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Das ist: Kenneth Goldsmith, der coolste Dozent der Welt

Foto: The Washington Post / getty

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Das ist...

... Kenneth Goldsmith, zwar schon 55 Jahre alt, aber der wohl coolste Dozent der Welt. Auf dem Foto oben posiert er vor ein paar Tonnen Papier. Da wollte er gerade das Internet ausdrucken. Das ganze. Ein Kunstprojekt, mit dem der New Yorker seine "poetische Hommage" an den amerikanischen Programmierer, Aktivisten und Gründer des Nachrichtendienstes Reddit, Aaron Swartz, ausdrücken wollte. Goldsmith ist eigentlich Dichter, hat schon Workshops im Weißen Haus gegeben wo er Gedichte vortrug, die ausschließlich aus realen New Yorker Verkehrsmeldungen bestanden und hält Seminare an der Eliteuni University of Pennsylvania. Sein Thema: Zeitverschwenden im Internet. 

Der kann... 

... nicht nur offensichtlich sehr gut labern und provozieren, er kann auch Hoffnung spenden. An Millionen von Prokrastinatoren in diesem riesigen World Wide Web, von dem alle reden: Ja, online Zeit zu verschwenden kann durchaus einen Sinn haben! Das Ganze soll die Kreativität fördern. Goldsmith vermittelt, dass Surfen als bewusste Recherche, als Inspirationsquelle und Gedanken-Sortierung dient. Drei Stunden lang sollen seine Studenten jeden Donnerstag (von 13:30 bis 16:30 Uhr) nichts anderes machen, als irgendwo im Netz rumzuklicken. Sie dürfen nicht mal miteinander reden. Also, nicht in echt. Sie dürfen nur über Chats und soziale Medien kommunizieren. "Ablenkung, Multi-Tasking und zielloses Sichtreibenlassen sind Pflicht", steht in der Kursbeschreibung.

Der geht... 

... auffällig durch seinen Alltag. Gerne mal barfuß, dafür mit Hut auf dem Kopf und immer mit extravaganten, meist bunten und lustig gemusterten Anzügen. Abgesehen von seiner Erscheinuung geht er auch auffällig mit Worten um. "Als ich 1993 das erste Mal am Computer die damals noch primitiven Impulse des Internets vor mir hatte, habe ich realisiert, dass ich die ganzen Worte, die ganze Sprache, die über meinem Bildschirm strömt, einfach ausschneiden und in mein Textdokument einfügen kann. Genau in diesem Moment habe ich festgestellt, dass ich nie wieder ein Wort im traditionellen Sinne ,schreiben‘ muss, und von da an war das Schreiben nie wieder dasselbe für mich“, sagte Goldsmith der FAZ.  Deswegen hat er eine These entwickelt: Kreativität entsteht auch durch Kopieren. Als Dozent lässt er seine Studenten eine besondere Abschlussaufgabe machen. Er fordert sie auf, einen Aufsatz bei einem Ghostwriter zu kaufen, ihren Namen drunter zu schreiben und das Produkt dann als ihr eigenens zu verteidigen.  „Dadurch stellen sich neue Fragen: Was genau stehle ich da? Und warum? Was sagen meine Entscheidungen, mir genau dieses oder jenes anzueignen, über mich selbst? Waren meine Gefühle dafür verantwortlich, meine Geschichte? Oder meine Vorurteile, meine Leidenschaften? Die Selbstkritischen unter den Studenten wenden sich sofort formaler Verbesserung zu: Hätte ich besseres Material klauen können? Hätten meine Methoden, die Texte zu konstruieren, besser sein können?“

Goldsmith sagt, es gebe schon so viel Text auf der Welt und im Internet, dass rein logisch gesehen, ja gar kein ganz neuer mehr geschaffen werden könne. Das Internet funktioniere über Zusammenkopieren. "Ich gebe der Washington Post ein Interview, dann wandert es über CNN bis in die regionalen Medien, man ändert die Überschrift, sonst kopiert man. Und irgendwann heiße ich Kevin. Ich finde das toll."

Der kommt... 

... gebürtig nicht aus dem Internet, sondern aus Long Island, New York. Er war erstmal Bildhauer, ehe er Kunstschreiber wurde. Erstmal übrigens unkreativ auf einem noch höheren Level. Goldsmith hat unter anderem 2006 die Radioübertragung des längsten Baseball-Spiels der US-Profiliga transkribiert.

Wir lernen daraus... 

... dass uns das Internet trotz gegenteiliger Behauptungen nicht dümmer macht. Goldsmith glaubt fest daran, dass es sogar klüger mache. Seine Studenten sollen nach dem Seminar in der Lage sein, sich besser konzentrieren zu können. "Ablenkung ist die neue Konzentration", hat Goldsmith mal getwittert. Die 140-Zeichen-Tweets beurteilt er übrigens als richtiges Schreiben, eh klar. 

"Wir verschwenden gemeinsam Zeit im Internet, normalerweise tun wir das alleine, es ist anders, wenn wir es gemeinsam tun", sagt Goldsmith. Denn das hat er aus seinen ersten Kursen als Dozent gelernt. Die seien nämlich erstmal ein Disaster gewesen. Kreativität habe er erst feststellen können, als die Studenten Wege gefunden hatten, in Gruppen zu Zeitverschwendern zu werden. 

Nur Google weiß... 

... dass sogar Pokémon Go nach Goldsmiths Ansicht Kunst ist. "Purer Surrealismus. Wie der Ausschnitt eines Magritte-Gemäldes", sagt der Professor. Er sei begeistert von den Videos, die Menschenmassen auf der Jagd nach Pokémon im Central Park zeigen. "Sie leben ihre Träume."

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