sich hat: Er muss die polarisierte Wählerschaft wieder zusammenführen. Ich glaube, dass er diese vereinende Kraft sein kann. Die etwas moderateren Demokraten und Linken sagen jetzt ja schon: „Wir müssen ihm eine Chance geben, sich als Präsident zu beweisen.“ Klar, vom ganz linken Flügel gab es nach seinem Sieg Proteste und Ausschreitungen, aber das passt zur generellen Heuchelei dieser Leute – stell dir vor, was die gesagt hätten, wenn Hilary gewonnen hätte und Trump-Unterstützer protestiert hätten, weil sie das Ergebnis nicht akzeptieren… Das ist übrigens auch ein Grund, warum ich Trump gewählt habe: Ich bin gegen Political Correctness.

Natürlich kann es auch sein, dass Trump als Präsident scheitert. Ich habe nie gedacht, dass er der Retter der Welt ist. Und wenn er Fehler macht, dann werde ihn dafür kritisieren. Ich kritisiere ihn ja auch für Fehler, die er in seiner Kampagne gemacht hat. Er hat zum Beispiel gesagt, dass die Mexikaner, die in dieses Land kommen, Vergewaltiger sind. In diesem Punkt hat er viel zu stark generalisiert und hätte spezifischer sein müssen. Ich denke, er bezog sich auf Straftaten durch illegale Immigranten, die ja auch wirklich ein Problem sind. Vielleicht nicht in New York, aber zum Beispiel in Los Angeles oder in Florida. Und ich halte ihm zugute, dass seine Botschaft und sein Programm sich im Laufe der Kampagne weiterentwickelt haben.

Und was das „Pussygate-Video“ aus dem Bus angeht: Kommentare wie die, die er da gemacht hat, habe ich in meinem Leben schon oft gehört, sie sind entsetzlich und erbärmlich, und ich will sie nie wieder hören müssen! Aber: Ich werde nicht gegen Trump stimmen oder weniger Vertrauen in ihn setzen, weil er böse Sachen sagt. Denn für mich wiegt es zum Beispiel schwerer, dass Clinton über den Missbrauch und die Diskriminierung von Frauen oder auch von Homosexuellen im Nahen Osten geschwiegen hat. Trump hingegen hat darüber gesprochen und zum Beispiel Saudi-Arabien scharf kritisiert. Es gibt einige islamische Länder, in denen jemand dafür hingerichtet werden kann, dass er schwul ist – und ich will, dass sich darum gekümmert und das geändert wird, bevor wir uns darum kümmern, dass Trump irgendwelche fiesen Sachen gesagt hat. Und ja, falls rauskommen sollte, dass er tatsächlich selbst mal eine Frau sexuell belästigt hat, dann werde auch ich gegen ihn protestieren.

Die Angst, die viele jetzt vor Trump haben, ist irrational. Ich sehe es so: Wir sind alle Amerikaner, wir müssen zusammenhalten und wir müssen Trump jetzt einfach eine Chance geben. Sollte er politisch wirklich etwas umsetzen, das bestimmte Menschen oder Gruppen bedroht oder gefährdet, dann müssen wir wieder genauso zusammenstehen und ihn in vier Jahren aus dem Amt entfernen. Diese Möglichkeit ist doch das Großartige an unserem demokratischen System!"

 

 

Kylie Johnson, 21, kommt aus Kalifornien und studiert Geschichte an der University of Nevada, Las Vegas 

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Foto: privat

"Ich bin total begeistert, dass Trump wirklich gewählt wurde! In der Wahlnacht war ich sehr aufgeregt. Ich bin bis zur offiziellen Verkündung des Ergebnisses wachgeblieben und habe abwechselnd vier verschiedene Nachrichtensender angeschaut, um ganz sicher zu gehen, dass die Ergebnisse auch wirklich stimmen.

 

Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, hatte ich drei verpasste Anrufe und fünfzehn Nachrichten auf dem Handy, weil alle meine Freunde, die auch Trump gewählt haben, so begeistert und glücklich waren! Sein Sieg hat ihnen Mut gemacht, dass unser Land jetzt besser wird. Meine beste Freundin hat allerdings sehr stark zu Clinton gehalten. Auch sie hat mich am nächsten Tag angerufen und gesagt: „Hoffentlich können wie alle zusammenarbeiten und dieses Land wieder zu dem machen, was es mal war.“ Das mochte ich. Das hat mir noch mehr Hoffnung gegeben.

 

Ich habe Trump vor allem aus zwei Gründen gewählt. Erstens unterstütze ich seinen Plan, das „Department of Veterans Affairs“ zu reformieren. Mein Großvater und seine Brüder waren alle beim Militär, und meine Familie hat sich schon immer stark für Veteranen engagiert. Außerdem ist ein enger Freund von mir grade in Kuwait stationiert. Trump will dafür sorgen, dass sich um die Bedürfnisse der Soldaten gekümmert wird, und zwar über rein physische Verletzungen hinaus. Er hat zum Beispiel Pläne für eine bessere Behandlung von psychischen Krankheiten und für bessere Unterbringung.

 

Zweitens finde ich gut, wie Trump mit dem Immigrationsproblem umgehen will. Ich glaube, er hat in seiner Kampagne nicht immer gut kommuniziert, wie er das meint. Aber seine Aussagen wurden auch unnötig aufgeblasen. Ja, er hat gesagt, dass er Einwanderer nicht mag – aber er meinte, dass er keine illegalen Einwanderer mag. Er will nicht, dass niemand mehr herkommt, sondern nur, dass niemand illegal herkommt und so das Gesetz bricht. Und darum will er den Prozess optimieren, der es Menschen ermöglicht, legal einzuwandern.

 

Während seiner Kampagne gab es auch immer wieder den Sexismus-Vorwurf. Aber seine Tochter  Ivanka ist eine starke Befürworterin von Frauenrechten und sie hat ihn verteidigt. Ich vertraue ihr und glaube nicht, dass sie ihn verteidigt hätte, wenn sie nicht wirklich glauben würde, dass er  auch nach Aussagen wie denen auf dem „Pussygate-Video“ immer noch in der Lage ist, ein guter Präsident zu sein.

 

Obwohl ich selbst eine Frau bin, hat mich das Video nicht getroffen. Als es rauskam, hatte er davor schon so viele fiese Sachen gesagt, dass ich damit gerechnet habe, dass er irgendwann etwas sagt oder etwas rauskommt, was er sehr bereuen wird. Ich habe mir einfach nur gedacht: „Oh, er hat wieder was gesagt? Na gut, aber seine Politik ist auf den Punkt – und er ist nicht Hillary Clinton.“

 

Ich mag Clinton nicht. Sie ist eine Opportunistin. Sie hat in ihrer Karriere mal diese und jene politischen Ziele verfolgt, und später das Gegenteil davon. Und sie ist eine Lügnerin. Wenn sie nach Dingen gefragt wird, die sie politisch gemacht oder gesagt hat, antwortet sie: „Das habe ich nie gemacht“ oder „Das habe ich nie gesagt“. Und sie hat als Außenministerin viele Fehler gemacht. Beim Anschlag in Bengasi  2012 wurde die Botschaft völlig überrannt, Amerikaner sind getötet worden – und sie hat dafür nie die Verantwortung übernommen. Damals habe ich allen Respekt vor ihr verloren, als Person und als Politikerin. Und selbst, wenn Trump auch mal gelogen hat, dann nur als Businessmann und nicht als Politiker. Seine Handlungen und was er gesagt hat, hatten darum keinen Einfluss auf das Leben von Millionen von Amerikanern.

 

In den letzten Tagen haben wir viele Proteste von Menschen gesehen, die unglücklich mit der Situation sind. Dabei hat unser Wahlsystem getan, was es tun muss: Es hat einen Präsidenten erwählt. Und wer mit ihm nicht zufrieden ist, muss aktiv werden – aber Protest wird nichts bringen. Man muss friedlich miteinander sprechen und zwar über Politik. Anstatt sich immer nur zu empören, woran anscheinend grade so viele Gefallen finden. 

 

 

 

Crystal Nickel, 33, kommt aus Blythewood, South Carolina und arbeitet als Fotografin für Feste und Hochzeiten. Auf ihre Bitte hin haben wir auf ein Bild verzichtet 

 

"Auch wenn ich stark an die Rechte jedes einzelnen Menschen glaube und sehr, sehr gerne möchte, dass unser Land seine Spaltung überwindet, musste ich das alles erst mal zur Seite legen: Ich musste jemanden wählen, von dem ich überzeugt bin, das er den Job hinbekommt. Ich hatte das Gefühl, dass sich mit Hillary Clinton nichts geändert hätte. Ich habe sehr große Hoffnung in Trump gesetzt. Und darin, dass er gemeinsam mit anderen Republikanern Dinge verändern kann. Dabei geht es mir persönlich vor allem um Obamacare  (ein Bundesgesetz, dessen Ziel es ist, einen Großteil der US-Amerikaner gesetzlich zu versichern. Obamacare und seine möglichen wirtschaftlichen Folgen sind politisch sehr umstritten; Anm. d. Red.). Von Obamacare bin ich direkt betroffen – und zwar negativ. Unsere Familienversicherung beträgt fast 800 Dollar pro Monat, obwohl die Versicherung wirklich sehr wenig abdeckt.  Ich war vergangenes Jahr ein Mal beim Arzt und zu den 800 Dollar pro Monat musste ich ihm noch 87 Dollar oben drauf bezahlen. Das kann ich mir nicht leisten. Wegen Obamacare ist der Versicherungsbeitrag meiner Versicherung gestiegen.

 

Und noch was zu unserem furchtbaren Wohlfahrtssystem: Ich kenne viel zu viele Leute, die nicht arbeiten, weil es ihnen mit den Sozialleistungen ganz hervorragend geht. Manche rechnen sich das sehr gut durch und arbeiten genau unter der Armutsgrenze, um die vollen Leistungen zu erhalten. Dieses System ist doch voller Fehler! Diese Leute hätten doch nie Zugang zu Obamacare bekommen sollen. Und das ist schlecht für diejenigen, die wirklich Hilfe brauchen.

 

Ein weiterer, völlig unpolitischer Grund für Trump ist, weswegen er sich überhaupt zur Wahl stellte. Er hat ja den ganzen Stress, das Drama und die Konflikte sicher nicht gebraucht. Er wollte Präsident werden, weil er gesehen hat, dass unser Land eine wirkliche Veränderung braucht.

Ich weiß, dass er keine politische Erfahrung hat, aber für jemanden wie mich macht ihn genau das so interessant. Er hat eben nicht diese ganzen Leute im Hintergrund, denen er Gefallen schuldig ist oder die ihn beeinflussen könnten. Außerdem weiß er, was die einfachen Leute wollen, was sie brauchen. Ich glaube auch, dass da viele Leute um ihn herum sind, wie etwa der Vizepräsident und Berater, die ihm schon helfen werden.

 

Er wurde nicht zum Präsidenten gezüchtet. Wenn ich Präsidentin werden wollte, würde man mich alle möglichen Dinge schimpfen, weil ich mir sicher bin, dass ich auch mal was Falsches sagen würde. Ich glaube, daher kommt all diese Empörung, die er mit manchen Kommentaren ausgelöst hat. Und ganz ehrlich: Selbst wenn er ein paar seiner Äußerungen wirklich ernst gemeint haben sollte, dann wird er das sicher sein lassen, sobald er vereidigt ist. Genauso wie bei jedem anderen Politiker auch. Warum? Weil Amerika niemanden unterstützt, der Menschen in ihren Persönlichkeitsrechten beschneiden will. Deswegen werden auch Homosexuelle weiter heiraten dürfen. Zumindest in Staaten, in denen sie das bislang ohnehin dürfen.

 

Und was die Problematik zwischen Schwarzen und Weißen angeht: Hillary hat nie irgendwelche Anstalten gemacht, Schwarzen in irgendeiner Form zu helfen. Davon hat sie zwar immer gesprochen, es ist aber nie etwas passiert. Deswegen wurde sie von ihnen auch nie wirklich unterstützt. Genauso sieht es bei den Hispanics aus. Und bei Frauen ganz generell. Ich glaube, keine Firma der Welt würde jemanden einstellen, der so eine Bilanz hat.  Ich bin auch traurig geworden, weil so viele Menschen Trump Respekt verwehrt haben. Aber vielleicht passiert das irgendwann noch, schließlich muss Trump sich irgendwann selbst auch respektvoller verhalten, das fordert alleine schon das Amt."

 

 

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