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"Fehler und Brüche sind dein Kapital"

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jetzt: Wann haben Sie sich das letzte Mal danebenbenommen?

Udo Lindenberg: Mein Leben läuft schon immer neben den Gleisen. Normal fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich. Wenn dir irgendwer Erwartungen entgegenhält, wie du zu sein und welchen Maßstäben du zu folgen hast – immer schön drüberspringen oder drunter durchkrabbeln. Wenn du es richtig ernst meinst mit einem Leben als Attacke, als permanenten Aufstand, und sei es nur gegen die Gemütlichkeit, dann sind Fehler, Anomalien und Brüche nicht dein Problem, sondern dein Kapital.

Wird man nicht vor allem zum einsamen Außenseiter, wenn man sich immer neben der Norm bewegt?

Klar, das kenne ich, gerade von früher. Die sagten: Der Junge spinnt. Aber es war mir egal, dass ich Außenseiter war. Mir war es wichtiger, mein Ding zu machen und ein weltberühmter Trommler zu werden.

Auf dem Weg dahin sind Sie mit 17 zum Beispiel in Libyen gelandet. Wie kam es dazu?

Ich hatte da einen Topjob in einem US-Air-Force-Club. Gaddafi war zu der Zeit noch sehr jung, und die Zusammenhänge zwischen der US- und der arabischen Welt waren mir damals noch nicht so klar. Aus Amiland kam in meiner Jugend noch alles, was cool war: James Dean, Jazz, Befreiung von den Nazis, billiger Whiskey und „Lucky Strike“. Komatrinken und Mutter Morgana in der Wüste ankieken, fand ich damals ’nen Flash.

Hinterfragen wir jungen Menschen heute alles zu sehr? Sollten wir lieber – so wie Sie – einfach mal machen und riskieren, danebenzuliegen?

Nein, heute kann man sich viel einfacher informieren, und das sollte man auch. Das waren andere Zeiten Anfang der Sechziger. Ich war 17 und hab irgendwo in Afrika getrommelt, statt zur Schule zu gehen. So was würde heute nicht mehr passieren.

Die erste Single Ihres neuen Albums heißt „Durch die schweren ­Zeiten“. Was waren für Sie schwere Zeiten? Und wie sind Sie ­wieder rausgekommen?

Ich habe seit ungefähr acht Jahren extrem viel Glück. Zum ersten Mal Nummer-eins-Alben, Stadien ausverkauft – und das, wo ich längst im Bonus-Bereich meines Lebens angekommen bin. Ich war ja vorher mehrfach halbtot. Künstlerisch, aber auch medizinisch. Jetzt kann ich all das nur genießen und als Glück begreifen, weil ich schon mal richtig durchhing.

Ihre Platte handelt von der Unsterblichkeit. Da interessiert uns natürlich: Was wissen Sie denn darüber?

Der „Lindiismus“ (so nennt Udo Lindenberg seinen Kunststil; Anm. d. Red.) und die Songs sind unsterblich. Wenn zehnjährige Frischlinge und hundertjährige heiße Greise ohne Ende meine Songs singen, dann wurde da wohl mal in der Lotterie des Lebens das berühmte Zeit-Los gezogen. Meine Meinung zum Tod ist unverändert: Fänd’ ich sehr uncharmant zurzeit. Kann ich meinen Fans nicht antun.

Sie haben sich schon immer politisch und sozial engagiert. Erich Honecker zum Beispiel schrieben sie 1987 persönlich und schenkten ihm eine Lederjacke. Was würden Sie Angela Merkel heute schreiben und schicken?

Ein paar schöne neongrüne Glückssocken für ihren Weg hin zu einem solidarischen ­Europa. Die Würde eines jeden Menschen sollte im Vordergrund stehen. Ich würde ihr eine megagroße Tüte Power mitgeben auf ­ihrem und unserem konsequenten und schwierigen Weg gegen dumpfen Natio­nalismus und hasserfülltes Geschrei nach kleinstaatlichen ­Grenzen und Isolation.

Hält der Panik-Pate Lindenberg angesichts der politischen Lage gerade Panik für angebracht?

Immer wenn es so hysterisch wird wie jetzt, ist keine Panik, sondern cooles, besonnenes Durchgeblicke angesagt. Schau dir die Einzelschicksale derer an, die knapp dem Tod entkommen sind. Gegen die Hirn- und Herztoten, die schreien „Lasst die Flüchtlingsheime brennen und schickt die Flüchtlinge zurück in die Geisterstädte Aleppo und Homs“, sollte unsere humane und ­humanitäre Republik wie eine Eins stehen.

Hatten Sie jemals ein Vorbild? Und halten Sie sich selbst für ein gutes?

Meine Vorbilder waren Daniel Düsentrieb, Marlon Brando und Hermann Hesse. Ansonsten gilt: Folge keinem Idol. Folge nur dir selbst und mach dein Ding.

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