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Gegen die Ächtung von Menschen mit Albinismus

Foto: Sarah Waiswa, Serie: "Stranger in a familiar land"

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Mit ihren Bildern über die soziale Ächtung von Menschen mit Albinismus schreibt Sarah Waiswa Geschichte: Als erste Künstlerin aus Sub-Sahara-Afrika erhält sie einen der renommiertesten Preise der europäischen Fotoszene. Unser Partnerblog Journ Africa! hat mit Sarah und Florence Kisombe, dem Model der Serie, gesprochen.

JournAfrica!: Sarah, für deine Serie “Stranger in a Familiar Land” wurdest du auf dem diesjährigen Fotofestivel Rencontres d’Arles mit dem renommierten Discovery Award ausgezeichnet. Wie entstand die Idee zu dem Projekt?

Sarah Waiswa: Ich las über die Grausamkeiten, denen Menschen mit Albinismus in Tansania noch heute ausgesetzt sind. Ich war völlig geschockt: Sie werden wie Aussätzige behandelt, entführt oder getötet und ihre Gliedmaßen werden häufig für rituelle Zwecke missbraucht. Ich sprach mit der Albinismus-Gesellschaft von Kenia um zu sehen, ob wir mit einem Projekt die Aufmerksamkeit für dieses Problem erhöhen können. Der Künstler Jojo Abot half mir schließlich mit dem Styling und der Regie des Shootings. Die Serie sollte anders sein als das, was man bislang zum Thema Albinismus gesehen hatte. In erster Linie jedoch sollen die Fotos den Betrachter fesseln. Viele Menschen haben ein festgefahrenes Bild davon im Kopf, wie Afrika aussieht und bitteschön präsentiert werden soll. Mit meinen Aufnahmen möchte ich zur Diskussion anregen, dabei jedoch die Würde der gezeigten Personen aufrechterhalten.

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Serie: Stranger in a familiar land

Foto: Sarah Waiswa

Wie hat die Arbeit an dem Projekt deine Sichtweise auf dem Umgang mit Albinismus in Afrika geändert?

SW: Mir wurde klar, dass ein Mangel an Bildung über bestimmte Themen schnell dazu führen kann, die Diskriminierung gegen Minderheiten zu verfestigen.

Wie lautet die Kernaussage deiner Bilderserie?

SW: Es ist den Leuten offenbar angeboren, das, was ihnen selbst fremd ist, weniger zu akzeptieren. Menschen, die in ihren Augen „anders“ sind, werden dann offen oder ganz subtil ungerecht behandelt. Wir müssen endlich hinter den Vorhang dieser Stereotype schauen, der unseren Blick allzu oft trübt.

Was denkst du, hinter diesem Vorhang zu sehen?

SW: Dass wir alle Menschen sind, ganz gleich wie unterschiedlich. Rassismus, Homophobie, Sexismus und vielen weiteren diskriminierenden Konzepten würde so die Grundlage genommen.

Florence, du lebst heute als Mensch mit Albinismus in Nairobi. Was war deine erste Reaktion, als du von Sarahs Idee gehört hast?

Florence Kisombe: Ich war begeistert, auch wenn ich schon vorher künstlerische Projekte genutzt habe, um die Probleme rund um den Umgang mit Albinismus anzusprechen.

Als Location für das Shooting habt ihr mit Nairobis Stadtteil Kibera einen der größten Slums in ganz Afrika gewählt. Warum?

SW: Der Ort ist eine Metapher für meine Sicht auf die Welt da draußen: turbulent, chaotisch und dennoch funktionsfähig. Die Lebensbedingungen dort sind erbärmlich. Dennoch finden die Bewohner einen Weg weiterzumachen und entwickeln sogar ihr eigenes Wirtschaftssystem. Die Regierung unternimmt nichts, um die Situation dort zu verbessern, ebenso wenig kämpft sie aktiv für die Beseitigung sozialer Ungerechtigkeit.

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Serie: Stranger in a familiar land

Foto: Sarah Waiswa
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Serie: Stranger in a familiar land

Foto: Sarah Waiswa
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Serie: Stranger in a familiar land

Foto: Sarah Waiswa
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Serie: Stranger in a familiar land

Foto: Sarah Waiswa
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Serie: Stranger in a familiar land

Foto: Sarah Waiswa

Serie: Stranger in a familiar land

Foto: Sarah Waiswa

Florence, wie hast du das Shooting erlebt?

FK: Es war eine tolle und sehr mitreißende Erfahrung. Die Einheimischen in Kibera waren freundlich und haben uns zugeschaut. Das wiederum hilft, die Vorurteile gegenüber Albinismus abzubauen.

 

Hast du eine Sonderbehandlung wegen deines Albinismus erlebt?

FK: Zwar hatte ich glücklicherweise eine fantastische Kindheit, da meine Eltern schon damals sehr viel über Albinismus wussten. Mit 17 Jahren kam ich jedoch auf ein Mädcheninternat weit weg von meiner Heimat und merkte das erste Mal, dass ich anders bin. Die ganze Schule sah mich als außergewöhnlich und fragil. Ich bekam ständig eine Sonderbehandlung – etwas, dass ich weder von meinen Eltern noch Freunden gewohnt war.

 

Hat sich die Situation inzwischen geändert?

FK: Kaum. Als ich vor vier Jahren mein Studium in Nairobi begann, musste ich feststellen, dass das Verhalten der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Albinismus noch immer gleich ist. Die Leute glauben weiter die alten Mythen und noch immer wird Albinismus in Kenia offiziell als Behinderung angesehen. Dies zu ändern, sehe ich als meine Aufgabe. Das war und ist kein leichter Weg, denn häufig werde ich auf der Straße wahllos beschimpft oder die Leute laufen vor mir weg, weil sie glauben, ich sei ein schlechtes Omen. 

 

Bei JournAfrica! berichteten wir zuletzt über Refilwe Modiselle  aus Südafrika. Das Model ist mit ihrem Albinismus beruflich sehr gefragt und erfolgreich.

Refilwes Geschichte ist ein Einzelfall und sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Diskriminierung gegenüber Menschen mit Albinismus noch immer stark verbreitet ist. Dennoch geht Südafrika weitaus offener und liberaler mit der Thematik um wie ja auch mit anderen gesellschaftlich wichtigen Themen, beispielsweise der gleichgeschlechtlichen Ehe.

 

Geht es um die Verfolgung von Menschen mit Albinismus, wird immer wieder von einem afrikanischen Phänomen gesprochen. Werden hier falsche Vorstellungen in die Welt getragen ?

FK: Das meiste, was in den Medien gesagt wird, ist tatsächlich wahr. Wie so oft im Umgang mit Afrika konzentrieren sich die Medien jedoch fast ausschließlich auf die negativen Aspekte, dabei gibt es zahlreiche positive Geschichten, die ebenso erzählt werden können: Noch nie war die Integration in das öffentliche Leben so groß wie heute. Menschen mit Albinismus erhalten leitende Funktionen in Firmen, werden ins Parlament gewählt und verfolgen einfach nur ihre persönlichen Träume.

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Serie: Stranger in a familiar land

Foto: Sarah Waiswa

Wie sollte Sarahs Serie den Umgang mit Albinismus in Afrika idealerweise verändern?

FK: Zunächst wäre es schön, wenn nicht länger von Albinos sondern Menschen mit Albinismus die Rede ist. Das ist schlichtweg eine Frage der Sensibilität und Menschlichkeit.

 

Eines deiner Hauptziele als Fotografin ist es, mit der Fotografie das Afrikabild zu verändern. Welches sind diesbezüglich die größten Baustellen?

SW: Über Jahrhunderte wurde die Geschichte unseres Kontinents aus der Perspektive von Fremden erzählt und oft wird Afrika ausschließlich mit Negativem assoziiert: Kinder mit Fliegen im Gesicht, Bilder von unterentwickelten, ländlichen Gebieten und sensationslüsterne Geschichten wie der Terroranschlag auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi. Es ist Zeit zu zeigen, dass es hier auch andere Geschichten zu erzählen gibt.

 

In einem früheren Interview hast du Malick Sidibé (Mali), Samuel Fosso (Kamerun), Aida Muluneh (Äthiopien) und Zanele Muholi (Südafrika) als deine fotografischen Vorbilder benannt. Was fasziniert dich an deren Bildern?

SW: Mir gefällt besonders, wie Sidibé die Jugendkultur in Mali dokumentierte und Fossos Einsatz des Selbstporträts, um damit geschichtliche Aspekte Afrikas zu kommentieren; Mulunehs zeitgenössische Kunst ist fantastisch und eine große Inspiration für mich; und wie Muholi die Fotografie als Instrument des Aktivismus einsetzte, um beispielsweise auf Missstände rund um die LGBT-Gemeinde sowie andere Probleme im Post-Apartheid-Südafrika aufmerksam zu machen, ist einzigartig.

 

Aida Muluneh war es auch, die dich für den Discovery Award in Arles vorschlug. Wie fühlte es sich an, dass eines deiner Vorbilder dir diese Auszeichnung ermöglichte?

SW: Es war eine große Ehre, von ihr nominiert zu werden und bin noch immer überwältigt, dass sie ein solches Potenzial in meiner Arbeit sieht.

 

Du beschreibst deinen eigenen Stil als visual poetry. Was genau meinst du damit?

SW: Gedichte haben häufig die Kraft, den Leser allein durch die Worte tief im Herzen zu berühren. Meine Bilder sollen genau das erreichen.

 

 

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