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Wenn Papa dir die Kippen dreht

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Ich versuche, mir im ruckelnden Auto eine Zigarette zu drehen. Aber es klappt nicht wirklich. Mein Vater sitzt neben mir am Lenkrad. Er nimmt mir den Tabak ab, umsteuert mit der einen Hand den LKW vor uns, während er mit der anderen geschickt weiterdreht. Das Ergebnis ist perfekt. In meinem Alter hätte er Kette geraucht, sagt mein Vater, das Drehen verlerne man nicht. Ich bin ein bisschen stolz. Nie werde ich so gut drehen können, wie mein Vater es noch nach über zwanzig Jahren Raucherpause kann. Das Drehen dieser perfekten Zigarette gibt mir eine flüchtige Ahnung von dieser Zeit, vor meiner Zeit. War mein Papa womöglich damals in manchen Punkten schon cooler, als ich es  jemals sein werde? Und warum überkommt mich plötzlich das Bedürfnis, anderen davon zu erzählen?  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Nur die hippsten Eltern schaffen es in die Facebook-Timeline ihrer Kinder

Mit der Angeberei wäre ich nicht allein. Die Coolness der Eltern zur Schau zu stellen, scheint in sozialen Netzwerken gerade sehr beliebt zu sein. Da werden ganze Tumblr-Blogs unter Titeln wie „My parents were awesome“ oder „Dads are the original hipsters“ befüllt. Auch bei Facebook tauchen vermehrt Muttis mit brusthohen Jeans und Dauerwelle und Väter mit Hipster-Bärten in meiner Timeline auf, deren Bilder mit „Alles Gute Mama“ oder „Papa, du bist der Coolste“ untertitelt sind. Dabei sehen die Eltern, die gemeint sind, heute nicht mehr halb so hip wie auf den vergilbten Fotos aus. Und Facebook haben sie garantiert auch nicht. Wozu die Mühe? Es geht also nicht wirklich um den Dank an die Erzeuger.  

Auf diesen Fotos transportiert sich die Coolness der Eltern so glaubwürdig wie in keiner Nacherzählung. Dass unsere Eltern schon vor uns ein Leben hatten, ist keine große Überraschung. Ich kenne diese ganzen Geschichten aus den „wilden Zeiten“, den Festivalbesuchen und den rauschenden Weingelagen auswendig. Sie sind Mosaikstücke aus einer anderen Zeit, in der meine Mutter eine beneidenswerte Lockenmähne und mein Vater Vollbart und Latzhose getragen hat. Aber sie gingen mir nie nahe, weil ich sie schon so oft gehört habe, dass sie wie ein monotones Mantra an mir vorbeirauschten. Aber wenn ich Fotos aus dieser Zeit sehe, geht es mir anders: Die Bilder kristallisieren ein Lebensgefühl vor meiner Existenz.  

Eltern auszustellen, ist auch immer ein wenig narzistisch

Den Fotos haftet eine unantastbare Glaubwürdigkeit an. Ein Retro-Flair ganz ohne Instagram-Filter, der alles ein bisschen authentischer wirken lässt. Diese Bilder sagen Dinge wie: „Schaut her, auf dem Foto trägt meine Mutter genau die Jeansjacke, die heute alle tragen. Der Style wurde mir in die Wiege gelegt.“ Denn natürlich zeigt man nur die Bilder, auf denen die Eltern aussehen wie die Verkäufer bei Urban Outfitters. Glatzige Väter mit Ohrringen oder Mamas in hautfarbenen Leinenkleidern werden nicht gefeiert. In den Timelines finden sich ausschließlich Modesünden, die stiltechnisch eigentlich schon wieder vertretbar wären. Es muss also eine Vorauswahl stattfinden, welche Bilder zum eigenen Profil passen und welche nicht. Was sollen Andere von meinen Eltern und, viel wichtiger, von mir denken?  

Das bemühte Präsentieren hat immer etwas Narzisstisches. Hier geht es nicht mehr um die abgebildeten Eltern, sondern ums Profilieren. Und das stelle ich mir ziemlich anstrengend vor. Kein Bild aus den Siebzigern landet mal einfach so auf einer Facebookseite. Da steckt ein enormer Aufwand hinter: Stundenlanges Durchwühlen von Fotokartons auf dem elterlichen Dachboden, die Bilder dann umständlich einscannen oder abfotografieren, zuschneiden, farbkorrigieren und schließlich hochladen. Für solche Bemühungen bin ich schlicht zu faul. Mir reicht es vollkommen aus, meinen Freunden von den geheimen Dreh-Skills meines Vaters zu erzählen. Und mich dabei ein bisschen stolz zu fühlen.

Text: eva-hoffmann - my parents are awesome/tumblr / Collage: Pia Kettl

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