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Wie mischt man Freundeskreise?

Illustration: Katharina Bitzl

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Neulich ist etwas sehr Schönes passiert. Eine meiner besten Freundinnen aus Schulzeiten war in der Stadt zu Besuch, in der mein Freund lebt, und wohnte für diese Zeit bei ihm. Die beiden waren sich vorher noch nie begegnet. Im ersten Moment war der Gedanke seltsam, dass sie sich kennenlernen, ohne dass ich dabei bin. Ich hatte Sorge, sie könnten sich vielleicht nicht mögen. Aber dann schickte mein Freund ein Selfie, auf dem er und meine Freundin in die Kamera lachen. Und meine Freundin schrieb eine Nachricht: „Ich finde ihn spitze, er ist sehr nett!“ Das hat mich glücklich gemacht.

Klar, Partner und Freunde, die einander kennenlernen, sind ein Spezialfall. Aber diesem Spezialfall liegt das zugrunde, was jede Situation, in der sich Personen aus verschiedenen Freundeskreisen kennenlernen, spannend und manchmal eben auch angespannt macht (zumindest für den einen, der beide Seiten kennt): dass Menschen aufeinandertreffen, die man aus völlig unterschiedlichen Zeiten und völlig unterschiedlichen Kontexten kennt, die einem aber alle sehr lieb sind.

Die typischste Situation für das Vermischen verschiedener Freundeskreise ist wahrscheinlich eine Party. Wenn man Geburtstag hat oder seine neue Wohnung einweiht, dann möchte man viele liebe Menschen um sich haben. Und man will, dass sie sich wohlfühlen, immerhin hat man sie ja eingeladen und fühlt sich verantwortlich. Man will aber vor allem auch, dass sie sich gegenseitig mögen. Dass sie verstehen, was man an jedem von ihnen so toll findet.

Das ist der Punkt, an dem dann diese spezielle Sorge einsetzt: Was, wenn meine Kollegen und meine alten Schulfreundinnen sich nichts zu sagen haben? Was, wenn die eine Bekannte, die ich aus dem Sprachkurs kenne, auf den Ehrenamts-Kollegen trifft (die sind doch so unterschiedlich!)? Und könnte es passieren, dass die eine Freundin aus dem Studium und ihr Freund schnell wieder gehen, weil sie doch beide eher schüchtern sind, aber die Kollegen so wilde Partytiere? 

Gedanklich spielt man sämtliche Konstellationen durch. Und dabei fällt einem erst auf, wie unterschiedlich die Menschen sind, die man so kennt und mag. Im Kindergarten war das leichter, da waren alle Eingeladenen aus der Sonnenscheingruppe und zwei vielleicht noch aus dem Nachbarhaus, aber auch die waren vier Jahre alt und aßen gerne Spaghetti mit Tomatensauce. Heute könnte man sich auf Spaghetti mit Tomatensauce vielleicht auch noch einigen, aber ansonsten klingelt da eine wilde Mischung aus Berufen und Heimatorten, Hobbys und Vorlieben und Geburtsjahren an der Tür. Und ebenso unterschiedlich wie diese Menschen sind die Kontexte, aus denen man sie kennt, und die Gründe, aus denen man sie mag.

Bei den einen gilt man als lustige Partykumpanin, bei den anderen als gute Ratschlaggeberin

Es geht aber noch weiter. Es wird nämlich noch persönlicher. Wenn man sich vorstellt, wer auf der eigenen Party in der Küche herumstehen wird, und sich dann im nächsten Schritt vorstellt, mit diesen Menschen zu sprechen, wird einem auffallen, dass nicht nur diese Menschen unterschiedlich sind, sondern auch man selbst unterschiedlich ist. Heißt: In jedem Freundeskreis ist man eine andere Person. Nicht im extremen Maße, man verändert ja nicht komplett seinen Charakter. Es geht da eher um Nuancen. Aber ebenso, wie man seine verschiedenen Freunde aus verschiedenen Gründen mag, mögen auch die nicht alle das Gleiche an einem. Und darum lebt man die Eigenschaft, die in einem bestimmten Umfeld besonders geschätzt wird, in diesem Umfeld auch besonders aus. Das klingt erst mal so, als sein man ein Fähnchen im Wind. Aber vielmehr ist es so, dass jeder Freundeskreis einem dabei hilft, einen speziellen Teil des Selbst strahlen zu lassen. Und so gilt man bei den einen vielleicht als lustige Partykumpanin, bei den anderen als gute Ratschlaggeberin. Und vielleicht gibt es auch den einen Kreis, in dem man sich eigentlich gar nicht so besonders wohl fühlt, und in dem man als ernst und zurückhaltend gilt. Auf der Party ist man dann unter Umständen hin- und hergerissen zwischen Version Partykumpanin und Version Ratschlaggeberin. Und hat beim Aufeinandertreffen von Freundeskreis Ratschlag und Freundeskreis Party Angst, dass die sich begutachten und jeweils denken: „Was findet die bloß an denen?“ Man hat Angst vor einem Urteil, dass nicht nur über die eigenen Freunde, sondern damit zwangsläufig auch über einen selbst gefällt wird.

Das Gute ist: Obwohl im Kindergarten erstmal alles leichter war, kam es dann doch relativ oft zu Streit und Geheule, während man mit den Spaghetti „Stoppessen“ gespielt hat. Aber jetzt sind alle erwachsen und kommen miteinander aus. Wer sich nicht sympathisch ist, redet halt nicht miteinander, und meistens fällt das Urteil der einen Freunde über die anderen (und damit auch das über einen selbst) weniger hart aus, als man befürchtet hat.

Und dann gibt es eben noch den besten Fall, der gar nicht mal so selten eintritt: Unterschiedliche Freunde, die man mag, treffen sich – und mögen sich. Führen ein gutes Gespräch miteinander oder trinken viele Schnäpse miteinander, lachen sich beim Tanzen an oder entdecken irgendeine Gemeinsamkeit, die noch mal eine ganz andere sein kann als die, die man selbst mit jedem von ihnen hat. Dann hat man plötzlich das Gefühl, irgendwas sehr richtig gemacht zu haben. Es ist wahnsinnig schön, mitzuerleben, dass man Menschen zusammengebracht hat, die sich ohne einen vielleicht nie getroffen hätten, und dass dadurch eine Atmosphäre entsteht, die es nur durch diese ganz spezielle Mischung geben kann.

 

Manchmal kommt dann jemand zu einem, zwischendurch oder am nächsten Tag, und sagt mit schwärmerischem Blick so was wie: „Die X ist so super!“ oder „Der Y ist wahnsinnig nett!“ Oder schreibt eine Nachricht und schickt ein fröhliches Selfie: zwei Freunde, die man mag, und die sich mögen.

 

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