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Pina wehrt sich gegen Grapscher

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Pina Charlotte postet nicht oft etwas bei Facebook, zumindest nicht öffentlich einsehbar. Im gesamten Jahr 2016 teilte sie fünf Links und Fotos und bekam dafür zusammengerechnet 28 Likes. 2017  herrschte auf ihrer Pinnwand vollkommene Stille – bis zum 8. August. Da stellte sie ein Foto von sich online: Ein Sommertag, sie lehnt sich an ihr Fahrrad, vor eher unansehnlichem Hintergrund, Sonnenbrille auf dem Kopf, Jeans, T-Shirt, Kopfhörerkabel baumeln über die Schulter. Dafür bekam sie, Stand Sonntagmittag, 4600 Likes, 930 Shares und 317 Kommentare.

Pina wurde sexuell belästigt. Ein junger Typ hat ihr an den Hintern gegriffen, während sie am Fahrkartenautomat ein Ticket kaufte. Was sich davor und danach abspielte, erzählt Pina in ihrem Post. Die Überschrift:

"HEUTE IST EIN GUTER TAG.

HEUTE WURDE ICH SEXUELL BELÄSTIGT."

Eigentlich hätte Pina zwischen diese beiden Sätze natürlich ein „Obwohl“ stellen müssen; sexuelle Belästigung ist natürlich nichts, worüber sie sich freut. Aber ihr Punkt – und der Grund, warum ihr Post gerade so viel Zuspruch bekommt – ist ja auch ein anderer. Pina hat sich das Grapschen nicht gefallen lassen. Sie hat sich gewehrt. Sie hat den Mund aufgemacht und den Grapscher zurechtgewiesen – laut und bestimmt.

Dafür wiederum bekam sie von anderen Passanten und Fahrgästen – Frauen und Männern – sofort Anerkennung. Diese Anteilnahme, schreibt sie, habe ihr „den Tag gerettet“. Weil sie es wichtig findet, dass Frauen in solchen Situationen nicht alleine gelassen werden. Dass Leute, die Zeuge solcher Übergriffe werden, etwas tun. Weil nicht jede Frau so schlagfertig reagiert wie Pina und trotzdem klarwerden muss, dass so ein übergriffiges Verhalten nicht akzeptiert wird.

Ihr Post ist also ein Aufruf in drei Richtungen: in Richtung der Grapscher, ihre Hände und anzüglichen Kommentare bei sich zu behalten. In Richtung der Opfer, sich dafür nicht zu schämen, dass ein Idiot meint, sie als Objekt behandeln zu können, sondern sich dagegen zu wehren. In Richtung aller anderen, in solchen Situationen einzuschreiten.

Genau das raten tatsächlich auch Experten: Laut sein, sich nicht verstecken. Das macht andere auf die Situation aufmerksam, die können helfen und das bringt die Täter in die Defensive.

 

Pinas Post und die Reaktionen darauf zeigen, dass das leider nicht selbstverständlich sind. Das viele Lob für ihr Auftreten, die Vokabel „mutig“, die darin so oft verwendet wird, um Pinas Handeln zu beschreiben, die Erzählungen anderer Facebook-Nutzerinnen, die von ähnlichen Situationen berichten, in denen sie weniger beherzt reagiert haben – das alles deutet darauf hin, dass wir sexueller Belästigung im Alltag noch zu defensiv begegnen. Dass wir alle dazu beitragen können und müssen, dass niemand denkt, ein bauchfreies T-Shirt sei eine Einladung zum Grapschen.

 

che

 

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