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Jungs, wollt ihr auch eine Body-Positivity-Bewegung?

Foto: flo-flash / photocase.com; Bearbeitung: Janina Schmidt

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Liebe Jungs,

Manchmal riechen wir an euch unsere Gesichtscrèmes. Oder beobachten, wie ihr eure Geheimratsecken untersucht. Wir wissen auch, dass ihr euch spätestens ab Mitte 20 Sorgen um euren Bauchumfang macht.  Ihr zweifelt also auch an euren Körpern. Wirklich darüber geredet haben wir aber nie.

Das ist seltsam. Denn wir Mädchen sind diesbezüglich ja ziemlich offen. Wir fragen euch, ob unsere Brüste zu klein oder zu gross sind. Uns die neue Haarfarbe oder das bestellte Kleid steht. Ihr gebt meistens sehr ausweichende Antworten. Schließlich möchtet ihr keine Krise auslösen – oder findet uns ehrlich toll.

Bei anderen Mädchen funktionieren wir übrigens ähnlich. Kneift sich eine Freundin nach dem zweiten Teller Pasta unglücklich in den Bauch, so rufen wir: „Ach was, du siehst doch super aus!“ Tritt eine verunsichert aus der Umkleidekabine, loben wir das Outfit. Will sich eine andere ihre Orangenhaut wegmassieren, so klären wir auf: „Das haben sogar Models.“ Wir wollen nicht, dass sich ein Mädchen allzu grosse Sorgen über Dellen oder Gewicht macht. Sich hässlich fühlt, obwohl es hübsch ist.

Dieser Trend ist mittlerweile auch außerhalb unseres Freundeskreises angekommen. Die Body-Positivity-Bewegung wächst. Sie will, dass wir alle unsere Körper lieben – bedingungslos. Alleine auf Instagram versammelt der Hashtag #bodypositivity mehr als 3.5 Millionen Bilder von Cellulite, Dehnungsstreifen und Fältchen unter den Armen. Unbeschönigte Schnappschüsse von Frauen, die sich akzeptieren. Und das auch von anderen erwarten. Wir nicken und liken fleissig. Egal, ob Lena Dunham das Foto gepostet hat oder eine alte Studienfreundin.

Scrollen wir durch den Feed, merken wir jedoch bald: Euch schließt die Bewegung nicht mit ein. Da gibt es keine Fotos von Männern mit Dellen und unreiner Haut. Keine Haare auf dem Rücken, keine beginnenden Glatzen oder Schwimmringe, die für Selbstliebe stehen. Ihr postet nur vorteilhafte Fotos. Egal, ob ihr Schauspieler oder ein Normalo seid.

Dass ihr euch bei uns nicht über eure Makel beschwert, können wir ja verstehen – schließlich ist Jammern unsexy. Aber Selbstbewusstsein ist es nicht. So ein Foto von einem zufriedenen Kerl in Badehose und kleinem Speckbauch, das hat doch auch was. Wieso gibt’s trotzdem noch keine solchen Posts? Fehlen euch das Vorbild und der Mut? Oder seid ihr einfach zu eitel? Und würdet ihr selbst offener mit euren Makeln umgehen, wenn es Vorbilder gäbe?

Eure Mädchen

Die Jungs-Antwort:

jungsantwort

Illustration: Katharina Bitzl

Liebe Mädchen,

 

zu eurer Frage fällt mir zunächst mal auch nur der mittlerweile schon wieder ziemlich in Vergessenheit geratene Hashtag #dadbod ein, auf dem genau solche Badehosen-Speckbauch-Bilder zu sehen waren. Insofern könnte man jetzt vorschnell sagen: Wir haben doch unseren Beitrag schon geleistet!

 

Aber: Gefühlt wurde der Dadbod wohl weniger von uns als von Frauen mit Missionierungseifer angeschoben, außerdem können wir uns ehrlich gesagt auch an keinen näheren Bekannten erinnern, der sich hier aktiv eingebracht hätte.

 

Warum nicht? Ich glaube, die Antwort liegt hier in der Auswahl des Hashtagbegriffs selbst: Der Dadbod nimmt ja schließlich Bezug auf den Vater Mitte 30, der zwar nicht aus allen Nähten platzt, aber trotzdem keinen Bodybuilderkörper vorweisen kann. Und genau dieser Körperbau ist bei uns eben seit eh und je und trotz ein paar Selbstoptimierungsfreaks auf Instagram der absolute Normalfall. Und im Gegensatz zu euch wird dieser Normalfall auch allgegenwärtig akzeptiert, wie ihr ja auch schon angedeutet habt.

 

Natürlich ist uns nicht alles egal: Vermeintliche Schwachstellen wie Geheimratsecken sind den „Betroffenen“ sicher nicht gerade angenehm. Jeder will schön sein. Und nicht alles ist schön oder wird von der Gesellschaft, aber auch von uns selbst, als schön wahrgenommen. Dicke Männer mit Glatze haben es bestimmt nicht sonderlich leicht.

 

Aber das bisschen Kosmetikwerbung, eine paar lächerliche Männermagazine und aalglatte Instagramtypen mit Plastikmuskeln gehen dann doch recht spurlos an uns vorbei. Der Großteil von uns kauft keine Gesichtscremes, hält Männermagazinredakteure für eher bemitleidenswerte Vertreter unseres Geschlechts und folgt auf Instagram dann doch lieber den Typen, die irgendwelche krassen Dinge auf Snowboards, Bühnen oder Fußballplätzen vollbringen, anstatt ihr nutzloses Sixpack einzuölen und sich damit an irgendeinem schneeweißen Strand abzulichten.

Kurz gesagt: Auch wenn uns die Fitness- und Kosmetikindustrie mittlerweile genau wie euch als Opfer ihrer Propagandamischung aus Selbstoptimierung und schlechtem Gewissen ins Visier genommen hat, empfinden wir in puncto Körperbau einfach nicht den Druck, den ihr offenbar verspürt. Und wo kein Druck ist, muss man auch gegen nichts anschreien. Insofern kann man euch also nur wünschen, eines Tages auch bei dieser Grundentspannheit anzukommen. Dass der Druck, dem ihr seit Jahrzehnten – auch durch uns – ausgesetzt seid, irgendwann Geschichte sein wird. Und genau da setzt ja die ganze Body-Positivity-Sache an, oder?

 

Eure Jungs

 

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