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„Die Schule wird dir niemals beibringen, wie du deine Freundin leckst“

Foto: Screenshot Youtube

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In den vergangenen Jahren sind viele deutsche Podcasts und Videoblogs über Sex enstanden. „Fickt Euch! Ist doch nur Sex“ heißt der Youtube-Kanal von funk, dem jungen Angebot von ARD und ZDF, der sich der Aufklärung verschrieben hat. Im Titel steckt schon die Haltung: Understatement und Spaß. Dafür werden alle möglichen Techniken ganz genau erklärt. Die Macherin und Moderatorin von „Fickt Euch!“ heißt Kristina Weitkamp, 30 Jahre alt. Sie erklärt, was Aufklärung 2.0 heute bedeutet. 

jetzt: Kristina, was ist die häufigste Frage, die dir gestellt wird?

Kristina Weitkamp: Klarer Spitzenreiter: "Ist mein Penis zu klein?"

Bitte?

Das scheint mehr denn je eine männliche Urangst zu sein. Manche wollen mir dann Bilder schicken, damit ich eine Einschätzung abgebe. Ich sage denen aber, dass das nicht passieren wird.

Ist das ein Dickpic-Trick oder haben die ernsthaft ein Problem?

Die meisten treibt das schon ehrlich um. Ich sage dann immer, dass Größe nicht so wichtig ist, und die meisten haben natürlich keine total kleinen Penisse. Zweithäufigste Frage: "Wie finde ich eine Freundin?"

Und die Mädchen?

Die fragen auch oft, ob sie normal sind. Körperlich zum Beispiel, was ihre Brüste oder Schamlippen angeht. Oder weil ihr Freund will, dass sie ihm einen blasen, sie das aber nicht. Kurz gesagt: Die Jungs interessieren sich eher für das Technische, Mädchen eher für die emotionale Seite. Aber bei allen herrscht eine große Unsicherheit. 

Dabei wissen doch junge Leute heute mehr denn je über Sex.

Naja, sie bekommen mehr Sex mit. Ob durch frei zugängliche Pornos, durch Texte in Hiphop-Liedern oder sonstige Medien. Aber besonders die frei zugänglichen Pornos stellen ein verzerrtes Bild von Sex dar.

 

„Eher selten erzählen mir Leute von ihrem Fetisch“

Was genau wird da verzerrt?

Vor allem die Rollenbilder. Die Frau dient nur der Lust des Mannes, der Mann muss es ihr besorgen, in allen möglichen Stellungen. Alle können und wollen immer, alle kommen zum Orgasmus. Das ist wie ein Sport, auf Leistung getrimmt. Da spielen Zärtlichkeit, Kommunikation, Spaß keine Rolle. Wenn das der erste Sex ist, mit dem ich in Kontakt trete, kann ich das vielleicht nicht als Schauspiel einordnen.

Aber die sexuelle Praxis von Teenagern, zum Beispiel das Alter des ersten Males, hat sich in den letzten Jahren nicht verändert.

Ich glaube nicht an diese „Generation Porno“. Es ist eben ein Unterschied, ob man sich das anschaut und drüber redet, oder ob man es wirklich macht. Aber wenn ich all diese Praktiken sehe, bleibt mein Wissen dabei doch sehr oberflächlich. Wie ich richtig fingere oder lecke oder blase, bringt mir kein Porno bei. 

Deshalb sind viele deiner Videos recht, sagen wir mal, praxisorientiert?

Ja, diese Anleitungen ziehen am besten. Wenn man etwas lernen (oder dazulernen) kann. Zum Beispiel Selbstbefriedigung, oder wie ich dies oder das mit meiner Freundin mache. Theoretische oder emotionalere Themen klicken nicht so. 

Und du bist immer erreichbar für Nachfragen?

Ja, über Youtube, Instagram oder Snapchat. Da kommen täglich einige, je nachdem, was im aktuellen Video passiert. Viel Bestätigung bekomme ich auch von jungen Frauen. Aber natürlich fragt auch der ein oder andere, warum er dafür Rundfunkgebühren zahlt. Eher selten erzählen mir Leute von ihrem Fetisch, meistens Füße. Einer wollte wissen, wo er Frauen findet, denen er die Haare waschen darf, weil ihn das heiß macht.

Wer klärt denn außer dir noch auf und wie?

Lehrer und Eltern sollten die ersten Ansprechpartner sein. Ich kann auch mangels pädagogischem Background nicht leisten, was die Schule leistet. Aber dort lernt man eher etwas über die Probleme, über Verhütung, Geschlechtskrankheiten, Missbrauch. Die Schule wird dir niemals beibringen, wie du deine Freundin leckst. Deine Eltern auch nicht. 

Erfüllt die Schule denn ihren Auftrag?

Da müsste es noch vielfältiger werden. Dass es mehr Formen der Liebe gibt als Mann plus Frau. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung probiert da schon mehr. Ich versuche vor allem den Spaß zu vermitteln, darüber zu reden, wie mit einer Freundin, und Wörter zu benutzen, die die Jugendlichen auch benutzen. Das ist meine Message: Sex ist etwas Normales, darüber reden ist wichtig.

Was ist denn deine Qualifikation als Sex-Expertin?

Ich sehe mich eher als eine Art große Schwester oder Freundin. Ich teile meine Erfahrungen, gute wie schlechte, weil ich denke, auf der persönlichen Ebene eher Menschen zu erreichen als auf der theoretischen. Darüber hinaus recherchiere ich viel, denn alles weiß ich natürlich auch nicht. Ich informiere mich über Literatur, Fachseiten im Internet oder bei Ärzten und Psychologen. Außerdem helfe ich bei Fragen, die ich selbst nicht beantworten kann, den richtigen Ansprechpartner zu finden, zum Beispiel bei medizinischen Anliegen.

Wie oft wirst du angemacht?

Schon oft. Viele denken, ich würde den ganzen Tag nichts Anderes machen als über Vögeln zu reden – oder zu vögeln. Und sei deshalb logischerweise auch leicht ins Bett zu kriegen. Da kommen dann eher plumpe Sachen wie „darf ich dich ficken?“. Immerhin noch als Frage formuliert. Manche wollen mich aber auch auf eine nette Art kennenlernen. Oder ich werde bei Tinder erkannt, wo ich nur privat bin. Was echt schwer ist: nicht auf den Sex reduziert zu werden.

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