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HERMÈS: SCHWINDEL UM DIE WARTELISTE DER BIRKIN BAG?

Text: SvenBarthel
Die künstliche Verknappung von Luxusgütern durch limitierte Auflagen oder die zeitlich begrenzte Verfügbarkeit, ist ein beliebtes Marketingtool hipper Fashionlabel um den eigenen Marktwert kräftig anzuheizen. Ob Gucci, Louis Vuitton oder Comme des Garçons, sie alle lancieren regelmäßig Kleinserien, Sondermodelle, Special-Items und leben gut davon.



Auch das 1837 gegründete französische Lederwarenunternehmen Hermès, eigentlich auf distinguiertes Understatement ausgerichtet, scheint den Hype um seine Produkte künstlich anzufeuern. Zumindest wenn man aktuellen Berichten um die berühmt berüchtigte Warteliste für die legendäre Birkin-Bag Glauben schenken darf. So veröffentlichte das New Yorker Internetportal shefinds.com am 23.04. einen Artikel, in dem steht, dass die Kulttasche aktuell mühelos zu erlangen, weil gegenwärtig breit verfügbar, sei.



Autorin Aria Hughes bezieht sich auf Telefonate, die sie mit Verkäufern diverser Hermès Boutiquen in den USA geführt hat. Einige Filialen bestätigten ihr, sie hätten die Birkin auf Lager und man könne sie gleich abholen. Sieben Tage später, erfolgte auf shefinds.com ein schriftliches Update der Journalistin zum Sachverhalt, das die Warteliste als Mär entlarvt. Dieses Mal bezieht sich die Autorin auf einen Angehörigen des Hermès Imperiums im fernen Australien. Dieser behauptete, dass es nie eine Warteliste gegeben habe. Darüber hinaus befragte Hughes Michael Tonello, den Autor des Buches “Bringing Home The Birkin”. Dieser fahndet im Auftrag wohlhabender Taschenfetischisten weltweit nach Birkin und Kelly Modellen. Im Interview mit shefinds.com weiß Tonello folgendes zu berichten:



“Me and my associates walked into Hermes stores all over the world, dropped a couple grand on non-Birkin items, then asked for a Birkin, and we always (99% of the time) got one. Hermes knew that they could sell Birkin bags all day long, but they also knew that they had like 40,000 SKUs in the store which they wanted to sell. So, if you bought something in the store, were a ;good client,’ then they offered to sell you a Birkin. People who were put on the waiting list were people who didn’t buy anything in the store, just people who wanted a Birkin and did their actual clothes shopping over at Chanel or Prada, etc.”



Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass Tonello die Existenz der Wartelisten nicht abstreitet, sondern aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen mit der Zuteilung der Tasche, lediglich deren Sinnhaftigkeit in Frage stellt.



In einem Interview zur Markteinführung seines Buchs mit der Wochenzeitschrift STERN im Jahr 2008 bestätigte Tonello sogar das Vorhandensein der Liste:



“Die Birkin Bag ist eine der beliebtesten Handtaschen der Welt. Und ziemlich teuer: In Europa kostet die billigste mehr als 5000 Euro. Die Birkin Bag ist also nur etwas für Reiche oder Stars. Diese Leute sind es gewohnt, alles zu kriegen, was sie sich wünschen - nur die Birkin Bag nicht. Wer in einen Laden geht, muss sich auf eine Warteliste setzen lassen und ist selbst dann nicht sicher, dass er sie kriegt. Insofern ist sie das ideale Produkt: Sie ist teuer und selten.”



Die Birkin für Alle und das sofort? Wir von HYPE wollten es genauer wissen, und gingen der Sache auf den Grund: Ein Anruf bei Hermès in der Münchner Maximilianstraße bringt schnell Ernüchterung und trübt die Euphorie passionierter Bag-Addicts. Eineinhalb Jahre Wartezeit sei ja wohl das Mindeste für eine Birkin. Selbstverständlich wird das Exemplar nach den eigenen Wünschen per Hand angefertigt. Bevorzugt würde niemand. Die Hermès Dependance Frankfurt ist da schon etwas entgegenkommender. In den Farbtönen chocolat und schwarz gehe die begehrte Birkin bereits nach 3 Monaten über den Ladentisch. Am strengsten gibt sich Hermès Berlin - unter 2 Jahren Wartezeit gehe gar nichts und exotische Bestellungen -mon dieu- wie etwa Kroko- oder Straußenleder, nehme man am Kurfürstendamm ohnehin nicht mehr entgegen.



Wartezeiten bis zu einem halben Jahrzehnt und darüber hinaus?



Angesichts der aufwendigen Fertigungsprozesse aller Hermès Produkte scheint dies durchaus plausibel. So gibt es Ledersorten, bei denen allein der Gerbvorgang sechs Monate dauert. Herkömmliche Ledersorten auf dem Markt werden in 7 Tagen mit Mineralsalzen gegerbt. Die Gerbung des Hermès Barenialeder erfolgt dagegen sechs Monate lang mittels Korkrinde. Dadurch behält es seine Natürlichkeit und Weichheit.



Bleibt die Frage ob Hermès tatsächlich Kunden bei der Versorgung mit den gefragten Birkin-Bags vorzieht, die zuvor an der Carré-Theke eine ordentliche Summe springen lassen. Wir haben mit einem Hermès Mitarbeiter gesprochen, der namentlich nicht genannt werden möchte. Dieser bestätigte uns, dass in Einzelfällen, vornehmlich in Ballungsräumen, sprich Touristenhochburgen wie New York oder Nizza immer wieder mal, die eine oder andere Birkin vorrätig sei. Dabei handle es sich jedoch um Stückzahlen im einstelligen Bereich und nicht wie die Berichterstattung in der Blogospähre vergangener Tage zu diesem Thema vermuten lässt, um proppevolle Lagerräume.



Wenn Kunden eine Birkin angeboten bekämen, dann nur, wenn die vorrätige Modell nicht auf der Store-spezifischen Warteliste als Bestellung notiert ist, oder es sich um eine nicht abgeholte Bestellung handelt. Wie eine Pressesprecherin von Hermès auf unsere Anfrage hin mitteilte, hat die Finanzkrise zu einem bedächtigeren Konsumverhalten geführt, auch bei Hermès Kunden.



Fazit: Ja, es gibt Wartelisten. Eine Inflation der Birkin Bag ist nicht zu erwarten. Die Birkin Bag, mit Preisen bis zu 25.000 Euro, bleibt das prestigeträchtigste und begehrteste Must-have aller Modeliebhaber.



More fashion: http://www.hype-magazine.com


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