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Luans Abschiebung spaltet Leipziger Schule

Foto: Dpa/ Daniel Maurer

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Luan kam vor zwei Jahren aus Kosovo nach Deutschland, der 18-Jährige besucht die neunte Klasse des Max-Klinger-Gymnasiums in Leipzig. Seine Mitschüler beschreiben ihn als „sehr nett und höflich“, als „liebevoll“, „super integriert“ und loben ihn dafür, dass er schon nach einem Jahr die neue Sprache beherrscht hätte. Aus dem Klassenkollektiv sei er nicht mehr wegzudenken:„Er hilft, obwohl er die Hilfe viel dringender und besser gebrauchen könnte.“ Die Aussagen über Luan stammen aus einer Online-Petition, die bislang mehr als 4000 Menschen unterschrieben haben. Am kommenden Freitag soll Luan nämlich abgeschoben werden, zurück in seine Heimat. Sein Fall ist in Deutschland aktuell sicher kein Einzelfall –  doch er spaltet gerade seine Schule. Ein anderer Schüler des Gymnasiums, Christoph Leonhardt,  befürwortet nämlich Luans drohende Abschiebung.

Leonhardt hat die Petition nicht unterzeichnet und muss dafür momentan viel Kritik einstecken. Der 17-Jährige geht auf das gleiche Gymnasium wie Luan, er kennt ihn vom Sehen, man läuft sich auf dem Schulhof ja schon mal über den Weg. Persönlich mit Luan gesprochen hat Leonhardt noch nie. Er ist Vorsitzender der Schüler Union Leipzig, in der Jungen Union aktiv und Schriftführer bei der CDU Leipzig und er schreibt öffentlich auf Facebook: „Es ist mir unbegreiflich, warum diese Petition solche Wellen schlägt. Bei aller Sympathie für den Einzelfall ist doch klar: Der Asylantrag wurde rechtstaatlich geprüft und abgelehnt. Luans Eltern halten sich illegal in Deutschland auf.“

Sie hätten einen „aussichtslosen Asylantrag“ gestellt. „Insofern kann auch Luan einem nur leidtun. Auch wenn es schwer ist, müssen er und seine Mitschüler den rechtskräftigen Beschluss akzeptieren.“ Integration, Höflichkeit und Nettigkeit hin oder her. „Das allein genügt aber doch nicht, um die Asylregelungen außer Kraft zu setzen. Wo kommen wir denn da hin?“

Luan selbst ist verständlicherweise verzweifelt. „Ich habe im Kosovo keine Wohnung, ich weiß nicht, wo ich dann leben soll“, sagte er der Leipziger Internetzeitung. Ihm droht auch die Trennung von seinen Eltern, weil beide krank sind und deswegen in Deutschland weiter toleriert werden. „Ich fühle mich hier wohl und komme sehr gut zurecht“, sagt Luan. „Im Kosovo müsste ich wieder ganz von vorne anfangen.“  

Mittlerweile schlagen Christophs Aussagen in Kombination mit seinem Foto auf der Seite der Schüler Union mittlerweile fast so hohe Wellen, wie die Petition gegen Luans Abschiebung. Auf Facebook und Twitter regen sich Menschen auf. "Christoph, du bist jetzt 17, was machen du und deine Freunde denn so?" "Oh, heute haben wir gefordert, dass ein Junge abgeschoben wird!", twitterte der Blogger Marco Fuchs. Ein Kommentator schlägt Leonhardt vor, selbst mal nach Kosovo zu reisen, „wenn das da alles so nicht-krisenhaft ist, sicherlich eine gute Erfahrung“. Und das sind noch die freundlicheren Kommentare.

Christoph kann die Aufregung nicht so ganz nachvollziehen. Die meisten Kommentare seien nicht sachlich, sondern vor allem unter der Gürtellinie. „Natürlich ist Luans persönliches Schicksal bedauernswert“, sagt er am Telefon. „Aber trotzdem muss der Rechtsstaat seine Gesetze durchsetzen.“ Dass er auf die Petition seiner Mitschüler mit einem Gegenstatement reagiert hat, habe einen bestimmten Grund: „Luan wird von den Jusos und von der Linksjugend instrumentalisiert“, sagt Christoph.

"Luan setzt alle Kraft dafür ein, hier in Deutschland einen guten Schul- und Ausbildungsabschluss zu erreichen"

Der Stadtradt der Linken hatte zuvor gesagt, er sei „erschüttert, dass selbst ein so hervorragend integrierter Mensch wie Luan abgeschoben werden soll.“  Die Jusos Leipzig forderten: „Die Härtefallkommission muss den Fall prüfen und die Abschiebung verhindern. Wer, wenn nicht Luan, erfüllt die Kriterien für die Ausnahmeregelung?“

Die sächsische Härtefallkommissionsverordnung kann eine Aufenthaltsgenehmigung erteilen, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe, wie etwa die sprachliche, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Integration, vorliegen. Jusos und Linke fordern für Luan ein dauerhaftes Bleiberecht. Die Leipziger Internetzeitung zitiert aus Einschätzungen von Luans aktueller Klassenleiterin und einem ehemaligen Klassenleiter. Darin stehe: „Er macht ständig Fortschritte und setzt alle Kraft dafür ein, hier in Deutschland einen guten Schul- und Ausbildungsabschluss zu erreichen. Wir sind der festen Überzeugung, dass er die Chance dazu verdient hat.“ Christoph Leonhardt glaubt trotzdem nicht an den Erfolg der Härtefallregelung: „Ich gehe davon aus, dass Luan abgeschoben wird“, sagt er.

Geht es nach dem Bescheid der Ausländerbehörde Leipzig, wird Luan diese Chance am Freitag genommen. Sie droht, ihn zur Festnahme ausschreiben zu lassen, sofern er der Forderung zur Ausreise nicht nachkommt. Darauf würde dann die Abschiebung folgen. 

Mehr darüber, wie Abschiebungen in Deutschland aussehen:

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