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Unsere schlimmsten und besten Festival-Erlebnisse

Peter Klaunzer/dpa

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Stress bei den Strokes

Was hatten meine damalige Freundin und ich uns auf das Southside-Festival gefreut. 2006 war das, ich hatte gerade die letzten Uni-Prüfungen meines Lebens hinter mich gebracht, die Wettervorhersage war top und ein paar gute Freunde auch mit am Start. Perfekte Voraussetzungen für ein Festival-Wochenende. Das Line-Up war gespickt mit (The-)Bands, die wir mochten: The Raconteurs, The Hives, The Cooper Temple Clause, The Kooks, The Cardigans - doch am allermeisten freute wir uns auf: The Strokes. Ok, streng genommen freute sich vor allem meine Ex auf die New Yorker. Sie war von Anfang an riesiger Fan und schaffte es - trotz einer kuriosen Party-Begegnung mit deren Tourmanager irgendwo in England – nie auf ein Konzert. Jetzt endlich war es soweit.

Ich war ebenfalls freudig gespannt und genoss den Discounter-Rotwein aus dem Tetrapak in rauen Mengen. Die Sonne schien den ganzen Tag über hart von links (man konnte die Folgen davon noch Wochen danach in meinem Gesicht bestaunen) und vermengte sich mit dem Wein in meinem Kopf zu einer brodelnden Mischung. Leider kochte diese genau in diesem Moment über, als die Roadies das Equipment der Strokes auf die Bühne brachten. Ich hielt diese Minuten vor dem lang ersehnten Konzert den idealen Zeitpunkt dafür, einen Streit anzufangen. So richtig.

An die Gründe kann ich mich nur verschwommen erinnern, irgendwas mit Eifersucht muss das gewesen sein. Jedenfalls heftig genug, dass der Quatsch nicht vorbei war, bis die Band anfing zu spielen.  Auch nicht bis nach dem ersten Song. Und auch nicht nach dem dritten. Wir stritten das ganze Konzert über. Ich lief weg, sie lief weg. Und keiner von uns bekam irgendwas von der Performance der Band mit. Ich weiß gar nicht, ob wir nach dem letzten Song fertig waren. Fest steht nur: Sie hat mir das nie verziehen. Völlig zu Recht, wie ich finde.

Frank Porzky

Das Schlamm-Inferno

Im Sommer 2010 habe ich vier Studienfreundinnen, bis dato festivalunerfahren, überreden können, mit mir aufs Southside zu gehen.  Alle waren beim Kartenkauf ein wenig zögerlich gewesen – „So viel Geld für Campen?“ aber ich hatte wirklich wochenlang in den  schillerndsten Farben ausgemalt, wie toll das wird: Sonne, Alkohol, Bikini. „Und wenns doch mal regnet machen ja auch Schlammschlachten Spaß“. Behauptete ich.

Bereits bei unser Ankunft fuhr ein kleines Auto über das Festivalgelände auf dem „Achtung, Sturm“ stand. Kurz darauf fing es in sinnflutlichem Ausmaß an zu schütten – und es hörte an keinem der drei Festivaltage auf. Nachts wachten wir auf, weil das Wasser knöchelhoch im Zelt stand. Es war scheißkalt und alle hatten auf irgendeine Art Streit mit ihrem Freund: Die eine, weil er in Anbetracht des Scheißwetters seine Karte schnell wieder verkauft hatte („Ich muss lernen“), die nächste, weil er sich weigerte aufzutauchen um uns zu retten.

Und irgendwann hatten wir dann auch alle untereinander Streit, es spielte auf jeden Fall Alkohol und dass ich eine Freundin als „Prinzessin auf der Erbse“ beschimpft habe eine maßgebliche Rolle. Alle haben dann geweint und zwei von uns sind früher abgereist.

Wenn wir jetzt die Fotos von uns, durchgefroren und voller Schlamm, ansehen, wird das natürlich hochstilisiert. „War schon irre damals, ne?“ Aber auf Festivals ist fast keines der Mädels je wieder gefahren.

Charlotte Haunhorst

Das Ende einer Festivaljugend

 

Bei meinem letzten Fusion-Aufenthalt wurde mir gleich am ersten Tag meine neue Regenjacke geklaut. Ich war zum dritten Mal in Folge auf der Fusion und hatte mich all die Jahre nach dem Besitz einer gelben Regenjacke mit blauem Innenfutter gesehnt. Menschen in gelben Regenjacken mit blauem Innenfutter sahen immer besonders festivalmäßig aus, fand ich. So wollte ich endlich auch aussehen.

 

Es regnete bereits, als wir auf dem Gelände ankamen. Ich baute schnell mein kleines Zelt auf und ging in meiner neuen Regenjacke tanzen. Als mir warm wurde, hängte ich sie an einen Ast. Als ich sie wieder anziehen wollte, war sie weg. Ich war wütend und rannte im Regen zu meinem Zelt, um einen Pulli zu holen. Es war mittlerweile spätnachmittags. Mein gerade aufgebautes Zelt war innerhalb von drei Stunden voll Wasser gelaufen, denn ich hatte es unbemerkt in einer kleinen Senke aufgebaut und den Eingang nicht richtig verschlossen.

 

Gerade mal der erste Tag und ich war schon jackenlos und trockene-Klamotten-los und schlafplatzlos und dann rief mir ein vorbeitorkelnder Biertrinker auch noch „Oleeeeee, vüüür Taaaaaahhge Rööööögen sagt der Wedderbereeeeecht“ zu, was einen mittelschweren Wutanfall in mir auslöste, der mich innerhalb von zehn Minuten alles zusammenpacken ließ und mich ohne Abschied von meinen Freunden in den Shuttlebus zum Bahnhof Neustrelitz fahren ließ.

 

Von den exakt 220 Euro auf meinem Konto kaufte ich ein Nachtzugticket nach München. Ich war jetzt nicht nur jackenlos und nass, sondern auch noch pleite. Ich beschloss, dass meine Festivaljugend endgültig vorbei war.

 

Mercedes Lauenstein

Fremdknutschen hinterm Dixie-Klo

 

„Ich war schon lange in einen Jungen verknallt, der zu diesem Zeitpunkt allerdings eine On-Off-Geschichte mit einer sehr guten, sehr schönen Freundin von mir hatte, dementsprechend absolut tabu war. Aus einem mir heute unerfindlichen Grund fuhren wir trotzdem als Dreier-Kombination auf ein Festival, meine Freundin hoffte wohl, dass sie ihre Beziehung, die zu diesem Zeitpunkt gerade aus war, wiederbeleben könnten.

 

Ich versuchte also, mich auf alles mögliche andere zu konzentrieren – Musik, Alkohol, Flunkyball – um bloß nicht zwischen die Fronten zu geraten. Bei einem Konzert kam allerdings zu all dem noch ein Joint dazu und so fingen der Typ und ich just in dem Moment, in dem wir die Freundin in der Menge aus den Augen verloren hatten, an zu knutschen. Damit sie uns nicht entdeckt, entwickelten wir den glorreichen Plan einfach abzutauchen, der Handyempfang ist ja auch immer schlecht auf diesen Massenveranstaltungen. Das ging fünf Stunden gut. Dann standen wir wild knutschend vor den Dixie-Klos am anderen Ende des Geländes, als ich aus dem Augenwinkel ihre leuchtenden Gummistiefel sah.

 

Wir versuchten noch, uns hinterm Waschzelt zu verstecken, aber es war zu spät. Die Freundin fing berechtigterweise wahnsinnig an zu weinen, ich hatte ihr mit meinem Verhalten wirklich das Herz gebrochen. Mit dem Jungen war ich danach allerdings viele Jahre zusammen, es hat sich am Ende also gelohnt.“

 

Die Autorin will namentlich lieber nicht genannt werden.

Wenn der Sicherheitsdienst das Zelt entfernt

 

Rock am Ring, 2001, Hochsommer in Deutschland. Es regnet, es ist kalt. Guns N' Roses sind Headliner, Guns N' Roses sind meine Lieblingsband, Guns N' Roses sagen kurzfristig ab. Mein Freund organisiert die Anreise, er sagt: Wir reisen Freitagmorgen an, dann sind wir früh dran. Wir stehen im Stau, es wird Freitagmittag, wir sind viel zu spät dran. Die offiziellen Plätze sind voll, wir campen wild, das Zelt wird vom Sicherheitsdienst "entfernt". Wir campen auf einem Bauernhof "ganz in der Nähe". Der Fußmarsch zum Festivalgelände dauert eine Stunde.

 

Der Kumpel, er hält sich für festivalerfahren, sagt: Getränke sind teuer, pack dir einen Tetrapak in den Rucksack. Ich bin jung, ich bin naiv, ich nehme Apfelsaft mit. Erstes Konzert, von hinten kommt ein Crowdsurfer, der Apfelsaft ergießt sich über meinen Rücken. Der Crowdsurfer trägt Springerstiefel, ein Abdruck seiner Sohle schimmert blutdunkel in meinem Gesicht. Der Apfelsaft wird mit Regenwasser verdünnt. Wir laufen zurück zum Bauernhof, eine Stunde, die Zelte sind nass, die Duschen kaputt.

 

Wir setzen uns in den Kofferraum meines Kumpels, zu viert. Es ist ein Peugeot, es ist ein Kleinwagen. Wir freuen uns auf Papa Roach, "Last Resort", Riesenhit. Das Konzert wird abgebrochen, die Soundanlage, der Regen. Der Sänger knüppelt sich vor Wut das Mikro vor die Stirn. Wir laufen rüber zu Limp Bizkit, Center Stage, "Keep rollin' rollin' rollin' rollin'". Es hört auf zu regnen, die Sonne zeigt sich kurz, die nassen Sachen am Körper, der Geruch von Apfelsaft in der Nase. Das pure Festivalglück.

 

Michael König

„Das ist Omas Polo!“

 

Scheeßel, Hurricane-Festival. Es ist Samstagmittag, endlich kommt die Sonne durch. Den gesamten Vormittag hat es geschüttet, die Wiesen sind nur noch Matsch. Meine Jungs und ich sind mit den Campingstühlen vom Zeltplatz an den Straßenrand gewechselt. Fester Untergrund, und so. Wir tragen Shorts, Adiletten, Bierbrille und OKF (haben wir gestern erst vom Nachbarstrupp gelernt: „oberkörperfrei“ – finden wir stark). Die Massen strömen zu den ersten Konzerten. Zwischen den Menschengruppen: ein Trecker mit Anhänger. Auf dem Anhänger: ein Uralt-Polo, so wie der von meiner Oma, mit dem wir hergekommen sind, und der unter uns auch nur „Omas Polo“ heißt. „Sieht aus wie Omas Polo“, meint einer von den Jungs. Und ich, als der Trecker plus Anhänger vorüberzieht und das Nummernschild sichtbar wird: „Das IST Omas Polo!“

 

Wie sich später herausstellen soll, haben die Veranstalter Autos abschleppen lassen, die in der nassen Erde versackten. Die Kennzeichen wurden über Lautsprecher durchgerufen. Wir haben nichts gehört, und jetzt laufen wir dem Landfahrzeug nach, ich vorne weg: „Das ist Omas Polo, stopp!“ Ich werde zum Gespött, nicht nur dem meiner Freunde, die mich doesenbierspritzend anfeuern, sondern dem aller Festivalmenschen drum herum. Zwei Kilometer geht das so, erst über Land, dann durch das gesamte Dorf.

 

Irgendwann hält der Trecker auf einem Hof, wo schon andere Autos stehen. „Das ist Omas Polo!“, hechele ich den Fahrer an. Der blickt fragend zu den Jungs hinter mir: „Das ist Omas Polo“, hecheln die im Chor. „Ist ja gut“, sagt der Fahrer, grinst und lässt die Karre runter. Er hält mir den Schlüssel hin: „Ich hätte auch schon früher abgesetzt, aber ich dachte, ich gönne euch den Sport.“

 

Erik Brandt-Höge

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