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Jungs, wann seid ihr niedlich?

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Die Mädchenfrage:

Hallo Jungs,


neulich habt ihr uns nach dem Zweck des Hopsens beziehungsweise Hüpfens gefragt, und natürlich – so haben wir geantwortet – geht’s dabei auch ums Niedlichseinwollen. Das ist ziemlich kindisch und ein bisschen einfach gestrickt, wir geben es zu. Aber so ist es eben mit dem Dasein in einer Gesellschaft. Man versucht, irgendwie durchzukommen, und das ist sowieso schon hart genug, da werden ein paar billige Manipulationsstrategien ja wohl gerade noch erlaubt sein. 
 Das müsstet ihr, und schon sind wir bei unserer Frage, eigentlich am allerbesten verstehen.

Denn diese Niedlichkeitsmasche, die wir gern für uns beanspruchen und die uns ja auch oft etwas anprangernd vorgeworfen wird (Stichwort Mädchenbonus, verletztes Reh und so) scheint auch bei euch Jungs Hochkonjunktur zu haben. Nur redet da irgendwie keiner so richtig drüber. Ihr werdet ja schon seit einiger Zeit immer niedlicher – da, wo der Mann früher der abgeklärte Cool-Hengst war, ist er jetzt immer öfter das vertrottelte Träumerchen oder das freche Vorschulbübchen, wenn er – ja, wenn er was eigentlich genau bezwecken will? Das wäre schon die zentrale Frage. Oder halt: Noch zentraler ist vorher die Frage, ob ihr damit überhaupt was bezwecken wollt? Steuert ihr es also bewusst oder passiert es mit euch, ohne dass ihr Einfluss drauf habt? Wäre auch möglich. Denn es passiert oft relativ subtil.

 

Wir können es gar nicht richtig an Beispielen festmachen, es ist eher so ein Sound, so eine Attitüde, ein Gesichtsausdruck, ganz kurze Verhaltensaussetzer in den alltäglichsten Situationen: Ihr verstellt kurz die Stimme und sprecht so ganz hilflos und kleinjungenhaft, ihr macht große Augen, ihr kichert albern, ihr seid eben irgendwie hilflos und süß und das aber fast schon ein bisschen ironisch. Man merkt, dass ihr das gleichzeitig ernst meint und nicht ernst. Dass ihr, ja, vielleicht ja auch das: In eurer vorgespielten Niedlichkeit unsere Niedlichkeit imitiert. Böse und liebevoll zugleich.

 

Und noch was: Das Niedlichsein, das macht ihr ja meist nur Frauen gegenüber. Wenn ihr den Niedlichen in euch rausholt, ist garantiert kein anderer Mann dabei. 
 
 Ist das jetzt also vielleicht so eine neuentdeckte Flirt- oder Beziehungs-Nettigkeitsstrategie von euch, dass ihr eben unter Frauen nicht mehr Batman sein wollt, sondern lieber Gaston oder Donald: ganz lustig, ganz cool, irgendwie auch smart, aber vor allem ganz schön vertrottelt und dabei so unheimlich lustig und süß und herzerweichend, so dass man ihnen nie böse sein kann? Ist das eine Strategie, die euch aber auch ein bisschen peinlich ist und die doch sehr intim ist und die deshalb nur ausgespielt werden darf, wenn es keinen zweiten männlichen Blick gibt, der euch deshalb zur Witzfigur degradiert? Oder ist sie total metamäßig und kühl und klug und als ein ironischer Kommentar zu unserer ja ziemlich aus der Mode gekommenen und als weibchenhaft verschrienen Mädchenbonus-Niedlichkeit zu lesen? Quasi ein vorgehaltener Spiegel? 
 


 

Vielleicht gucken wir ja auch einfach nur alle zu viele Videos von Babytieren und vielleicht denkt ihr armen Männlein, uns Frauen des 21. Jahrhunderts könne man nur noch als Pandabärchen beeindrucken? Oder vielleicht seid ihr froh, vor uns Mädchen endlich wieder öffentlich der kleine Junge sein zu dürfen, den ihr seit Jahrhunderten mit spätestens 14 Jahren aberzogen bekommt? Wir ahnen viel und wissen fast nichts!

 

Deshalb: Aufklären bitte, diese rätselhafte Männerniedlichkeit! Wann seid ihr niedlich und wann auf gar keinen Fall? Wer darf euch niedlich sehen und was soll das bei ihm auslösen?

 

 

Die Jungsantwort von Elias Steffensen:

 

Hey Mädchen,

 

Puh, ne Menge Fragen, die ihr diesmal habt. Ich sortiere eben noch mal grob durch: Sind wir niedlicher geworden? Können wir das bewusst steuern, setzen wir es also (ein bisschen) manipulativ ein? Wenn ja: Was bezwecken wir damit? Ist es eine neuentdeckte Flirt- oder Beziehungs-Nettigkeitsstrategie? Imitieren wir euch, wenn wir niedlich sind – Stichwort Spiegel? Sind wir vor Jungs auch niedlich? Und wenn nein: Warum nicht? Ist da Ironie dabei? Oder, wohl eher: Wie viel Ironie ist da dabei? Ist es uns peinlich, niedlich zu sein? Wollen wir wieder 14 sein? Alter?!?!

 

Eigentlich wollte ich im Angesicht so vieler Fragen schon total unniedlich fragen, ob ihr eigentlich denkt, dass wir gar nix anderes zu tun haben?! Aber dann habe ich gemerkt: Ist eigentlich ganz einfach. Denkt an den Hund! Der Hund an sich ist ja schon ziemlich niedlich. Und wann ist der Hund besonders niedlich? Genau: Wenn er heimlich ein bisschen auf den Flokati geschissen hat, und merkt, dass das kein Geheimnis bleiben wird. Wenn er gekrault werden will. Oder nen Knochen haben. Kluges Viech! Wir können viel lernen vom Hund.

 

Oder halt: Wir haben viel gelernt. Unsere Niedlichkeitsmomente und seine decken sich jedenfalls auffällig. Wir sind zum Beispiel dann tendenziell süß, wenn wir irgendwas von kleiner bis mittlerer Bedeutung ein bisschen verkackt haben. Badewanne vergessen und Überschwemmung gemacht: niedlich. Spülmaschine nicht ausgeräumt: niedlich. Halb-sexistischen Witz halbernst gerissen: niedlich. Gesagt: „Wird nicht spät heute“ und dann um sieben in der Früh heimgekommen: super niedlich, weil dann ja auch mit Schoko-Croissants in der Hand! Mit eurer besten Freundin geschlafen: nicht niedlich! Das hinge zu hoch, um es mit Niedlichkeit noch abfangen zu können. Eh klar.

 

Weitere Gelegenheiten: Ihr seid gerade extrem gestresst, abgespannt, fertig, nölig, kühl, abweisend, müde – aber wir wollen trotzdem gekrault werden. Niedlichkeit durchdringt jeden Schutzpanzer. Deshalb werden Tiere ja auch bei Therapien eingesetzt. Also: niedlich. Und wenn wir irgendwas abseits von Streicheleinheiten von euch wollen, dann wohl auch. Da aber deutlich seltener. Da seid ihr uns noch weit voraus. Weil es bei euch besser funktioniert.

 

Denn wenn irgendwer (ich zum Beispiel) sich am Anfang noch nicht ganz sicher war, ob das jetzt eine Strategie ist oder nicht, muss man nach diesen Absätzen wohl sagen: Ja, eher Strategie. Ja, wir imitieren euch da, aber nicht, um euch einen Spiegel vorzuhalten, sondern weil wir gemerkt haben, dass es bei euch seit Jahrzehnten (Jahrhunderten?) funktioniert und bei uns jetzt eben auch ein bisschen. Und ja, ein bisschen Ironie ist da auch dabei. Aber vielleicht sogar etwas weniger als ihr denkt.

Und damit noch mal zurück zum Hund. Denn wann ist der Hund gar nicht niedlich? Genau: Wenn andere Hunde da sind, die auf seinen Flokati scheißen könnten. Das mag er nicht, der Hund, und wir auch nicht. Wenn also andere Typen da sind: eher weniger niedlich.

Und um dieses unsägliche Viecherfeld auch mal wieder zu verlassen: Ganz so stimmt es ja auch wieder nicht. Wir können sehr wohl vor Typen niedlich sein. Wir müssen sie aber gut kennen dafür. Und mögen auch. Ein gewisses Vertrauen muss da sein und man muss sich auf Augenhöhe begegnen. So, und jetzt doppelte Überraschung: Genau dasselbe gilt bei und für euch auch.

 

Wir sind euch gegenüber nur dann niedlich, wenn wir vorher/nachher/parallel/drumherum auch mal gar nicht niedlich waren. Sondern Cool-Hengste. Oder ein bisschen prollig. Oder eben auch auf ganz normale, gradlinige Art nett. Irgendwas jedenfalls, das in Summe mit Niedlichkeit immer noch eine Form von Souveränität ergibt. Dieses Spielchen mit Nähe und Distanz (Offenheit und Geheimniskrämerei, lieb und abgeklärt ...) eben, das das miteinander Flirten und miteinander Leben spannend und erträglich hält.

 

Und das wäre dann zum Abschluss auch noch unser Tipp: Niedlich funktioniert auch bei euch nur in Verbindung mit einer grundsätzlichen Souveränität. Nur niedlich, das geht uns genau so auf die Nerven, wie es das bei euch täte, wenn wir nur noch Säusel-Schnuffis wären.

 

Twinkle, twinkle,

 

Elias

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