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Anna möchte nicht für einen AfD-Politiker arbeiten

Foto: Sebastian Kahnert / dpa / Screenshot Twitter

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Markus Roscher ist Anwalt und AfD-Politiker. Vor einigen Tagen veröffentlichte er auf Twitter die Job-Absage einer jungen Juristin. Grund der Absage sei seine AfD-Kandidatur.

Über die Begründung seiner Bewerberin war Roscher anscheinend so verärgert, dass er mit einem Tweet auf diese Ungerechtigkeit ihm gegenüber aufmerksam machen wollte. In den Kommentaren behauptet er später, die Absage habe mit einer „Stigmatisierung der AfD“ zu tun. Auch wenn er die Berufsanfängerin in seinem Tweet nicht identifiziert, betont er ihre eher mittelmäßige Note. Aus den Kommentaren ist zu lesen, dass er damit vor allem seine Fairness herausstellen wollte, ihr trotz dieser Note einen Job anzubieten.

Das ging jedoch nach hinten los. In den Kommentaren bekommt stattdessen die junge Anwältin viel Zuspruch. Sie habe die richtige Entscheidung getroffen. Auch Schauspieler Christian Ulmen mischt sich ein und verteidigt die Berufsanfängerin: Dass sie den Job trotz ihrer Note abgesagt habe, verdiene doppelten Respekt, scheibt er in den Kommentaren. Auch auf seiner Twitter-Seite macht er auf die Heldentat der jungen Juristin aufmerksam und muss sich daraufhin mit der AfD auseinandersetzen.

Nun meldet sich die bisher anonym gebliebene Anwältin auf Facebook zu Wort. Sie möchte der „Berufsanfängerin, Note: 4+“ ein Gesicht geben. In ihrem Post erklärt sie ihre Entscheidung.

Anna hat vor Kurzem ihr zweites juristisches Examen absolviert. Ihr Berufswunsch: Strafverteidigerin. Dass das nicht so einfach werden würde, war der jungen Absolventin schon bewusst. Sie hat ihr Examen mit der Note 6,3 abgeschlossen – übertragen ist das etwa eine 4+. Nicht besonders gut, aber im Jura-Staatsexamen nicht gerade ungewöhnlich.

Nach einigen Absagen von Berliner Kanzleien war Anna umso erfreuter als Markus Roscher sie zu einem Gespräch einlud. Über seine AfD-Tätigkeit war sie zwar schon vor dem Gespräch gestolpert, habe das aber erst einmal ignoriert. „Mit meiner Note konnte ich mir vielleicht auch nicht einfach einen Traumjob aussuchen“, schreibt sie.

„Muss ich mit einem Menschen, der so eine Aussage geäußert hat, zusammenarbeiten?“ 

Erst im Gespräch mit Roscher sei es zu dem entscheidenden Moment gekommen, der sie zum Nachdenken brachte. Als die polnische Herkunft von Annas Eltern zur Sprache kam, soll Roscher gesagt haben, „dass er zwar traurig sei, dass ehemalige Teile Deutschlands nun zu Polen gehören, er aber jetzt seinen Frieden damit gefunden hat“.

Nach dem Gespräch habe sie lange darüber nachgedacht, wie sie damit umgehen soll. „Muss ich mit einem Menschen, der so eine Aussage gegenüber mir geäußert hat, zusammenarbeiten?“ Anna entschied, dass sie das trotz ihrer schlechten Examensnote und der schwierigen Berufslage moralisch nicht vertreten kann und sagte die angebotene Festanstellung ab.

Markus Roscher reagierte schnell auf die Erklärung der jungen Anwältin, warf ihr vor, sie erzähle die Unwahrheit und wolle die entstandene Popularität der Medien nun dazu nutzen, um einen guten Job zu finden. Er habe sich stattdessen „in besonders wohlwollender Weise“ über Polen geäußert.

Für nähere Rückfragen stand Anna bis jetzt noch nicht zur Verfügung. In ihrem Facebook-Post schreibt sie abschließend, dass das Gespräch mit Roscher eine Frage in ihr ausgelöst hat: „Wie erstklassig kann bitte eine Partei sein, wenn die Anhänger – zumindest von einem konnte ich mich jetzt schon einmal persönlich überzeugen - selbst keine Klasse besitzen?“

 

val

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