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Kann man noch Rebell sein, wenn man Kinder hat?

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Friedrich Kautz alias Prinz Pi war selbst noch ein Jugendlicher, als er unter dem Pseudonym Prinz Porno begann, gegen Erwachsene, seine Schule und gegen auferlegte Normen zu rebellieren. Mittlerweile hat der 36-Jährige zwei Kinder, das Aufbegehren bleibt aber sein Lieblingsthema.  

jetzt: Auf deinem neuen Album hast du das erste mal Lieder für deinen Sohn und deine Tochter aufgenommen. Ist deine Musik dadurch weniger radikal geworden?

Prinz Pi: Klar denke ich darüber nach, was passiert, wenn meine Kinder die Musik hören. Aber ich ändere meine Texte weder für sie noch für jemand anderen. Die schreibe ich in erster Linie für mich. Meine Kinder verändern aber meinen Horizont und die eigene Wahrnehmung.

Wie das?

Ich war immer ein umhertreibender Mensch. Meine Kinder sind ein Anker, ein Fixpunkt, an den ich immer wieder zurückkomme.

Auf deinem Album sprichst du von uniformierten Klassenkameraden. Willst du, dass sich deine Kinder dem Dresscode-Druck entziehen?

Du kannst Kinder natürlich nicht zwangsindividualisieren und davon abhalten, Sachen gut zu finden, die alle mögen. Aber ich möchte ihnen zumindest sagen, dass es auf so was nicht ankommt. Weder sollte man sich mit einer bestimmten Jacke geil fühlen noch sich schlecht fühlen, wenn man sie nicht trägt. Ich selbst bin mir über Marken und Dresscodes erst auf dem Gymnasium richtig bewusst geworden.

Dabei fängt das ja schon in der Grundschule an. Da geht es eben um den bunten Schulranzen, den alle wollen.

Ich finde, diese Zwänge gibt es eher bei den Eltern. Ich habe das bei Elternabenden gemerkt. Da wurde dann über den neuen Römer-Kindersitz oder den Volvo mit 12 Airbags gesprochen. Wer die nicht hat, wird als unverantwortlich abgestempelt. 

Das klingt nach Klischees der Mittelschichts-Familien.

Meine Tochter geht in Berlin Schöneberg auf die Schule. Die anderen Eltern sind da Architekten und Orchestermusiker. Dort wird zu Hause Fagott oder Oboe gespielt. Wenn man erzählt, dass man selbst im weitesten Sinne kontemporäre Unterhaltungsmusik macht, dann muss man sich schon dafür rechtfertigen und wird komisch angeguckt. Aber genauso wie damals, als ich in die Schule ging, lasse ich mich von sowas auch jetzt nicht fertigmachen.

War das eine besonders strenge Schule?

Es war ein humanistisches Gymnasium, das sich als Eliteschule verstanden hat. Es wollte den Kids einen gewissen Verhaltenskodex antrainieren. Ich habe das oft nicht eingesehen und mich dagegen gesträubt. Gerade wenn man jung ist, fühlt man sich in vielen Punkten von der Gesellschaft kleingehalten, die durch Erwachsene vertreten wird. Ich durfte in der Schule zum Beispiel nicht die Hände in den Taschen haben, keine Mütze tragen, kein Kaugummi kauen. Es war alles sehr geregelt.

"Ich wollte die Schule immer abbrechen"

Hast du deswegen auch mit dem Sprühen Graffiti begonnen?

Als 16-Jähriger habe ich begonnen, durch die Stadt zu streunen und merkte, dass viele Firmen den öffentlichen Raum für sich beanspruchen. Mich hat aber keiner gefragt, ob ich die neue Volkswagen-Kampagne sehen möchte. Wir wollten uns den urbanen Raum zurückerobern und diesen Leuten auch mal unseren Namen aufzwingen. Graffiti hat uns Kraft gegeben, weil wir gesehen haben, dass es zumindest kurzzeitig etwas verändert. Wir konnten als Jugendliche eine gewisse Macht spüren, obwohl der Alltag sonst eher Ohnmacht war. Es wurde vorgeschrieben, wann du Zigaretten rauchen und Bier trinken darfst und was du mit deiner Zeit anzufangen hast. Du durftest damals aber gleichzeitig nicht arbeiten und dein eigenes Geld verdienen, um unabhängig zu werden.

Eingefügt ins System hast du dich trotzdem: Du hast dein Abitur abgeschlossen und später Kommunikationsdesign studiert.

Ich wollte die Schule immer abbrechen und eine Tischlerlehre machen. Ich hätte gerne mit meinen Händen gearbeitet und habe nur studiert, weil mein Vater das wollte und ich die Rebellion nicht wie meine damaligen Punker-Freunde durchgezogen habe. Dann hätte ich auch in einem Bauwagen wohnen und den Konsum verweigern müssen. Irgendwann überlegt man sich seinen eigenen Weg, um sich abzugrenzen. Für mich war das Musik. 

Was ist, wenn deine Kinder eine komplett andere Richtung einschlagen, vielleicht zur Polizei gehen oder ähnliches?

Meinen Kindern ist das komplett freigestellt. Ich werde sie nicht wie meine Eltern, die das natürlich in bester Absicht getan haben, dazu nötigen, ein Diplom abzulegen, nur um eine Erwartungshaltung zu befriedigen.

 

In deinem neuen Track „Kartenhaus“ geht es auch um die Frage, wie selbstbestimmt man eigentlich ist bei der Entscheidung, was man aus seinem Leben macht. 

Kartenhaus handelt von Leuten, die von klein auf einen genauen Plan davon haben, was sie erreichen wollen. Sie bauen sich ein Kartenhaus aus Statussymbolen und beruflichen Titeln. Oft genügt ein kleiner Windhauch, um es zu zerstören – eine Trennung oder eine schwere Krankheit. Dann kommt die Frage auf, wofür man das eigentlich alles gemacht hat: für sich oder für gesellschaftliche Normen, an denen man sich entlang gehangelt hat. Das Album behandelt ja das westliche Lebensmodel von Amerika und der Nuclear-Family aus den 50er Jahren. Alte Familienstrukturen. Normen, die alle mitmachen.

Wie können sich deine Kinder veralteten Normen entziehen?

Das ist ihre Sache. Ich bin ja auch Teil der Gesellschaft, aber ich entziehe mich ihr trotzdem. Ein Rockstar, der Drogen nimmt, Hotelzimmer zertrümmert und böse Wörter in den Mund nimmt, bin ich zwar nicht. Außerhalb des Systems sehe ich mich trotzdem.

 

Als Prinz Porno hast früher böse Wörter in den Mund genommen. Kannst du das deinen Kindern erklären?

Als Jugendlicher ist man wütend und schreit lauter. Prinz Porno war da mein Kanal. Ich würde mich freuen, wenn sie auch einen Kanal finden. Einen, der keine Narben hinterlässt. Viele Leute machen in den Jahren der Selbstfindung ja krasse Experimente mit Drogen oder flippen völlig aus. Das bringt aber mehr Leere als Bereicherung. Bei mir sind stattdessen eben Battlerap-Alben entstanden.

 

Das Album "Im Westen nichts Neues" von Prinz Pi erscheint am 5. Februar.

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