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Wie Männer über Frauen hinter deren Rücken reden

Foto: luuuc / photocase.de

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In den vergangenen Wochen gab es weltweit eine große Diskussion um Donald Trumps sogenannte "Locker Room Talk". Für diejenigen, die diese Zeit unter einem Stein verbracht haben: In einem in der Washington Post geleakten Video hatte der US-Präsidentschaftskandidat sich mit einem Moderator darüber ausgetauscht, wie er Frauen ins Bett bekommt. Das Zitat „Grab them by the pussy“ daraus wurde besonders bekannt, da Trump offenkundig der Meinung ist, als prominenter Mann Frauen einfach zwischen die Beine fassen zu dürfen.

Soweit, so widerlich.

Trump entschuldigte sich später für seine Wortwahl mit dem Argument, dies sei halt „Locker Room Talk“ gewesen, also eine Art "Gespräch unter Männern in der Umkleide", das man nicht so ernst nehmen dürfe. Das hat mich nicht überrascht.

Was mich allerdings überrascht hat, war die Reaktion meines männlichen Umfeldes. Klar, es gab entrüstete Kommentare und dass der Mann nicht mehr Präsident werden kann (sollte er es je gekonnt haben), wurde deutlich gesagt. Aber sehr oft fiel eben auch diese Sätze: "Wir sagen sowas ja manchmal auch. Aber wir kandidieren auch nicht als US-Präsident."

Wie bitte?

Dieser Satz wurde unter anderem aus Jungsgesprächen in unserer Kolumne "Jungs-Mädchen-Frage" zitiert. Er fiel von männlichen Kollegen, Freunden, Bekannten. Wenn man dann genauer nachgefragt hat, was "sowas" denn eigentlich genau bedeuten soll, reichte die Bandbreite der Reaktionen von Abschwächungen („So krass wie Trump würden wir das ja nie sagen“), über Rechtfertigungen („Das meinen wir doch gar nicht so, nehmt doch nicht alles so ernst") bis hin zum Umdrehen der Debatte ("Dann ist ja jedes Kompliment direkt Sexismus!!!"). Und, um hier kurz für die Menschen von Kaliber drei eine Linie zu ziehen: Nein, Komplimente, auch in Abwesenheit der Komplimentierten, sind kein Sexismus. Sexismus ist es erst, wenn eine Frau durch das Gesagte zum Objekt gemacht wird. Wenn es nicht mehr darum geht, ob eine Frau schön, klug, gut in Mathe, aggressiv, klugscheißerisch oder eine miese Volleyballerin ist. Sondern ihre Bewertung nur noch aus männlicher Sicht auf einer Skala zwischen den Polen "fickbar" und "unfickbar" stattfindet. Weil Männer sich dadurch über die Frau, allein aufgrund ihres Geschlechtes, erheben und sie abwerten. Und das ist, per Definition, Sexismus.

Aber gerade diese Reaktionen, dieses Beschwichtigen, Ausweichen und Rechtfertigen, stellen meine bisherige Weltsicht stark infrage. Ich will jetzt doch genauer wissen: Wie reden Männer denn nun über Frauen in ihrer Abwesenheit? Und nicht nur diejenigen, von denen wir wissen, dass sie manchmal seltsame Ansichten haben. Sondern eben auch die Stefans, Pauls und Michaels, die Normalos. Mein Gefühl nach der Locker-Room-Debatte ist: oft nicht so wahnsinnig positiv. Und das sagt leider auch ziemlich viel über die angeblich bereits erreichte Gleichberechtigung aus.

Denn es ist doch so: Was nützt es uns, wenn Männer sich stets als Feministen der Herzen ausgeben, insgeheim aber denken, dass Männer und Frauen nicht gleichauf sind? Es am Ende eben doch nur darum geht, ob man mit einer Frau ins Bett möchte und das ihre Kernqualifikation als Mensch ist? Der Gedankengang zu "So richtig ernstnehmen muss man Frauen nicht" ist da für mich nicht mehr sehr weit entfernt. Und dass Männer sich nicht so genau dazu äußern wollen, macht noch unsicherer. Gibt es da vielleicht eine männliche Parallelwelt, in der eben "Locker Room Talk" normal ist? In der ausgesprochen wird, was alle wirklich denken? Und inwiefern wirkt sich das auf unsere gemeinsame Realität aus? Ein Sexist bleibt ja ein Sexist, auch wenn er sein sexistisches Gedankengut nur noch unter Alkohol, Emotionen in der Umkleidekabine oder beim Saufen mit diesem einen asozialen Freund aus der Schulzeit teilt. Natürlich ist die Existenz einer frauenfeindlichen Parallelwelt unter Männern eine harte Behauptung, die ich nicht beweisen kann - ich bin ja nicht dabei. Aber die Tatsache, dass kein von mir gefragter Mann so richtig dieser These widersprochen hat,  lässt Ungutes ahnen.

Ich würde für diesen Text gerne ein versöhnliches Ende finden, aber es fällt mir schwer. Vielleicht auch, weil Frauen bisher einfach kein Äquivalent zu dem männlichen "Locker Room Talk" haben. Wir lästern auch mal, reden auch darüber, wer heiß ist und wer eher nicht. Klar sprechen wir auch mal darüber, mit wem wir eher ins Bett wollen würden und mit wem auf keinen Fall. Aber so eine ganz grundsätzliche Bewertungsskala, durch die alle Männer erst mal laufen müssen? Eine ganz automatische Bewertung von Menschen nach ihrer sexuellen Nutzbarkeit? Haben wir nicht.

Vielleicht könnten Männer und Frauen wieder besser miteinander reden, wenn wir das auch einführen würden. Vielleicht würden wir dann einander wieder verstehen. Aber auf Verachtung mit Verachtung zu reagieren, hat bekanntermaßen ja noch nie ein Problem gelöst. Also kann ich vielleicht am Ende nur einen Rat geben:

Liebe Männer, die ihr manchmal so über Frauen redet  – sei es eure Freundin, die Frau an der Kasse, eure Chefin oder eure Praktikantin. Überlegt euch doch bitte zweimal, warum ihr bestimmte Aussagen eben doch nicht von Angesicht zu Angesicht, sondern nur unter Männer von euch gebt. Ob da vielleicht etwas in euren Hirnen doch noch etwas nicht ganz realisiert hat, dass Frauen mindestens genau so Menschen sind wie ihr. Und wenn ihr derartiges Verhalten bei euch feststellen solltet – schaut euch ein Video von Donald Trump an. Wollt ihr mit dem in einer Liga spielen? Oder, noch besser: Gebt mal bei Twitter #Aufschrei oder #yesallwomen ein und lest euch durch, was Frauen täglich für Erfahrungen mit eurem sexistischen Müll machen müssen. Und fragt euch danach, wie sich das für euch anfühlen würde. Denn wenn das alles nichts hilft, dann werden wir irgendwann dafür sorgen müssen, dass ihr das auch mal zu spüren bekommt.

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